Lifestyle1

OL-KolumneWas sagt Ida … zum Krieg?

REGION. Unsere Kolumnistin Ida Lautenschläger ist Aussiedlerdeutsche. Der Krieg in der Ukraine macht auch sie fassungslos. In ihrer Kolumne, in der es sonst um Sprichwörter geht, erzählt sie, wie sie in dieser Zeit ihre Gedanken ordnet und Menschen in Not Hilfe anbietet.

Viele Kriege entstehen nur deshalb, weil viele Leute nie genug kriegen können.“

Lilli U. Kreßner

Um was geht es eigentlich genau bei dem russisch – ukrainischen Konflikt? Es geht vor allem um Gebietsansprüche, begleitet von wirtschaftlichen Interessen. Die Ukraine, die bis 1991 ein Teil der Sowjetunion war, liegt genau zwischen der EU – Ostgrenze und Russland. In 2013 kam es dann zu den Maidan–Protesten: Die Forderung der Ukrainer war der Anschluss der Ukraine an die EU. Daraufhin griff Russland in 2014 ein und annektierte die Halbinsel Krim. Der Konflikt zwischen Russland und Ukraine kommt seither nicht zu Ruhe.

Seit dem Frühjahr 2021 rüstet Russland an der ukrainischen Grenze auf und fordert, dass kein östlicher Staat der Nato beitreten darf. Die Separatistengebiete Donezk und Luhansk wurden von Russland als unabhängig anerkannt, die Staatlichkeit der Ukraine wurde in Frage gestellt und die EU kündigte massive Sanktionen gegen Russland an. Leider hat sich die Lage so zugespitzt, dass es zum russischen Militäreinsatz gekommen ist.

Und während ich das alles niederschreibe, komme ich immer und immer wieder zum selben Entschluss: Das alles rechtfertigt keinen Krieg!

Was sagt Ida zu … Zuversicht?

Was soll man zu solchen Neuigkeiten wie Krieg sagen, außer dass er verurteilenswürdig ist. Es ist schrecklich und unbegreiflich, wie Krieg in der heutigen Zeit passieren kann. Wenn es wirklich passiert, dann hört es sich so an, als ob es ein zufälliger Vulkanausbruch wäre – ist es aber nicht. Es ist wichtig sich vor Augen zu halten, dass es dafür Verantwortliche gibt, die niederträchtige Motive haben.

In den letzten Jahren habe ich immer klarer wahrgenommen, dass es eine Werteveränderung in unserer Gesellschaft gibt. Der Wunsch nach materiellen Zielen wird immer kleiner, während die Sehnsucht nach ideellen Werten, wie Frieden und Freiheit wächst. Bei der Nachrichtenflut zu den Ereignissen in der Ukraine möchte man am liebsten den Kopf unter eine Decke ziehen, um von alle dem nichts mehr hören zu müssen. Dabei erscheint mir wichtig zu wissen, woher die Informationen kommen. Wissen ist Macht – aber nur, wenn es das richtige und wahre Wissen ist. Die Sprache ist das älteste, einflussreichste und polyfunktionalste Machtinstrument des Menschen. Es kann isolieren oder vereinen, vernichten oder reparieren, deprimieren oder erheitern, verändern oder bestärken – kurz: Sprache kann manipulieren. Also Augen auf bei Informationsquellen, genau genommen dann, wenn die manipulierte Sprache von mächtigen Meinungsmachern durch eine verzerrte Darstellung der Sachverhalte zur Propagierung bestimmter Ideologien eingesetzt wird.

„Wir brauchen keine erhobenen Zeigefinger“

Als Aussiedlerdeutsche geht mir die aktuelle Situation nah. Ja, ich positioniere mich deutlich für den Frieden und appelliere zeitgleich, die Emotionen nicht auf das russische Volk zu projizieren. Wir brauchen keine erhobenen Zeigefinger oder ergebnislose Diskussionen über Politik. Wir sind Europäer und ein Teil dessen, was in der Weltgeschichte passiert. Wir leben in bewegten Zeiten, auch wenn jede Epoche und jede Generation prägende Ereignisse mit sich bringt. Bewegt hat mich in den letzten Tagen die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Menschen.

