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Portraitaktion „Wir sind Alsfeld" - Heute mit: Ute Eisenach – Inhaberin „Eisenach - Haus der Mode“ und „Top Center“Bewusst Leben und Einkaufen ist ihre Devise

SONDERTHEMA|ALSFELD (bk). Es ist nicht immer leicht in einer Kleinstadt“ zu leben. Besonders wenn man ein Einzelhandelsunternehmen besitzt und die Leute lieber im Internet kaufen. Dabei geht es bei dem Besuch eines Geschäfts doch viel mehr um das Gefühl, was ein solcher Besuch auslöst. Wenn man rein kommt, freundlich begrüßt wird und Berater einem zur Seite stehen. Wenn man merkt: Hier fühle ich mich wohl. Auch Ute Eisenach wünscht sich mehr Bewusstsein für die Alsfelder Geschäfte und das Konsumverhalten der heutigen Zeit.

In Alsfeld gibt es viele Geschäfte. Ein Fakt, den man so stehen lassen könnte, wenn nicht viele der Unternehmen eins gemeinsam hätten: Bekannte Gesichter – auch „Chefs“ genannt. Die meisten teilnehmenden Unternehmen von Erlebnis.Alsfeld haben diesen gewissen Charme eben genau wegen ihrer Persönlichkeiten die Ihnen innewohnen. Selbst wenn man den Namen nicht kennt, so grüßt man sie doch auf der Straße, wenn man ihnen begegnet – einfach, weil sie sind, wie sie sind.

Erlebnis.Alsfeld wagt in Zusammenarbeit mit Oberhessen-live und merciPhotography einen Blick hinter die Unternehmensfassaden und holt den Menschen zurück in den Vordergrund. Denn ohne den Gründer oder Besitzer des jeweiligen Unternehmens gebe es dieses vermutlich gar nicht. Sie machen das Einkaufen in Alsfeld zu etwas Besonderem. Sei es durch ihre freundliche, charmante Art, oder durch ihr kompetentes Fachwissen – „Wir sind Alsfeld“ zeigt die Unternehmer, wie man sie normalerweise nicht zu sehen bekommt und wirft einen Blick zurück in die manchmal kuriose Vergangenheit der Unternehmer.

Heute: Ute Eisenach, Inhaberin „Eisenach – Haus der Mode“ und „Top Center“

Um zur Geschichte von Ute Eisenach zu kommen, müssen wir einen Sprung in die Vergangenheit wagen: Nachdem Utes Vater Willi Eisenach bei Adalbert Koch gelernt und gearbeitet hatte, wechselte er ins Bekleidungshaus Jakob. Das befand sich im Gebäude des heutigen Top Centers. Dort hatte er, wie man es heute nennen würde, die Geschäftsführung inne. Ende der sechziger Jahre übernahm er die Firma als Inhaber und führte sie ab da gemeinsam mit seiner Frau Rosemarie. Ein Jahrzehnt später platze das Geschäft aus allen Nähten, weshalb das Ehepaar beschloss, die Verkaufsfläche zu erweitern. Anfang der achtziger Jahre kauften sie schräg gegenüber das Brunnencafé und machten daraus das heutige Haus der Mode.

Währenddessen wuchsen Georg und Ute gut behütet und umsorgt in Elbenrod bei der Oma auf. „Meine Oma war eine ganz klassische Oma, eine Krieger-Witwe. Sie war zuhause, schmiss den kompletten Haushalt und war immer für meinen Bruder und mich da. Derweilen arbeiteten unsere Eltern rund um die Uhr am Aufbau des Geschäftes. Ohne frei zu haben, ohne Urlaub. Dieses Familienmodell gibt es heute leider kaum noch“, erinnert sich Ute Eisenach an ihre behütete Kindheit, ehe sie eine normale Schullaufbahn antrat und schließlich Abitur machte.

Lernen mit Spaß bringt scheinbar Erfolg

„Ich habe meine Leistungsfächer einfach aus Spaß ausgesucht, Physik und Deutsch“, lacht die in Alsfeld geborene Ute Eisenach, die seit 1994 zusammen mit ihrem Bruder Georg die Geschäftsleitung vom Haus der Mode und Top Center innehat. Sie wusste schon relativ früh, dass sie das Unternehmen irgendwann übernehmen würde, weshalb sie sich auf eine gute Ausbildung stürzte. Dafür ging sie nach Frankfurt auf die Zeil zum Bekleidungsunternehmen Ammerschläger und lernte Einzelhandelskaufrau. Das Unternehmen existiert heute zwar nicht mehr, aber Ende der achtziger Jahre war es eine der besten Adressen und garantierte eine Top-Ausbildung. Nachdem Ute in Nagold Textil-Betriebswirtschaft studiert hatte, ging sie für zwei Jahre nach Köln, wo sie für eine Unternehmensberatung tätig war.

Dann kam sie zurück ins heimische Unternehmen, wo sie dank ihrer nun gesammelten Erfahrungen die Vor- und Nachteile einer Stadt in der Größe Alsfelds entdeckte. „Alsfeld ist überschaubar, alles ist relativ schnell erreichbar. Das finde ich sehr positiv. Was in meinen Augen weniger funktioniert ist der öffentliche Personen-Nahverkehr. Dieses Problem haben aber alle Städte in dieser Größenordnung. Man ist nicht besonders flexibel, wenn man kein Auto hat oder mit dem Rad fährt.“

Alsfeld hat alles, was man zum leben braucht

Bereut hat sie die Zeit in der Ferne nie: „Ich glaube, wenn ich nicht ein paar Jahre weggewesen wäre und die Erfahrungen und Erlebnisse nicht gesammelt hätte, hätte ich immer das Gefühl gehabt, etwas verpasst zu haben. Über den Tellerrand zu schauen ist ganz wichtig.“ Zwar hatte sie in der Zeit auch Möglichkeiten sich beruflich anderweitig zu orientieren, aber der Plan, wieder zurück nach Alsfeld zu gehen, war nie ernsthaft gefährdet.

„Alsfeld bietet einfach alles, was man zum täglichen Leben benötigt.“ – Natürlich keine Extravaganzen, keine Oper, kein Sternelokal, keine Designerboutiquen. Aber das, was der normale Mensch braucht um gut zu leben, gibt es. Kultur, Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistung: Es ist alles vorhanden. „Und wenn mal etwas fehlt, fährt man dahin, wo es das Angebot gibt oder bestellt es im Internet. Dafür ist es in meinen Augen perfekt. Aber nicht, um dort die Dinge zu kaufen, die es im Laden um die Ecke gibt.“

„Wer die Vorteile einer kleineren Stadt schätzt, weiß dass man hier kurze Wege hat, dass man sich kennt und sich auch noch etwas sicherer fühlen kann als in einer großen Stadt, auch wenn sich da in den letzten Jahren vieles geändert hat. Für den ist Alsfeld einfach schön. Hier ist vor allem auch noch einiges los. Es gibt tolle Veranstaltungen und Feste, um die uns viele andere beneiden“, betont die Unternehmerin voller Lokalpatriotismus.

Natur pur – ohne Extremes

Auch den Vogelsberg findet Ute Eisenach traumhaft. Sie hat eine Freundin in Bayern am Tegernsee. Dort ist es super schön und sie fährt da auch sehr gerne hin. Sie fährt aber auch gerne mal ans Meer. Auf der einen Seite ist die Landschaft nur flach, auf der anderen ist alles bergig. „Und das ist das Schöne am Vogelsberg. Wir haben Alles. Zwar auch wieder nichts Extremes, keine hohen Berge, keine riesigen Seen oder das Meer, aber eigentlich ist von allem was da. Ich gehe viel Walken mit meinen Freundinnen, bin viel unterwegs in der Natur, um Alsfeld herum in den unterschiedlichen Wäldern ist es einfach traumhaft.“

Gesundheitlich hatte sie im Februar 2017 einen herben Rückschlag hinnehmen müssen: Ein heftiger Bandscheibenvorfall, bei dem viele lange ausgefallen wären. Sie jedoch gönnte sich keine Ruhe, bis sie schließlich im Krankenhaus landete. „Ich hatte solche Schmerzen, dass ich nicht mehr laufen konnte. Aber da merkt man erstmal, wie wichtig die Gesundheit ist. Wie selbstverständlich für uns das Laufen, Reden, Sprechen und das Benutzen der Hände ist. Da wurde mir klar: ‚Du musst alles tun, um zu verhindern, dass das nochmal passiert.‘ Man muss einfach sorgsamer mit sich umgehen.“

Beruflich setzen Ute und ihr Bruder Georg in Ihrem Geschäft auf Qualität. „Es ist natürlich nicht immer garantiert, dass die Qualität top ist, wenn man ein hochwertigeres Produkt kauft, aber die Wahrscheinlichkeit ist einfach sehr hoch.“ Ihre Geschäfte beziehen nur Ware von Lieferanten, von denen sie überzeugt sind, dass das Preis-Leistungsverhältnis gut ist. „Ich bin kein Freund von billig“, sagt Eisenach und ergänzt, dass sie lieber ein Teil weniger kauft, dafür dann aber etwas Gescheites. „Es zählt heute leider immer öfter nur ‚billig, billig, billig‘. Wenn die Kunden wüssten, wo und unter welchen Umständen die Ware teilweise produziert wird. Ich weiß nicht, ob es dann noch so viel Spaß machen würde, diese Sachen zu tragen.“

Geiz ist eine Todsünde und nicht „geil“

Sicher gibt es auch Menschen, die wirklich wenig Geld haben, die also nicht geizig sind. Dass die natürlich auch eine Möglichkeit brauchen um Klamotten zu kaufen, ist logisch. „Aber Deutschland ist inzwischen Europaweit als das Volk der ‚Schnäppchenjäger‘ bekannt. Das ist kein Titel, auf den man stolz sein sollte. Mit dieser ‚Geiz ist geil‘ Mentalität kann ich nichts anfangen. Geiz gehört im biblischen Sinne zu den sieben Todsünden. Da machen sich viele gar keine Gedanken drüber, was Geiz bedeutet. Meine Mitarbeiter und ich müssen von unserer Arbeit, von unserem Geschäft leben können.“

„Was mich zum Beispiel beim Onlinehandel sehr verwundert ist, wie gedanken- und kritiklos viele Menschen den Themen Transportkosten, Umweltverschmutzung und der Ausbeutung der Fahrer gegenüberstehen“, überlegt Ute Eisenach kritisch. Natürlich ist ihr auch der sogenannte ‚Beratungsklau‘ ein Dorn im Auge. Dabei ist es Utes Traumjob Bekleidung einzukaufen und zu verkaufen. Kunden zu beraten, das macht sie am allerliebsten, auch wenn sie heutzutage oft viel zu wenig Zeit im Verkauf verbringt, da einfach so viel andere Arbeit zu erledigen ist, die man als Kunde gar nicht sieht.

Ein Appell an die Alsfelder und der Wunsch nach bewusterem Handeln

Ihr größter Wunsch für die Zukunft ist, dass sich Alsfeld positiv entwickelt. „Das Potential dazu hat die Stadt.“ Dass sich sowohl die Bewohner als auch die komplette Geschäftswelt darüber im Klaren wird, dass alles im Großen und Ganzen zusammenhängt. Dass allen bewusst wird, dass vom schlecht reden und nichts tun, noch nie etwas besser geworden ist. „Eine Stadt in dieser Größenordnung hat nur dann eine gute Zukunftsprognose, wenn sich jeder bewusst macht, was er dazu beitragen kann.“ Wer überwiegend online kauft, braucht sich nicht wundern, wenn er beim Spaziergang durch die Stadt zunehmend leere Geschäfte sieht.

Wer fast nur zuhause hockt, braucht sich nicht zu wundern, wenn es immer weniger Lokale oder Veranstaltungen in der Stadt gibt. Wer nur jammert, dass er nicht genug Kunden hat, aber sich in keiner Weise zum Beispiel beim Verkehrsverein engagiert, der muss sich nicht wundern, dass sich die Spirale weiter nach unten dreht. „Dann braucht sich keiner beschweren, wenn die Stadt nicht mehr liebenswert ist“, schlussfolgert sie mit so viel Herzblut, dass man direkt spürt, wie nahe ihr dieses Thema geht. Deshalb appelliert sie auch an die Leute in sich zu gehen: „Wir haben eine traumschöne Stadt, das sollte sich jeder auch mal bewusst machen und seinen Beitrag dazu leisten, dass das auch so bleibt.“

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