Gesellschaft0

Stille Nacht, geschäftige Nacht - Kurzporträts zu den FeiertagenWenn Weihnachten weiterarbeiten bedeutet

REGION. Es gibt Leute, für die ist die stille Nacht alles andere als das. An Heiligabend fahren sie Streife, löschen Brände oder stehen im Kuhstall. Sieben Kurzporträts über Menschen, die unser Land auf ihre persönliche Weise weiter am Laufen halten, wenn der Rest der Republik die Feiertage und die schönste Zeit des Jahres genießt. 

Brenda und Stefan Weiß, Bio-Landwirte

Auf den ersten Blick sitzen Brenda und Stefan Weiß in einer normalen, schnuckeligen Ein-Zimmer-Wohnung. Um den Kieferntisch herum stehen buntgemischte Stühle mit Ikea-Sitzkissen, eine verschachtelte Kochnische und offenliegende Holzbalken sorgen für Behaglichkeit. Auf den zweiten Blick fällt allerdings auf, dass dieser Raum doch etwas besonders ist. Denn wer aus den Fenstern blickt, der sieht: Kühe. Sehr viele Kühe. Daher kommt also das Muhen.

Die kleine Wohnung schwebt direkt im Kuhstall des jungen Ehepaares oberhalb von Wallersdorf im Gründchen. Brenda (28) und Stefan (31) sind Bio-Landwirte von Beruf. 125 Milchkühe haben sie, plus die Kälbchen, die jetzt nachgekommen sind. Das Zimmerchen ist nicht ihre echte Wohnung, aber weil sie soviel Zeit mit ihren Tieren verbringen, wollten sie es sich an ihrem Arbeitsplatz etwas gemütlich machen, als sie 2013 den neuen Stall bauten und auf Bio umstellten. „Ich würde hier oben sogar Weihnachten feiern“, sagt Brenda und lächelt. Ihr Mann ist da etwas anderer Meinung. Stefan hat seine Kühe auch gern – doch wenn Feierabend ist, genießt er es, auch mal wo anders zu sein.

Stefan und Brenda Weiß in ihrem Kuhstall.

Stefan und Brenda Weiß in ihrem Kuhstall.

Kühe kennen keine Feiertage. Sie wollen fressen und gemolken werden. Egal, was der Kalender sagt. Dass sie nahezu jeden Tag, auch Weihnachten, im Stall verbringt, betrachtet Brenda nicht wirklich als Entbehrung. „Das gehört einfach dazu“, sagt sie. Die Möglichkeit, während der Arbeit so viel Zeit mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter Lorena zu verbringen, tröstet über so manches hinweg. „An Heiligabend packen meist meine Eltern mit an, damit wir schneller fertig werden. An den beiden Feiertagen danach wechseln wir uns ab“, sagt Stefan. Seine Frau ergänzt: „Landwirtschaft ist nicht nur ein Beruf, es ist ein Hobby. Das muss man leben.“

Mario Tometzki, Polizist

Weniger ländlich als auf dem Bauernhof, aber dafür sehr ruhig und still geht es in der Polizeistation in Alsfeld zu. Es sind wenige Tage vor Weihnachten. Gerade war Schichtwechsel. Mario Tometzki (38), der Polizeioberkommissar und stellvertretende Dienstgruppenleiter, öffnet die Tür des sterilen, leeren Warteraums. Er lächelt. Seine Schicht hat er vor einer halben Stunde begonnen. An Weihnachten erinnert wenig – einzig ein selbstgemalter, kleiner Weihnachtsbaum mit den Grüßen „Schöne Adventszeit“ bringt vorweihnachtliche Stimmung in den großen Besprechungsraum der Station. Man versuche es sich ein bisschen weihnachtlich zu machen, so weit das eben geht, erklärt der Familienvater. An den Feiertagen wird zum Beispiel gemeinsam gegessen.

Denn auch die Polizei ist an Heiligabend dienstbereit. „Es kann immer etwas passieren. Ob Unfälle, Familienstreitigkeiten, Brände oder sonstiges. Das macht auch vor Heiligabend nicht Halt und dann muss unsere Hilfe natürlich auch gewährleistet sein“, sagt der Polizist. Ein komisches Gefühl sei es für ihn nicht, an Heiligabend arbeiten zu müssen. Das gehöre dazu und das wisse man auch, wenn man sich für den Beruf entscheide. „Man hat sich daran gewöhnt“, erklärt er sachlich und mit einem Lächeln. Tometzki hat drei Kinder, mit denen er Heiligabend nicht verbringen wird. Von 19 Uhr abends bis 7 Uhr morgens geht seine Schicht. Erst danach kann er zu seiner Familie unter den Weihnachtsbaum.

Mario Tometzki im Besprechungsraum der Polizeistation Alsfeld.

Sarah Kiefer, Pfarrerin

Zugegeben, bei dieser Berufsgruppe liegt es nun wirklich in der Natur der Sache, dass sie an Weihnachten arbeiten muss. Dennoch: Pfarrerin Sarah Kiefer (32) steht am Anfang ihres Arbeitslebens, dieses Jahr wird sie zum ersten Mal an Heiligabend auf der Kanzel stehen. Erst im Juli diesen Jahres nahm sie die Stelle als Pfarrerin für Eifa und Altenburg an. Es ist ihre erste.

