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Gerd Ludwig und Frank Mehring haben ein Buch über Joseph Beuys herausgegebenMit der Kamera im Kosmos des berühmten Künstlers

ALSFELD/KLEVE – Joseph Beuys war ein so brillanter wie auch umstrittener Aktionskünstler der Moderne. Dass ihn seine Heimat Kleve in jüngerer Zeit mit zwei Ausstellungen geehrt hat, verdankt der Weltstar unter den deutschen Künstlern auch  zwei gebürtigen Alsfeldern: dem Fotografen Gerd Ludwig und Frank Mehring. Jetzt haben die beiden noch ein Fotobuch herausgebracht, dass Joseph Beuys in seiner Heimat zeigt. Für Gerd Ludwig bedeutete das Werk eine Zeitreise: zurück in die Siebziger. Eine anstrengende und wundersame Reise, erzählt er.

1978 fuhr Ludwig zusammen mit dem Zeit-Journalisten Peter Sager und Joseph Beuys in einem Citroen für eine Fotoserie des Zeit-Magazins durch die Landschaft, in der der weltberühmte Künstler aufgewachsen ist: das platte Land zwischen Rindern und Kleve. Im Laufe mehrerer Tage entstanden zahlreiche Portraitbilder von Beuys im typischen Look mit Hut, Trench und Weste vor Wiesen, Alleen, Seen und Feldwegen – auch das berühmte mit dem Hasen am ausgestreckten Arm. Es war Januar, und der Künstler war skeptisch, erinnert sich der Fotograf. Das Hasenfoto dauerte ihn schon zu lange. Es gab den Zeit-Artikel, und manches Foto ließ sich noch verkaufen, und das war’s erst mal.

Im Kurhaus in Kleve wurde das Buch freilich vorgestellt. Bild: privat

Auftakt: eine Ausstellung im Jahr 2011

Bis 2011 der damalige Direktor des Museums Kurhaus in Kleve, Guido de Werd, einen alten Lagerraum, der einmal ein Atelier des Künstlers war, in einen neuen Ausstellungstrakt für den großen Sohn der Stadt umwandeln wollte – und zur Eröffnung eine Ausstellung mit den berühmten Fotos von Gerd Ludwig organisieren wollte. Er kontaktierte den Fotografen und bat um Fotos.

Monatelange Recherche nach Fotos

„Das war nicht so einfach“, erinnert sich Gerd Ludwig. Damals wurde noch ausschließlich analog fotografiert, waren die Bilder nicht so beliebig zu vervielfältigen wie heute. Die von ihm mitbegründete Fotoagentur Visum kopierte einige der Originaldias, um sie weiterverkaufen zu können, auch manche zweitrangige Originale wurden weitergegeben, aber zur Verfügung hatte er von der Beuys-Geschichte nur noch ein gutes Dutzend, erzählt Gerd Ludwig.

Er machte sich auf die Suche, schrieb Verlage und Agenturen in ganz Europa an, ließ sich von Tipp zu Tipp reichen, mit zunächst mäßigem Erfolg. „Ich habe monatelang recherchiert“, erzählt der heute in Los Angeles lebende Dokumentar-Fotograf. Fündig wurde er schließlich in New York in einer Garage, wo der Nachlass einer längst nicht mehr existenten Fotoagentur lagerte. „Ich war sehr erstaunt!“ Damit konnte er sein Angebot von einem Dutzend auf immerhin 80 Bilder ausweiten.

Auch der Bezug zu der Ausstellung in der Landschaft um Kleve war ein Thema. Foto: privat

2021: ein Anruf von Frank Mehring

15 der Bilder wurden ausgestellt, mit allen Fotos war auch noch ein Buch geplant. Aber die Idee wurde vergessen. Bis ihn 2021 ein Anruf von Frank Mehring erreichte, erzählt Gerd Ludwig. Der damals 50-Jährige, der in Alsfeld Ende der 90er Jahre als Musiker (unter anderem „Helter Skelter“) bekannt geworden war, arbeitet als Professor für Amerikanistik im niederländischen Nijmegen und ist ehrenamtlicher Leiter des Museums Forum Arenacvum in Kleve-Rindern. In der Position war er Initiator und Koordinator der außergewöhnlichen Ausstellung, für die unter dem Titel „Zeit im Beuys Land – Kunst & Klimawandel“ neun Ludwig-Fotos von Beuys in die Landschaft bei Kleve gestellt wurden. Oberhessen-live berichtete bereits ausführlich über die Aktion.

Die Ausstellung ermöglichte jetzt das Fotobuch, erzählt Gerd Ludwig. Denn die großformatigen Fotos wurden verkauft, und der Erlös bildete den finanziellen Gruundstock für das Werk. „An Fotobüchern kann man nichts mehr verdienen“, erklärt „Ludde“ den Hintergrund. Dabei hat Frank Mehring wieder mit dem Fotografen zusammengearbeitet, indem er die Texte zu dem etwas mehr als 100-seitigen Buch „Beuys Land“ beisteuerte.

Besuch an Orten von Beuys‘ Jugend

Es zeigt natürlich die bekannt geworden Bilder, aber auch viele andere bei der Fahrt durch die Jugendlandschaft des Künstlers. Da lässt sich Beuys ein Margarinewerk vorführen, spricht mit Schülern im Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, das er einst selbst besuchte. Er  gibt dabei Autogramme und signiert ein Schulzeugnis. Mit seinem Jugendfreund Walther Brüx steigt Beuys auf den Hanns Lamers’ Turm im Koekkoek Belvedere, lässt sich in dessen Wohnzimmer bei Kaffee und Zigarette auf dem Sofa ablichten. Eine fotografische Stück Homestory war entstanden. Oder wie Gerd Ludwig sagt: „Das Buch stellt Beuys erstmals in den Kontext seiner Heimat.“

Neun seiner berühmten Bilder von 1978 stellte Gerd Ludwig 2021 zusammen mit Frank Mehring in der Landschaft aus. Foto: Gerd Ludwig

Freigabe durch die Witwe Eva Beuys

Ein Bild erlangte besondere Bedeutung: Joseph Beuys mit seiner Ehefrau Eva. Eva Beuys litt nämlich zeitlebens darunter, an der Seite ihres Ehemanns von der Presse völlig ignoriert zu werde, selbst nach der Hochzeit war nur von seiner Hochzeitsreise die Rede. Entsprechend zurückhaltend war die Witwe mit der Freigabe von Bildern in Medien. Die Macher des Buches hatten Angst, sie könnte die Freigabe einer Reihe Bilder aus dem engeren Umfeld verweigern, was sie auch zunächst tat. Aber die 91-Jährige erinnerte sich an eine gute Begegnung mit dem Fotografen, in der sie sich bedankte, in seiner Geschichte aufgetaucht zu sein. Und auf seine Bitte erteilte Eva Beuys die Freigabe.

Das Happy End: Am 17. April wurde das Buch „Beuys Land“ in Kleve feierlich im Rahmen vorgestellt, und der Alsfelder Fotograf freut sich, dass sein Werk den immer auch etwas sagenumwobenen Künstler auf neue Art darstellt: „Es ist das erste Buch, das den Beuys’schen Kosmos in seiner Heimat Kleve verankert.“

Das Buch: 59 Fotos auf 108 Seiten

Erscheinen ist „Beuys Land“ in der Edition Lammerhuber und hat 108 Seiten mit 59 Fotos. Es ist in Deutsch und Englisch geschrieben. Das Hardcover hat die ISBN-Nummer 978-3-903101-99-9 und kostet im Handel 49,90 Euro.

von Axel Pries

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