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Rund 150 Menschen protestierten vor Alsfelder FeuerwacheIndustriegebiet: Gegner fordern Bürgerentscheid

ALSFELD (akr). Wenn aus dem geplanten Bürgerdialog in der Alsfelder Feuerwache ein Protest vor dem städtischen Gebäude wird: Rund 150 Menschen bekundeten am Donnerstagabend ihre Gedanken, Wünsche, Alternativen und Forderungen zum geplanten Industriegebiet „Am weißen Weg“ – hierbei war auch ein Bürgerentscheid Thema. Dem Bürgermeister zufolge ist es dafür zu spät.

Der Ortsbeirat Eifa hatte für Donnerstagabend zu einem Bürgerdialog für die Eifaer in die Alsfelder Feuerwache eingeladen und bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass die Teilnehmeranzahl aufgrund der Corona-Pandemie auf 80 begrenzt ist. Diese 80 vorgesehen Plätze reichten aber bei Weitem nicht aus, denn es waren rund 150 Menschen, die ihren Weg zur Feuerwache fanden – und dabei handelte es sich nicht nur um Bürger aus Eifa, sondern auch um Menschen aus der Kernstadt und den umliegenden Dörfern, denn „es betrifft ganz Alsfeld“, betonte ein Mann.

Schon vor dem eigentlich Beginn um 19 Uhr waren alle Plätze besetzt. Bei den übrigen Menschen, die nicht mehr reingelassen wurden, machte sich Ärger und Unmut breit, es spielten sich tumultartige Szenen ab. Doch lange bliebt der Sitzungsaal nicht voll besetzt, denn kurzerhand entschieden sich rund 50 der 80 Menschen, die Veranstaltung noch vor dem Start zu verlassen – aus Solidarität mit denen, den kein Einlass gewährt wurde.

Bürgerdialog zum Industriegebiet mündet in Chaos und Protest

Während im Sitzungssaal der Feuerwache der geplante Bürgerdialog lief, bekundeten draußen die Gewerbegebiet-Kritiker ihre Gedanken, äußerten Wünsche und stellten Forderungen. Die Moderation des Protestes übernahmen die Schwestern Sina und Nicole Dörr, die auch Mitinitiatorinnen der Bewegung „Alsfeld – Region mit Zukunft“ sind.

Logistik ohne Ackerland zu opfern

Den Anfang machte Rudolf Küster aus Eifa. Er sprach stellvertretend für Horst Hofmann aus Kirtorf, der die viele Ideen gesammelt und zusammengetragen hat, wie Logistik fast ganz ohne Flächenversiegelung, also ohne Ackerland zu opfern, aussehen könnte. Ermöglicht werden könnte das, indem die bestehende Autobahn der Länge nach überbaut werde, sich das Logistikzentrum im 1. Stock befinde und auf den Dachflächen große Photovoltaikanlagen installiert würden.

Hier zählte Küster schließlich die verschiedenen Vorteile für DHL und andere Logistikfirmen, für Anwohner, den BUND, den Bauernverband und die Stadt auf. Beispielsweise weniger Belastung der Anwohner durch Lkw, Lärm- und Schallschutz, erhaltene Ackerflächen oder aber, dass Alsfeld zur Modell-Kommune und Vorreiter für zukünftige Entwicklungen werde.

Rudolf Küster aus Eifa stellte vor, wie eine alternative Lösung aussehen könnte.

Wenn man anfange, außerhalb der eingefahrenen Strukturen zu denken, dann seien neue Ideen und Lösungen möglich, „für die Zukunft“, erklärte Sina Dörr. 64 Fußballfelder Ackerland zu vernichten sei nicht alternativlos und dürfe es auch nicht sein – nicht, wenn die Klimakatastrophe vor der Tür stehe. Dafür müssten die Menschen ihre Stimme erheben.

Ein Teilnehmer machte nochmal auf die Hochwasserkatastrophen, unter anderem im Ahrtal, aufmerksam. Nach seinen Erkenntnissen würde es nicht einmal ein Hochwasserkataster für Alsfeld geben, auch in Eifa habe es schon Überschwemmungen gegeben. „Diese Katastrophen nehmen zu“, betonte er. Seiner Meinung nach müsse ein Hochwasserkataster gemacht werden, und zwar unter der Berücksichtigung der Versiegelung von 44 Hektar für das Industriegebiet.

„Wir brauchen dieses Zentrum einfach nicht“, betonte ein anderer Mann – und erntete dafür viel Applaus. Es gebe keinen vernünftigen Grund, der wenn man ihn prüft und sich die wissenschaftlichen Fakten anschaue, für dieses Industriegebiet spreche, erklärte Sina Dörr.