„Es ist schon anders als die Jahre zuvor, weil man nicht mehr mit der Familie zusammen feiert, aber gleichzeitig ist es eine sehr schöne Erfahrung und ein wichtiger Teil meiner Arbeit, am Heilabend in der Kirche zu sein“, sagt die junge Pfarrerin. Auch für die Menschen sei der Besuch in der Kirche ein wichtiger Bestandteil von Heiligabend. Dass sie ein Teil davon sei, bereite ihr besondere Freude.

Pfarrerin Sarah Kiefer wird ihren Heiligabend in diesem Jahr zum ersten Mal als Pfarrerin arbeiten. Ein paar vorweihnachtliche Erfahrung konnte sie aber schon sammeln, wie hier bei der Stillen Andacht in der Altenburger Grillhütte zum Weihnachtsmarkt auf dem Schlossberg.

Dabei werde sie von vielen ehrenamtlichen Helfern unterstützt, die einen großen Anteil an dem Gottesdienst übernehmen würden. „Das Schönste ist wirklich: Ich habe meinen festen Platz in der Kirche, den nimmt mir keiner“, witzelt die junge Frau vorfreudig.  So manches kuriose Ereignis habe sich zur Weihnachtszeit in ihrer neuen Gemeinde schon ereignet – jedenfalls habe ihr die Küsterin davon erzählt. Damals sei zum Beispiel unter Pfarrer Huthmann in Eifa der durch die Außentemperaturen tiefgefrorene Weihnachtsbaum in die Kirche gebracht worden. Als er beim Aufrichten gegen den massiven Kerzenleuchter stieß, brach ein großes Stück der Spitze ab – der Baum hätte nicht mehr gerettet werden können.

In aller Eile wurde ein neuer Baum im Wald geschlagen und aufgestellt. In der Zwischenzeit war der gefrorene Baum aufgetaut und hatte so die Kirche geflutet, wodurch dutzende Helfer putzen mussten. Von alledem hatten die Kirchgänger durch die gute und rasche Arbeit jedoch nichts mitbekommen und konnten so in ihrer trockenen Kirche besinnliche Weihnachten mit einem unbeschadeten Baum feiern.

Michael Schön, Kneipenbesitzer

Ob Michael Schön an Weihnachten arbeitet oder nicht, kann er sich selbst aussuchen. Er will. Ihm gehört das Laternchen in der Alsfelder Untergasse. Einen Weihnachtsbaum gibt es in dem Lokal nicht, dafür stehen aber Kerzen auf den Tischen und kleine weihnachtliche Tischgestecke . Schön steht hinter dem Tresen und zapft Bier. Es ist viel los – kleine Gruppen feiern noch kurz vor Heiligabend in gemütlicher Runde ihre Weihnachtsfeiern. Kein Sitzplatz ist mehr frei, selbst in den Gängen stehen die Leute. Es wird gelacht und rockige Weihnachtsmusik läuft leise im Hintergrund. Schön ist gerne in seinem Lokal – auch an Heiligabend.

Michael Schön an seinem Lieblingsplatz: Hinter dem Tresen im Alsfelder Laternchen.

„Ich mache ab 22 Uhr mein Laternchen auf. Bis dahin ist bei uns Zuhause Heiligabend vorbei und ich konnte auch die Zeit mit meiner Familie verbringen. Heiligabend ist bei mir eine Mischung aus Arbeit und Familie“, sagt er. Den 24. lasse er dann zusammen mit den Gästen seiner Kneipe ausklingen. Schon im letzten Jahr hatte der Lokalbesitzer ab 22 Uhr geöffnet und auch in diesem Jahr wurde er gefragt, ob das Laternchen wieder auf habe. Die Nachfrage sei also da. „Es gibt natürlich auch Menschen, die vielleicht Zuhause alleine Heiligabend verbringen und nach ein bisschen Geselligkeit suchen. Denen möchte ich einen Platz bieten, Weihnachten zu feiern“, sagt er.

Dazu will er sein Lokal weihnachtlich gestalten, weihnachtliche Musik auflegen und den Menschen einen schönen, geselligen Ausklang des Tages bieten. So, wie er es sich selbst für Weihnachten wünschen würde.

Daniel Schäfer, Feuerwehrmann

Auch die Feuerwehr kennt an Heiligabend keine Pause – „Hilfe kann immer benötigt werden“, sagt der Alsfelder Stadtbrandinspektor Daniel Schäfer. Neben der ehrenamtlichen Arbeit in Alsfeld ist Schäfer hauptberuflich für die Berufsfeuerwehr in Frankfurt tätig – auch an Heiligabend. „So ist das in dem Beruf, damit habe ich mich schon arrangiert“, sagt er. Natürlich sei es schön an solchen Tagen frei zu haben, aber ein Brand oder ein Unfall kann eben auch an Weihnachten passieren.

Alsfelds Stadtbrandinspektor Daniel Schäfer ist auch bei der Berufsfeuerwehr in Frankfurt und wird da Heiligabend verbringen – auf der Wache.

Eigentlich sei Heiligabend bei ihm ein Arbeitstag wie jeder andere auch. Eigentlich, denn zwischen Feuerwehrautos, Atemschutzgeräten und Löschschläuchen wird es auf der Feuerwache weihnachtlich. „Wir stellen einen kleinen Weihnachtsbaum auf, besorgen Plätzen und essen gemeinsam. Wir feiern Heiligabend unter Kollegen – in einem kleinen Rahmen“, sagt Schäfer. Erfahrungsgemäß gehe es auf der Leitstelle ruhiger zu. Entspannter. Aber es komme schon vor, dass der Melder gehe – und dann muss es schnell gehen. Schnell, wie bei der Feuerwehr üblich.

Andrea Stock, Altenpflegerin

„Es ist schön an Heiligabend zu arbeiten. Da liegt eine besondere Stimmung in der Luft – die Leute sind entspannt und freuen sich“, sagt Andrea Stock (51). Als gelernte Altenpflegerin arbeitet sie im Ambulanten Dienst und pflegt hilfsbedürftige Menschen in ihrem eigenen Häusern und Wohnungen. Wie auch an anderen Arbeitstagen steigt sie früh morgens in ihr Auto und fährt von Haus zu Haus zu ihren Patienten. Nicht im Team, sondern allein. Ihre Aufgaben unterscheiden sich nicht, trotzdem ist an Heiligabend doch alles etwas anders: Ruhig, entspannt und voller weihnachtlicher Vorfreude.

Andrea Stock arbeitet in der mobilen Pflege. An Heiligabend besucht sie die Patienten zu Hause.

Überwiegend pflegt und hilft sie älteren Menschen, die oft alleine sind. „Es gibt einige Leute, die an Heiligabend Besuch von ihren Kindern oder Enkeln haben oder Kinder und Enkel besuchen. Die brauchen wir dann nicht anfahren. Aber es gibt auch Leute, die an Weihnachten alleine sind und die Leute brauchen natürlich unsere Hilfe“, erklärt sie. Also fährt sie los. Meist betritt sie an Heiligabend Wohnungen oder Häuser, in denen bereits weihnachtliche Stimmung herrscht.

Es ist etwas besonderes zu essen vorbereitet, Weihnachtsmusik liegt in der Luft oder der Fernseher läuft und zeigt Weihnachtsfilme oder Gottesdienste – besonders bei Leuten, die nicht mehr allein in die Kirche gehen können. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn man merkt, dass sie sich freuen, wenn wir sie besuchen – wenn auch nur für eine kurze Zeit“, sagt Stock über ihre Patienten, für die sie leider auch an Weihnachten selten wo viel Zeit hat, wie sie eigentlich gerne hätte. Dafür gibt es für die älteren Damen und kleine Geschenke von ihr.

In diesem Jahr hat Stock Früh- und Mittagsdienst, da merke man von Weihnachten nicht viel. Anders sei das im Spätdienst: Draußen werde es dunkel, man sehe durch die Fenster der Stadt leuchtende Weihnachtsbäume oder beobachte die Menschen auf dem Weg zur Kirche. „Das ist dann schon ein komisches Gefühl, aber die Leute brauchen trotzdem unsere Unterstützung. Sie sind entspannt und ihre vorweihnachtliche Freude an Heiligabend steckt an“, sagt die 51-Jährige.

Luisa Stock und Juri Auel, Journalisten

Journalisten schreiben nicht gern über sich selbst. Das ist auf der einen Seite gut so, weil zu viel mediale Nabelschau dem Leser nichts bringt, auf der anderen Seite ist es schade, weil so vielen Leuten wenig darüber bekannt ist, wie unserer Beruf eigentlich funktioniert. Bitte verzeihen sie uns daher, liebe Leserinnen und Leser, wenn wir, das Team von Oberhessen-Live, uns die kleine Freiheit herausnehmen, in diesem Artikel darauf hinzuweisen, dass auch wir für Sie an Weihnachten im Einsatz sind.

Weil wie oben geschildert sich die Welt für Polizei und Feuerwehr auch an Weihnachten weiterdreht, tut sie es auch für uns Journalisten. Die Redaktion von OL ist an Heiligabend und den Feiertagen zwar nicht wie die von der Tagesschau oder denen großer Zeitungen rund um die Uhr besetzt, dennoch befinden sich unsere Reporter in Rufbereitschaft. Wann immer etwas wirklich wichtiges in Alsfeld und Umgebung passiert, werden Sie es also auch heute, an Heiligabend, hier auf Oberhessen-live erfahren. Bis dahin wünschen wir, OL-Volontärin Luisa Stock (26) und OL-Chefredakteur Juri Auel (26), stellvertretend für unser ganzes Team, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein ruhiges, gesegnetes Weihnachtsfest.

OL-Volontärin Luisa Stock und OL-Chefredakteur Juri Auel

OL-Volontärin Luisa Stock und OL-Chefredakteur Juri Auel

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren