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Elisa Kertzscher und Astrid Ruppert im InterviewÜber die Idee ein Erzählfestival zu starten und den Wunsch, Menschen ein Wochenende lang zu begeistern

HOMBERG/OHM (ol). Sie sind die Macherinnen des ersten Erzählfestivals im Homberger Schloss: Die Buchhändlerin Elisa Kertzscher und die Autorin Astrid Ruppert haben sich allerhand vorgenommen: Dreizehn Lesungen, sieben Workshops und ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm finden sich in der umfangreichen Broschüre, die Lust auf Literatur, Begegnung und Kreativität macht. Im folgenden Interview berichten sie, wie die Idee entstand und sich dann ein kleines bisschen verselbständigt hat. Die Fragen stellte Traudi Schlitt.

Die einfachste Frage zuerst: Wie und wann seid ihr auf die Idee eines Erzählfestivals gekommen?

Astrid: Während der Pandemie hatte ich manchmal Klappstuhllesungen mit befreundeten Schriftstellerinnen und Schriftstellern im eigenen Garten veranstaltet und gedacht, das könnte man doch mal in einem etwas größeren Rahmen machen. Am besten über ein ganzes Wochenende! Aber das vielleicht dann doch nicht grade im eigenen Garten. Dann sind die Ideen gesprudelt. Und irgendwie ist aus den zwei bis drei Klappstuhllesungen ein ganzes Festival geworden…

Elisa: Als Astrid mit der Idee auf mich zukam, war ich gleich Feuer und Flamme. Wir haben uns ein paar Mal getroffen und zusammen gesponnen und schnell festgestellt, dass wir ein gutes Team sind, um das zusammen anzugehen.

Wie ist es euch gelungen, so viele Autorinnen und Autoren aus der ganzen Republik gemeinsam für einen Auftritt im Schloss zu begeistern?

Astrid: Wir haben damit angefangen, Menschen aus meinem beruflichen und befreundeten Netzwerk anzusprechen und sind auf viele offene Ohren gestoßen. Viele hatten einfach Lust mitzumachen und haben spontan zugesagt, bevor überhaupt richtig klar war, wie das alles laufen wird. Ohne diese Bereitschaft und diese total unkomplizierten Zusagen unserer Autorinnen und Autoren hätten wir das gar nicht angehen können. Das hat mich ehrlich gesagt auch sehr gerührt.

Und einige von ihnen bleiben ja sogar da und bieten noch Workshops an. Wie kamen denn diese Angebote zustande?

Astrid: Es war uns wichtig, dass das Festival ein sehr gemischtes und unterhaltsames Angebot von Lesungen bietet, dass es aber gleichzeitig auch anregen kann, die eigene Kreativität zu entdecken. Es ist eine Einladung zum Zuhören, aber auch eine Einladung zum Mitmachen und zum Austausch. Gerade dieser Gedanke hat allen Mitwirkenden auch gut gefallen.

Elisa: Und das Schloss lädt ja förmlich dazu ein und bietet so viele Möglichkeiten: wir nutzen wirklich das ganze Gelände. Vom Torhaus bis zur ehemaligen Kapelle. Wo sonst könnte man parallel so viel veranstalten? Zum Glück waren die Schlosspatrioten sofort dabei. Als wir wussten, dass wir das Festival am Schloss veranstalten können, sind allein durch die räumlichen Möglichkeiten noch viele zusätzliche Ideen entstanden. So standen wir plötzlich in dem ehemaligen Gewölbe der alten St. Georgs Kapelle und dachten: Hier kann man sich zurückziehen und schreiben… wenn man eine warme Jacke anhat.

Wann hattet ihr zum ersten Mal das Gefühl, dass das Erzählfestival etwas größer werden könnte, als ihr am Anfang dachtet?

Astrid: Als die To-do-Listen, die wir uns gegenseitig hin und hergeschickt haben, immer länger wurden, und es nicht mehr gereicht hat, einmal pro Woche zu telefonieren…

Elisa: … und als wir gemerkt haben, was alles mit dranhängt und was das alles kostet. Zelte, Veranstaltungstechnik, Werbung, Webseite, Catering. Hunderte von Mails und Notizen. Wir haben uns manchmal gefragt, ob wir eigentlich verrückt sind.

Astrid: Und diese Frage haben wir bejaht! Aber Spaß beiseite, es ist ganz beeindruckend, dass wir zwei das alles irgendwie wuppen und wie gut wir zusammenarbeiten. Das ist Gold wert. Zum Glück verlieren wir immer nur abwechselnd die Nerven, nie gleichzeitig. Es ist also immer eine da, die dann die Ruhe bewahrt.

Die Eintrittspreise zu den Einzelveranstaltungen und auch der Festivalpass sind ja sehr erschwinglich. Wie ist es euch gelungen, die Kosten zu decken?