„Lasst und Gemüse und Obst darauf anbauen“

Eine solche wichtige Entscheidung dürfe nicht alleine getroffen werden, nicht ohne alle anderen zu Fragen – dazu würden auch die Jüngeren zählen, wie eine Frau betonte. Denn das sei schließlich ihre Zukunft.

Philipp Balles vom BUND stimmte dem zu. Er habe zwei Kinder und würde eben auch für deren Zukunft heute hier stehen. Er selbst wünsche sich nicht nur eine gewisse Ehrlichkeit und Offenheit, sondern machte auch einen konkreten Vorschlag, was mit den 44 Hektar Ackerland gemacht werden könnte: „Lasst und Gemüse und Obst darauf anbauen“, sprach er sich für eine „solidarische Landwirtschaft mit schlauen Konzepten und kurzen Lieferketten“ aus.

Ihre Wünsche, Forderungen, Ängste, Bedenken und alternativen Vorschläge wollten die Teilnehmer auch Bürgermeister Stephan Paule präsentieren, mit ihm ins Gespräch kommen – das sei er nicht nur den Bürgern aus Eifa, sondern auch aus der Kernstadt und den anderen Ortsteilen schuldig. „Paule raus“, riefen sie laut, aber er kam nicht. Er nahm an dem Bürgerdialog in der Feuerwache teil.

Das hielt die Menschen aber nicht davon ab, gemeinsam weitere Wünsche zu formulieren. So wünschten sie sich beispielsweise, dass sie als Bürger ernst genommen und früher beteiligt werden. Konkret forderten sie einen Bürgerentscheid – für diesen Wunsch gab es wieder viel Applaus. Ein Bürgerentscheid sei eine ganz normale demokratische Vorgehensweise, die aber manchen Leuten befremdlich erscheine, wie eine Teilnehmerin betonte. Solange müssten die Planungen gestoppt und neu geprüft werden, ob man das noch machen könnte, ergänzte Sina Dörr. Die Planungen jetzt zu stoppen, bevor angefangen wird zu baggern, das sei ihre Forderung.

Dem Bürgermeister zufolge ist es für einen Bürgerentscheid zu spät. „Bei Bauleitplanungen sind Bürgerentscheide nach der HGO nur in Bezug auf den Aufstellungsbeschluss zulässig. Dieser ist schon 2018 erfolgt“, teilt Bürgermeister Stephan Paule auf Nachfrage von OL mit.

Eine andere Frau wünschte sich Transparenz, wiederum eine andere betonte, dass doch die Innenstadt belebt werden solle, anstatt den Menschen die Grundlage zu entziehen. Kleine, regionale Unternehmen sollten ihrer Meinung nach gefördert werden. „Das Welle-Gelände aktivieren und den Bahnanschluss nutzen“, rief eine andere Frau aus der Menge. „Ich will auch das Alsfeld seinen Beitrag zum 1,5 Grad Klimaziel leistet“, ergänzte ein Herr.

„Jetzt auf die Barrikaden gehen“

Eine Frau wollte wissen, wie weit die Planungen sind und was man noch konkret machen könnte. Sina Dörr sagte daraufhin, dass der Bebauungsplan noch nicht final verabschiedet sei, dieser nochmal beschlossen werden müsste. Man könne aber schon relativ zeitnah anfangen zu bauen, das habe ihr ein Anwalt gesagt. Es würde noch eine Baugenehmigung gebraucht werden, aber auch das sei alles kein Problem. „Wir müssen schon jetzt auf die Barrikaden gehen“, betonte Dörr. Was aber auch sicher sei, dass völlig unabhängig davon, ob Verträge gemacht oder Sachen im Grundbuch eingetragen worden oder nicht – man könne alles rückgängig machen, solange man diese 64 Fußballfelder Ackerland nicht zubetoniert habe.

Ein Mann fragte, ob es nicht vielleicht an der Zeit wäre, sich Gedanken zu machen, das zu besetzen, wenn man sich schon Gedanken darüber mache, die Fläche zu bebauen. Darauf antwortete Nicole Dörr, dass das noch lange nicht entschieden sei. Ihr Onkel sei in der CDU sehr aktiv, auch als Stadtverordneter.

Er habe gesagt, dass es auch in der CDU – die in Alsfeld würde aber weiterhin an dem Vorschlag festhalten – Uneinigkeiten gebe, ob das überhaupt Sinn mache. Der Grund sei unter anderem, dass DHL keine Arbeitsplätze schaffen würde, sondern hauptsächlich mit Robotik arbeite. Es werde immer noch diskutiert, so Dörr, aber letztendlich liege die Entscheidung bei Bürgermeister Paule und seinem „ganz nahen Umfeld“ – und das sei wie er immer noch dafür.

Die Teilnehmer fragten sich auch, was mit den ganzen schriftlichen Einwänden passiert sei, die sie bei der Stadt eingereicht hätten. Nicole Dörr erklärte, dass es nur eine kurze Meldung des Bürgermeisters gegeben habe, das es sich bei allen Einwänden um die gleichen gehandelt hätte, sie keinen Sinn machen würden und deshalb gebaut werden würde. Einer der Teilnehmer betonte, dass es sich nicht um gleiche Einwände gehandelt hätte und er Paule an dieser Stelle eine „glatte Lüge“ unterstellen würde.

Sina Dörr betonte zum Abschluss, dass man an diesem Abend ein starkes Signal gesetzt habe, dafür, dass man offene und transparente Diskussionen haben möchte, dass man den Raum verlasse, wenn nicht alle angehört werden können. Das sei aber nicht das Ende, sondern erst Teil eines Weges, der vielleicht noch ein bisschen länger sei.

10 Gedanken zu “Industriegebiet: Gegner fordern Bürgerentscheid

  1. Und die SPD hängt sich an die CDU und UWA wenn soll man da noch seine Stimme geben bei der nächsten Wahl?.

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  2. … hätte ich auch , wenn ich zwischen Berlin und Köln pendeln würde und einen gut bezahlten Job als Richterin ausüben würde. Aber das erklärt vielleicht auch die „heroischen Ziele“ Alsfeld und Eifa schön beschaulich im „Dorfmodus“ zu halten, kann man später schön in Ruhe die Pension genießen. Warum Eifa hier ein Sonderfall ist und eine eigene Veranstaltung bekommt müsste mir mal jemand erklären. Aber das hättest ist ja wohl der Vorschlag die Autobahn zu überbauen 🤣🤣🤣🤣🤣🤣 einfach nur genial 🤡. Bleibt Gesund 😷

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    1. @ Leicht reden ….
      Eine akademische Ausbildung vollendet zu haben und dann auch noch in diesem Bereich tätig zu sein, zu arbeiten, scheint Ihnen als solches ja anscheinend, schon mal obskur/ fragwürdig.
      Was den von Ihnen benannten
      “ Dorf – Modus “
      betrifft :
      Das Gegenteil ist der Fall.
      Eigentlich müsste es jedem Menschen klar sein das wir hier oder sonst wo auf der Erde in keiner “ Blase “ mehr leben.
      Das altbackene ihres Denken’s : „Nach uns die Sintflut“ aber jetzt erstmal, vermeintlicher,
      “ wirtschaftlicher Progress “ !

      Das ist wahrlich out of Time !

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    2. Im diffamieren anderer Menschen bist du ja echt Weltklasse.
      Das Verkehrslärm ein Riesen Problem für die Menschen in Eifa ist, ist dir einfach egal.
      Danke, danke für NIX

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      1. Wohnst du jetzt in Eifa, Klaus Meier? Falls nicht, wie oft hast du schon hier übernachtet?

        Ich mag den Ort und ein wenig Leben in der Bude schadet auch nicht. Vielleicht macht ja irgendwer eine Würstchenbude an der Bundesstraße auf. Dann lade ich Sie auch mal ein.

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      2. Maria,
        das ist extrem zynisch, aber das dich die Probleme in Eifa nicht im Geringsten interessieren, ist wohl kein Zufall

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      3. Klaus Meier, wie schon gesagt: Ich mag Eifa sehr.

        Warum sollten mir Probleme von Eifa also egal sein?

        Es ist aber ein Problem, dass du Eifa überhaupt nicht kennst und hier bei jeglichen Themen wo es um die Abwägung von Wirtschaft und Umwelt die gleiche langweilige Leier abziehst 🥱🥱🥱

        Darf ich dich auf ein Würstchen einladen, wenn du Bude dann mal an der B62 eröffnet ist? Darauf hast du mir nicht geantwortet 😢

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      4. Klaus Meier, bitte noch klären ob meine Freundin María dich nun auf ein Bratwürstchen an der B62 einladen kann?

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  3. Danke OL, so kann Journalismus eben auch gehen. Ich finde es super, dass ihr die Ideen und Anregungen der Bürger in Gänze darstellt. Schade ist auch hier wieder die Reaktion der Verantwortlichen. Warum ist es zu spät für einen Bürgerentscheid? Ich lege allen Interessierten nahe, sich mal anzuschauen, wie das Rewe-Zentrallager in Wölfersheim wahrscheinlich verhindert wurde…
    Rewe überlegt momentan wohl sehr verzweifelt, wo alternativ ein Zentrallager entstehen könnte?

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    1. Hallo REWE,
      in Alsfeld in der Mitte Deutschlands gibt es eine Fläche, die für ein Zentrallager geeignet wäre. Aber ich weiß nicht, ob euch 44 hektarlein dafür reichen.
      Ruft mal im Rathaus an.

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