Ich stehe zur Zeit mit meiner Bekannten Yvonne in Kontakt. Eine Unternehmerin und Mutter von zwei Kindern, die eine ukrainische Familie bei sich zu Hause aufgenommen hat. Ohne mit der Wimper zu zucken bot Sie Unterschlupf. Sie hielt tagelang Kontakt mit der Familie, bis das Auto mit einem Mann, zwei Frauen, drei Kindern und einem Hund in Deutschland angekommen ist. Die Räumlichkeiten im Haus haben es erlaubt, die Familie aufzunehmen. Yvonne sagt, Vertrauen ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung. Ich habe Yvonne angeboten, aufgrund meiner Russisch-Kenntnisse zu dolmetschen, falls es zu einer Sprachbarriere kommen sollte.

Mein Ehemann steht mit einem Fahrer namens Sergej in Kontakt. Er sammelt Menschen ein, die aus den Krisengebieten der Ukraine geflüchtet sind, und bringt sie in die umliegende EU-Länder, zu ihren Verwandten oder Menschen, die bereit sind, eine Unterkunft zu bieten. Sergej ist vor fünf Jahren nach Deutschland (nähe Essen) gekommen und holt am Wochenende seine Schwester und ihre Kinder zu sich nach Deutschland. Ich bin bereits am Packen und Organisieren von sämtlichen Gegenständen und Sachen, die für einen Lebensunterhalt unumgänglich sind, damit mein Mann diese der Familie überbringen kann.

Wichtig ist in Aktion zu kommen, nicht zu stagnieren. Gleichzeitig muss man niemandem beweisen, dass einem das Ganze nahegeht oder dass man ein guter Mensch ist. Die unmittelbar Betroffenen brauchen Aufmerksamkeit und Gehör und vor allem Hilfe und Sicherheit.

Wege, um mit dem Schrecklichen klarzukommen

Wie so oft im Leben kann man anderen nur dann helfen, wenn es einem selbst gut geht. Was ist zu tun, wenn man Angst hat und das Gefühl, die Welt gerät aus den Fugen? Da hilft es meiner Meinung nach Dinge zu tun, die einem gewisse Kontrolle ermöglichen, denn das beruhigt das Gehirn. Das wären: Ausmissten, ein Rezept von Anfang bis Ende befolgen, sich eine bestimmte Zeit nehmen und alle Ängste und Sorgen zu Papier bringen, beten und meditieren (in sich gehen), in die Natur gehen oder offline gehen (aber erst, wenn die Kolumne gelesen ist, kleiner Scherz).

Ich beobachte immer deutlich, wie der positive Effekt dann zeitversetzt eintritt. Und mein persönlich größter Anker, damit ich mich in den Problemen der Welt nicht verliere, ist für mich das Beten und das Bewusstsein, wer wir wirklich sind. Ich bin der Überzeugung, dass das Böse der Welt alles dafür tut, damit wir unser Vertrauen auf Gott und uns selbst abwenden. Wenn wir in die Angst kommen, werden wir gute Energie verlieren, die wir eigentlich in diese Welt tragen wollen. Krieg war, ist und wird nie eine gute Idee sein. Aber oft muss erst Großes passieren, damit wir das Kleine erkennen und wieder schätzen lernen.

Ida Lautenschläger, Jahrgang 1985, gebürtig aus Kasachstan, kam mit ihrer Familie als Aussiedlerdeutsche nach Deutschland und ist in Alsfeld heimisch geworden. Ihre Lieblingsbeschäftigung neben der Betreuung ihrer zwei Kinder: Steuerrecht sowie das Nachsinnen über Sprichwörter und Brauchtum.

Ein Gedanke zu “Was sagt Ida … zum Krieg?

  1. „Viele Kriege entstehen nur deshalb, weil viele Leute nie genug kriegen können.“
    Lilli U. Kreßner

    Es scheint schon zu reichen, dass ein Einzelner den Hals nicht voll kriegt. Putin, der von den kleptokratischen Oligarchen schnell gelernt hat und inzwischen als reichster Mann der Welt gilt, braucht das größte Land der Welt plus umgebender Einflusssphären und Privatarmeen bzw. Leibgarden, um das zu verteidigen, was er in den letzten 20 Jahren beiseite geschafft hat. Dafür wird nun ein ganzes Land verwüstet und sterben Tausende unschuldiger Menschen. Wie ist das möglich?

    15
    1

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren