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Posse aus AlsfeldWenn der Knöllchen-Protest nach hinten losgeht

ALSFELD (jal). Eine Frau beschwert sich beim Alsfelder Bürgermeister über ein Knöllchen und verlangt vom Rathauschef eine Antwort, anderenfalls würde sie die Presse einschalten. Der Bürgermeister lässt sich dadurch aber nicht einschüchtern – und macht seinerseits den Fall öffentlich.

Für die heutigen Verhältnisse beginnt die E-Mail der Dame recht freundlich. „Sehr geehrter Herr Bürgermeister Paule“, steht am Anfang. Auch im Rest kommt sie ohne Beschimpfungen oder dergleichen aus. Sie lässt Bürgermeister Paule sofort wissen, dass sie den Strafzettel von 30 Euro, um den es offenbar geht, bereits beglichen habe. „Dennoch möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Stadt Alsfeld gegenüber dem Einzelhandel in dem historischen Stadtkern mit solchen Aktionen erheblichen Schaden zufügt“, schreibt sie.

Die Frau schildert, sie habe an dem betreffenden Tag „nach einem Facharztbesuch in 90 Minuten 500 Euro ausgegeben“. Dies könne man bei dem entsprechenden Geschäft beziehungsweise anhand eines Kassenzettels nachprüfen, auch sei sie bei verschiedenen Geschäften in der Innenstadt als Kundin gelistet. Sie habe die Einkaufsmöglichkeiten immer sehr geschätzt und sei der Meinung, der Einzelhandel brauche grade in der Pandemie Unterstützung.

„Aber die Obrigkeit dieser Stadt Alsfeld hat da ihre eigene Strategie. Die Gewerbetreibenden können solche Aktionen zu spüren bekommen. Genauso wie ich werden andere Bürger auch ihre Konsequenzen aus solchen Verwarngeldern ziehen“, schreibt die Dame. Und weiter: „Ein solch hoher Betrag von 30 Euro ist unverschämt, dies sollten sie noch von mir zur Kenntnis nehmen.“

„Absolut inakzeptabel“

Ein Bürgermeister solle bürgernah sein, heißt es weiter. „Aber als Bürger des Vogelsbergkreises, der 30 Kilometer für eine Fahrt zurücklegt und auch zurück nochmals, um in Alsfeld die Geschäfte zu unterstützen, kann ich eine solche Maßnahme nicht akzeptieren.“ Anschließend bittet die Bürgerin den Bürgermeister, zu dem Sachverhalt Stellung zu nehmen, da sie ihr schreiben sonst an die örtliche Presse weiterleiten würde. „Das ist keine Drohung“, schreib sie dazu. „Hier geht es darum, was sind mir die Bürger und die Gewerbetreibenden wert. Als bürgernaher Bürgermeister, der sie doch immer sein wollen, ist das absolut inakzeptabel“, schreibt sie schließlich, bevor sie Paule einen schönen Sonntag wünscht.

Der antwortet in freundlichem, sachlichem Ton – und erklärt zunächst, wie sich die rechtliche Lage in Sachen Strafzetteln darstellt. Leider gehe aus dem Schreiben nicht genau hervor, weshalb die Frau kostenpflichtig verwarnt worden sei. „Bei einem Verwarngeld von 30 Euro vermute ich einen Verstoß gegen ein absolutes Halteverbot, oder Parken in einem für den Fahrzeugverkehr gesperrten Bereich“, schreibt der Bürgermeister, der ankündigt, das nachprüfen zu lassen.

Anschließend erklärt Paule, dass nicht die Stadt Alsfeld die Höhe solcher Verwarnungen festlege – sondern der Bund. Die Höhe sei also in ganz Deutschland gleich. „Sie richtet sich auch nicht nach der Höhe getätigter Einkäufe, sondern nach der Art des Parkverstoßes“, schreibt der Bürgermeister in Bezug auf die 500 Euro, die die Dame nach eigener Aussage in Alsfeld ausgegeben hat.

Verkehrsverein: Brauchen „Grundordnung“ beim Parken

Danach legt Paule dar, welche Möglichkeiten es gibt, sich gegen das Knöllchen zu wehren und mit ihm in Kontakt zu treten. „Dem städtischen Ordnungsamt und mir als Bürgermeister sind Bürgernähe und Transparenz sehr wichtig. Daher wird jeder Person, die das Ordnungsamt aufgeschrieben hat, ein Anhörungsbogen zugesandt, in dem Sie uns mitteilen können, wenn Sie die Ihnen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben. Die Zahlung des Verwarngeldes, ohne von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, bedeutet die Anerkennung der Ordnungswidrigkeit. Einmal im Monat findet auch eine Bürgersprechstunde statt, in der Sie über Ihr(e) Anliegen mit mir persönlich sprechen können. Die nächste findet am 8. März 2022, 16:00 Uhr im Rathaus statt.“

Bevor der Bürgermeister ebenfalls einen schönen Sonntag wünscht, schreibt er noch diese Zeilen: „Sie haben in einem Punkt absolut recht: Ihre Ankündigung, die Presse zu informieren, wenn ich Ihnen nicht persönlich antworte, ist keine Drohung. Für mich klingt das eher nach versuchter Erpressung. Ich setze daher die lokale Presse, das Ordnungsamt und die Polizeistation Alsfeld bei dieser E-Mail ‚cc‘, damit alle Bescheid wissen und auf demselben Sachstand sind. Den örtlichen Gewerbeverein (Verkehrsverein Alsfeld) und die Wirtschaftsförderung informiere ich per ‚BCC‘.“

Hartmut Koch ist Chef des Alsfelder Verkehrsvereins. „Irgendein Regulativ des Zusammenlebens muss es doch geben“, sagt er. Wenn die Dame argumentiert, sie habe in Alsfeld 500 Euro ausgegeben, dann könne das nicht „begünstigend sein für irgendwelches anderes Verhalten“. Auch den Gewerbetreibenden sei an einer gewissen Grundordnung was das Parken angeht gelegen, um für Gäste möglichst attraktiv zu sein.

Dazu zählt Koch auch genügend Parkmöglichkeiten und Hinweisschilder, wie man beispielsweise von den Parkflächen bei der Stadthalle in die Innenstadt kommt. „Dass wir eine grundsätzliche Regelung haben, an die sich auch Kunden und Nicht-Kunden halten müssen: Das seh‘ ich als selbstverständlich an“, sagt Koch. Die Argumentation der Dame mache „überhaupt keinen Sinn“. Die E-Mail-Schreiberin ließ eine Anfrage von OL zunächst unbeantwortet. Ein Polizeisprecher teilte auf Anfrage mit, man prüfe in dem Fall, ob der Tatbestand der Nötigung erfüllt sei.

Übrigens: Wer bei einem Laden einkauft, der bei „Erlebnis Alsfeld“ mitmacht, bekommt seine Parkgebühren erstattet. Welche Geschäfte mitmachen und wie genau das funktioniert, erfahren Sie hier.

6 Gedanken zu “Wenn der Knöllchen-Protest nach hinten losgeht

  1. Wenn der Knöllchen-Protest nach hinten losgeht??
    NaJa, ein bisschen Wahrheit ist dran. Damit meine ich nicht dass diese Frau in diesem Fall Recht hat. Es ist aber raus zu lesen dass es auch ein Protest ist dass mit zweierlei Maß
    gemessen wird. Am Tag wird durch Präsens aller Ordnungskräfte hart durchgegriffen. Wie sieht es denn Nachts aus ? Da ist weit und breit keiner zu sehen oder die Zuständigkeiten werden weitergeschoben.
    Schwerlaster fahren Abkürzungen durch gesperrte Wohnstraßen, es wird Umgebrückt an der Straße oder in Gebieten wo es nicht erlaubt ist, dadurch die Nacht für die Anwohner unerträglich. Wo sind denn da die Knöllchenschreiber Herr Bürgermeister? Den Frust der Dame kann ich verstehen auch wenn er in diesem Fall falsch ist. Aber muss man denn gleich alles mit CC weitergeben. Das ist wahrhaftig nicht bürgerfreundlich.
    Sprichwörter:
    Den Splitter im fremden Auge, aber nicht den Balken im eigenen sehen.
    Wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein.

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  2. Typisch Deutsch wieder solche Erbsenzähler Probleme in Zeiten wo die Menschheit am Abgrund seiner Existent steht :;)
    Gibt 500€ für Luxus aus und heult wegen 30€, vermutlich weil sie zu geizig war in den Automaten ausreichend Gled reinzustecken.

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  3. Einfach lächerlich was diese Frau von sich gibt, allein für diese Aussage dass sie für 500 Euro eingekauft hat, und glaubt sie könnte da parken wie es ihr passt wären 50 Euro angebracht. Es geben Verkehrsregeln auch Hinweisschilder, und daran hat sich diese Frau zu halten ob sie nun 10 50 100 oder 500 Euro beim Einkauf ausgibt

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  4. Öha, ich da muß ich staunen, mal abgesehen vom Sachverhalt.
    Ein einigermaßen sachlich/höfliches Schreiben an den Bürgermeister an die Presse weiterleiten zu wollen soll eine Erpressung oder Nötigung in einem demokratischen Staat sein?? Wenn ich mich richtig erinnere ist eine
    Nötigung „unter Androhung eines empfindlichen Übels zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zu zwingen“. Eine Erpressung müßte ja zu einem eigenen Vorteil führen, von Rücknahme des Bußgeldes ist aber keine Rede, da schon bezahlt.
    Zumal die Presse schließlich entscheiden müßte, ob sie was draus macht oder das Schreiben entsorgt. Da ist wohl jemand sehr dünnhäutig, um es gleich an die Polizei weiterzuleiten, das finde ich eher verwerflich.
    Was das Parken anbelangt, ich kaufe grundsätzlich nur dort ein, wo ich
    kostenlos parken kann. Die Anfahrt nach Alsfeld reicht mir völlig als Kostenfaktor, zumal man nie sicher ist ob man das bekommt was man haben möchte.

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    1. Wenn ich im Internet Kauf bekomme ich kein Strafzettel und Verbrauch auch keinen Sprit. Zum Bürgermeister, was er da gemacht hat, ist schon traurig , wenn man so seine Macht zeigen will.

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    2. Ist doch egal wenn sie glauben in Alsfeld bekommt man nicht alles, dann fahren sie woanders hin, aber auch da müssen sie sich an die Verkehrsregeln halten.

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