Elisa: Da wir das alles ehrenamtlich machen, haben wir keine Organisationskosten. Außerdem haben wir großartige Sponsoren und Unterstützer gefunden, die unsere Idee überzeugt hat. Neben der Unterstützung durch kulturelle Förderprogramme konnten wir die Stadt Homberg und die Schlosspatrioten als Mitveranstalter gewinnen. Auch das Entgegenkommen lokaler Betriebe und Vereinigungen war wirklich überwältigend. Jetzt fehlen nur noch Besucher, um die letzten Kostenlücken zu schließen!

Astrid: Was uns immer wichtig war: Es soll kein elitäres Festival sein, es soll vielen möglich sein, auch mehrere Lesungen zu besuchen. Wir bieten Workshops an, für die man woanders schnell ein Vielfaches zahlt, und hoffen, dass das Angebot dadurch attraktiv ist. Wann kann man schon einmal kreative Schreibtipps von einer Bestsellerautorin oder dynamische Vorlesetipps von einer Schauspielerin bekommen? Und wir sind sehr glücklich, dass wir durch die Großzügigkeit unserer Sponsoren, Schülerinnen und Schülern alles zum halben Preis anbieten können.

Hattet ihr gleich das Gefühl, dass die Homberger im Allgemeinen und die Schlosspatrioten im Besonderen euer Anliegen unterstützen?

Astrid und Elisa: Ja!

Ihr beiden kommt ja aus unterschiedlichen Enden der bunten Welt der Literatur. Was bedeuten Bücher für euch?

Astrid: Die Welt! Ich glaube, dass Lesen den Horizont erweitert, uns in ferne Länder reisen lässt, die Empathie schult, dass wir dabei Menschen kennenlernen, denen wir im realen Leben nicht begegnen können: dass wir beim Lesen das Leben üben.

Elisa: Für mich sind Bücher alles. Einfach die Außenwelt ausblenden und komplett in die Geschichte eintauchen. Was gibt es Schöneres?

Ihr habt ein außerordentliches Rahmenprogramm organisiert. Auf was dürfen sich die Besucherinnen und Besucher freuen? Was empfiehlt ihr ganz besonders?

Astrid: Das darf man mich doch nicht fragen! Ich bin in jeden einzelnen Programmpunkt verliebt! Aber wenn ich etwas empfehlen darf, dann dies: dass man sich Zeit nimmt einzutauchen, um ganz verschiedene Stimmen zu hören, sich überraschen zu lassen, am Schloss zu verweilen, sich auszutauschen, dabei auch gut zu essen und zu trinken…

Elisa: Wir möchten alle einladen, einfach vorbeizukommen, Festivalatmosphäre zu schnuppern und sich auch die Angebote nicht entgehen zu lassen, die wir kostenfrei anbieten: Kindern wird im Torhaus quasi nonstop vorgelesen, und am Pavillon vorm Schloss kann man lauschen, was am „Mikrofon für alle“ vorgetragen wird oder selbst etwas vortragen. Das sind Lesungen von lokalen Autoren, von Kurzgeschichten, freien Texten, Gedichten, es wird Talkrunden geben, zum Beispiel von Buchhändlerinnen über ihre Lieblingsbücher, Autorinnen plaudern übers Schreiben, auch eine Buchpremiere wird dabei sein, so viel kann ich schon verraten!

Astrid: Und nicht zu vergessen: ein Dancefloor am Samstagabend nach der letzten Lesung!

Was ist für euch das Anliegen des Festivals? Was sollen die Menschen mitnehmen?

Astrid: Unterhaltung und Freude. Alle sollen in eine unterhaltsame Vielfalt des Erzählens hineinschnuppern können und unterschiedlichsten Stimmen kennenlernen. Vielleicht sogar auch die eigene Stimme…?

Elisa: Wir hoffen, dass wir alle begeistern können und ein Wochenende erleben, an dem alle den stressigen Alltag hinter sich lassen können und voll und ganz in die Welt des Erzählens eintauchen können.

… und was wollt ihr mitnehmen?

Astrid: Ich hoffe, dass das Programm seine Fans findet. Wir haben ja einfach begeistert losgelegt und unglaublich viel Zeit investiert, bestimmt furchtbar viel falsch gemacht, aber hoffentlich auch genug richtig gemacht, so dass die Begeisterung überspringen kann.

Elisa: Ich nehme schon jetzt einiges an Erfahrung durch die Planung des Festivals mit. Ich habe schon viele tolle und hilfsbereite Menschen kennenlernen dürfen. Ich wünsche mir, dass das Erzählfestival ein Erfolg wird und genauso ein Echo bekommt, wie wir es jetzt schon erhalten. Ich möchte das beflügelnde Gefühl mitnehmen, dass ich nach jeder Lesung habe und diese gewonnene Kraft für das nächste Erzählfestival nutzen.

Im Vorwort zum Programm heißt es „… das Schloss wird zum ersten Mal zum Hotspot für Erzählerinnen und Erzähler“. Heißt das, wir dürfen mit dem Beginn einer Reihe rechnen?

Astrid: Das ist die große Hoffnung! Wir sind jedenfalls vorbereitet…

Elisa: Genau!

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