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Wie schwer ist es wirklich Schiedsrichter im Amateurbereich zu sein? Günter Konle, Simon Bäcker und Dominik Simon im Gespräch„Fußball ohne Emotionen wäre nicht Fußball“

ALSFELD (ls). Sie sind immer mittendrin und doch irgendwie nicht richtig dabei. In einem gelben Trikot rennen sie über den Platz und bekommen doch nie einen Ball vor die Füße. Stattdessen hagelt es Kritik – und das nicht nur von den Spielern auf dem Feld, sondern auch von Zuschauern abseits des Platzes. Gemeint sind die Schiedsrichter in des deutschen Lieblingssport Fußball. Oberhessen-live hat mit drei Schiedsrichtern über Probleme, Freuden und Nachwuchsschwierigkeiten gesprochen.

Gepöbel, Gemecker, sogar Handgreiflichkeiten gehören hier in vielen Teilen Deutschlands mit dazu – und das obwohl es auch für Schiedsrichter nur ein Hobby ist. Erst vor ein paar Monaten machte ein vermeintlicher Angriff auf den Schiedsrichter Jürgen Weilmünster nach einem A-Liga Spiel die Runde. Der Vorwurf damals: Er sei von Zuschauern körperlich attackiert worden.

Schiedsrichter im lokalen Fußball sein ist nicht immer ein leichtes Hobby. Aber eins, und da sind sich alle drei Anwesenden einig, was richtig viel Spaß bringt. Die drei Anwesenden, das waren der 28-jährige Simon Bäcker, der 21-jährige Dominik Simon und der 50-jährige Günter Konle. Zusammen sind sie seit neun Jahren als Schiedsrichter im lokalen Fußball tätig und haben dort die unterschiedlichsten Erfahrungen sammeln können.

Interview mit drei Schiedsrichtern der Schiedsrichtervereinigung Alsfeld

Oberhessen-live: Schiedsrichter im Amateurfußball – das stell ich mir nicht so leicht vor. Wie viel Kritik muss man dabei denn wirklich einstecken?

Günter Konle: Ich persönlich sehe das relativ entspannt. Ich hatte bisher fast immer nur positive Erlebnisse als Schiedsrichter und sage heute sogar: Hätte ich das früher gewusst, dann hätte ich auch schon früher damit angefangen. Natürlich gibt es mal strittige Situationen, aber ich sag immer: Fußball geht nicht ohne Emotionen und da kommt es schon mal vor, dass sich eine kleine Situation etwas hochschaukelt.

Dominik Simon: So ganz pauschal kann ich das nicht sagen, aber nur positive Erlebnisse hatte ich nicht. Ich würde schon sagen, dass man viel Kritik einstecken muss. In meinem ersten Beobachtungsspiel als Schiedsrichterassistent war es ganz schlimm. Ich wurde von der Seitenlinie richtig fertig gemacht und beleidigt, weil ich zwei Abseitsentscheidungen raus gewunken habe. Da ich noch neu war, hat mich das ganz schön belastet und ich habe mich gefragt ob die Entscheidung jetzt wirklich richtig war oder nicht. Ich finde schon, dass man als Unparteiischer viel Kritik einstecken muss. Witzig war nur: Auf das Spiel habe ich vom Schiedsrichterbeobachter eine sehr gute Bewertung bekommen und er hat auch gesagt, er hätte nicht anders reagiert in dieser Situation. Seit dem zweifel ich nicht mehr so an meinen Entscheidungen.

Zwei Schiedsrichter, zwei unterschiedliche Erfahrungen. Wie kommt das?

Günter Konle: Ich glaube, dass es viel mit dem Auftreten zu tun hat. Ich würde persönlich sagen, dass mir da mein Beruf zu Gute kommt, durch den ich sicher ein etwas anderes Auftreten habe als Neulinge oder jüngere Kollegen beispielsweise.

Dominik Simon: Ja, das würde ich auch so bestätigen. Ich glaube, dass jemand, der vielleicht erst ein paar Mal gepfiffen hat und sich entsprechend noch etwas unsicherer ist, anders auftritt als ein Schiedsrichter mit Erfahrung.

Simon Bäcker: Das Auftreten und Psychologie sind da ein wichtiger Faktor. Man muss Selbstbewusstsein ausstrahlen und dann passiert das auch nicht. Erst zweifelt man, dann fängt man an sich selbst zu reflektieren und je mehr Übung man hat, dann vertraut man seinen Entscheidungen.

Eigentlich ist er unbeteiligt, doch oft wird mit ihm diskutiert: der Schiedsrichter. Fotos: ls

Von Nachwuchsproblemen und neuen Ideen

Wo gibt es denn häufiger Probleme: Auf dem Platz oder daneben?

Dominik Simon: Eindeutig neben dem Platz – ich finde dort ist es am schlimmsten. Bei Jugendspielen stehen dort die Eltern, wo ich mich manchmal frage, ob ihnen bewusst ist, dass es sich dabei nur um ein Spiel handelt. Im Seniorenbereich stehen am Spielfeldrand entweder die Fans oder ehemalige Spieler und Senioren. Da würde ich schon manchmal gerne sagen, dass sich die Regeln vielleicht auch geändert haben. Ich verstehe nicht, wieso sie denken, dass sie eine Situation besser einschätzen können als der Schiedsrichter auf dem Platz.

Simon Bäcker: Es wird sich sehr oft von außen eingemischt, das stimmt schon. Positive Resonanz bekommen wir also sehr wenig. Wir sagen immer: Positiv ist es dann, wenn man einfach gar nichts gesagt bekommt.

Günter Konle: Ja, wenn Resonanz kommt, dann von außen. Die Spieler wissen meistens schon, dass sie entweder etwas falsch gemacht haben oder dass es nichts bringt zu diskutieren. Meistens sind sie auch recht zugänglich und man löst es im Guten: Ich versuche immer erst mit ihnen zu reden, denn damit habe ich auf dem Platz sehr gute Erfahrungen gemacht.

Wie kann man so etwas verhindern oder was kann man dagegen tun, dass so etwas nicht mehr vorkommt?

Simon Bäcker: Ich glaube nicht, dass das irgendwann aufhört – Emotionen gehören zum Fußball mit dazu. Jedoch dürfen Mannschaften in niedrigeren Spielklassen angesichts des vorherrschenden Schiedsrichtermangels nicht erwarten, dass zu jedem Spiel ein höherklassiger Schiedsrichter angesetzt wird. Damit sich unsere Neulinge in stark emotionalen Spielen nicht ganz alleine fühlen, haben wir Anfang der letzten Saison das sogenannte Patensystem eingeführt. Dabei versuchen wir, dass jeder Neuling in seinen ersten Spielen durch einen erfahrenen Schiedsrichter begleitet wird, der ihm konstruktive Kritik und wertvolle Tipps mit auf den Weg geben kann. Ich glaube, dass so ein System wichtig ist, damit gerade junge Schiedsrichter nicht gleich wieder aufgeben oder vollkommen ihr Selbstbewusstsein verlieren. Leider ist es ziemlich schwierig umzusetzen, weil wir zu wenig Schiedsrichter hier im Kreis haben.

Schiedsrichter werden ist keine leichte Ausbildung.

Also gibt es bei den Schiedsrichtern ein kleines Nachwuchsproblem? Woran liegt das?

Simon Bäcker: Auf jeden Fall. Für einen normalen Schiedsrichter Lehrgang muss man mindestens zehn Leute sein, wir haben beim letzten gerade mal sieben Leute stellen können. Woran das liegt verstehe ich nicht. Ich finde schon, dass es ein attraktives Hobby ist, es wird ja auch ein bisschen entlohnt.

Günter Konle: Ich sehe das ähnlich: Es macht sehr viel Spaß. Aber ich denke, dass es ein Problem von fehlendem Engagement ist. Viele junge Leute engagieren sich nicht mehr so für einen Verein und es ist ja so, dass das auch vom Verein her geregelt oder organisiert wird. Ein Verein sollte pro Mannschaft einen Schiedsrichter stellen und möglicherweise ist es so, dass diese Schiedsrichter zu wenig in den jeweiligen Verein integriert werden. Meine persönliche Erfahrung ist aber auch, dass die jungen Leute heute Schwierigkeiten damit haben, sich regelmäßig und über einen längeren Zeitraum für irgendetwas zu engagieren.

17 Regeln und jede Menge Auslegungsarbeit

Wie schwer ist es wirklich Schiedsrichter zu werden?

Simon Bäcker: Erst einmal besucht man einen Lehrgang, das sind vier Präsenztermine zu je fünf Stunden und dann muss man natürlich die Prüfungen ablegen.

Dominik Simon: Eigentlich sind es sogar ‚nur’ 17 Regeln, aber für jede Regel gibt es viele verschiedene Auslegungen. Ich glaube, dass ist auch wichtig für diejenigen, die immer denken wir würden unsere Aufgabe auf dem Platz nicht richtig erfüllen. Jeder Fall ist unterschiedlich und für jeden gibt es unterschiedliche Auslegungen.

Simon Bäcker: Im Spiel muss man dann just in dem Moment wissen, was es für eine Regel ist, muss sie abrufen, auslegen und dann anwenden. Da kann es schon mal vorkommen, dass es sich etwas verzögert bis man reagiert. Man muss ja zwischen allem unterscheiden: aktiv oder passiv, strafbar oder nicht strafbar und so weiter. Für diese 17 Regeln gibt es dann ein Regelheft und das hat 120 Seiten – natürlich mit vielen Beispielen. Aber es ist schon ein bisschen komplizierter als man denkt und eine komplexe Ausbildung. Anfangs ist es zähes Theoriewissen, das man abrufen muss. Aber sobald man das drauf hat macht es sehr viel Spaß.

Dominik Simon: Außerdem haben wir pro Jahr noch mindestens neun Sitzungen in denen wir einzelne Regeln auffrischen und wiederholen. Das hilft schon ganz gut.

Mittendrin und doch ein Einzelkämpfer auf dem Platz.

Drei Meinungen und eine Parallele: Der Spaß

Das klingt wirklich kompliziert. Neben all diesen Sachen: Was würdet ihr jemanden sagen, der sich überlegt, vielleicht Schiedsrichter werden zu wollen, sich allerdings noch unsicher ist?

Günter Konle: Wenn man schon einmal ein Spiel gepfiffen hat, in dem es um den Aufstieg oder den Abstieg geht, dann will man eigentlich nie wieder was anderes machen. Es ist, so zumindest empfinde ich das, ein tolles Gefühl: Die Emotionen von rund 200 Zuschauern und die der Spieler – das macht sehr viel Spaß.

Simon Bäcker: Ich finde vor allem das wachsende Selbstbewusstsein sehr wichtig. Die Persönlichkeit entwickelt sich dadurch einfach weiter und man wächst an seinen Aufgaben.

Domnik Simon: Für mich steht die Gemeinschaft im Vordergrund. Man mag zwar denken, dass man alleine auf dem Platz steht, aber im Endeffekt kennt man mit der Zeit die Spieler und Trainer. Trotz, dass wir in den unteren Spielklassen alleine sind, stellen wir doch eine Gemeinschaft dar, die ab der Gruppenliga im Gespann zusammen unterwegs ist. Aber auch außerhalb des Fußballs unternimmt man viel zusammen. So macht es immer Spaß – und das ist, worauf es ankommt.

Drei Schiedsrichter im unterschiedlichen Alter, drei Meinungen aber eine Parallele: Der Spaß an ihrem Hobby. Vielen Dank für Ihre Zeit.

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