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Nachgefragt bei Alexander Serikow, Philipp Helmetag und Laura VobigWas Vogelsberger Tätowierer zum Farbverbot sagen

VOGELSBERG (akr). Seit Anfang des Jahres sind fast alle bunten Tattoo-Farben in Europa verboten. Der Grund: die sogenannte Reach-Verordnung der Europäischen Union. Sie stuft etliche Inhaltsstoffe in den bunten Farben als potenziell gefährlich ein. Warum Vogelsberger Tätowierer aber dennoch entspannt reagieren.

Die bunte Körperkunst wird eintöniger. Anfang Januar trat die neue EU-Verordnung in Kraft, die meisten Tattoo-Farben sind deshalb nun verboten, abgesehen von Schwarz, Weiß und eben Grau, wobei mittlerweile auch Weiß in der Kritik sei, erzählt Tätowierer Alexander Serikow. Seit 2019 betreibt der 27-Jährige sein Studio „DarkMoth“ in der Neuen Straße in Romrod.

Ihn trifft diese neue Verordnung aber kaum. „Wir können damit leben“, sagt er. Nur rund 20 bis 30 Prozent der Arbeiten in seinem Studio sind nämlich farbig. „DarkMoth“ ist auf den Fineline-Stil sowie Black and Grey-Tattoos spezialisiert. Umsatzeinbußen befürchtet Serikow nicht. Er vermutet vielmehr eine Umstrukturierung der Denkweise, dass die Menschen, die ein Tattoo wollen, dann einfach auf Schwarz umsteigen.

Farben schwer zu bekommen

Die Verordnung ist laut Serikow „nicht in allen Dingen schlecht“, denn teilweise sei in den Farben schon „Mist“ enthalten. Deshalb sei es auch gut, dass darauf geachtet werde. Dennoch: Die Menschen würden wissen, worauf sie sich beim Tätowieren einlassen. Problematisch sei es aber jetzt, überhaupt Farben zu bekommen.

Es gebe nämlich aktuell nur vier Hersteller, die Schwarz, Grau und Weiß anbieten, die nicht unter die Reach-Verordnung fallen. „Logischerweise müssen dann alle Tätowierer auf diese zurückgreifen.“ Die Folge: Die Farben sind ausverkauft. Serikow hatte sich schon im Vorfeld mit genügend Tattoo-Farbe eingedeckt. „Die Leute, die vorher nicht eingekauft haben, haben verloren“, sagt er.

Tätowierer Alexander Serikow. Foto: akr

Etwa 60 Farben für jeweils etwa 40 Euro musste der Tätowierer entsorgen, weil er sie schließlich nicht mehr verwenden darf. Härter treffe es die, die hauptsächlich mit Farbe tätowieren. Der DarkMoth-Inhaber ärgert sich viel mehr darüber, dass eine Petition mit knapp 177.000 Unterstützern bei dieser Entscheidung überhaupt nicht beachtet worden sei. „Sie wurde einfach unter den Tisch gekehrt, was in einer Demokratie nicht sein sollte“, betont er.

Der Tätowierer aus Romrod ist sich sicher, dass das nicht das endgültige Aus für bunte Farben ist. Irgendwann werde auch wieder mit Farbe tätowiert, die Reach-Verordnung konform sind. Doch die, die die Standards dann erfüllen, würden dann nicht unbedingt zu gebrauchen sein. „Die Pigmente werden abgeschwächt sein“, denn wenn 2023 dann auch noch die Pigmente Grün und Blau verboten werden, sei das Farbsortiment schon sehr schwach. Derzeit aber würden sich die Hersteller nicht darauf konzentrieren, die verbotenen Inhaltsstoffe durch andere zu ersetzen, sondern sich vielmehr darum bemühen, Schlupflöcher zu finden, um die alten zuzulassen.

„Zeit und Forschung sinnvoller nutzen“

„Wir haben uns erstmal gefragt, wie man zur aktuellen Zeit überhaupt auf die Idee kommt, die Farben zu testen, beziehungsweise zu verbieten“, sagt Philipp Helmetag von „Flatrate-Tattoo“ in Lauterbach. So weit sie es mitbekommen hätten, sei es nicht mal erwiesen, dass der besagte verbotene Stoff krebserregend sei. „Bei erwiesenen Produkten wie zum Beispiel Zigaretten gibt es kein Verbot, aber bei Farben, die schon jahrelang genutzt werden. Unserer Meinung nach sollten die Leute ihre Zeit und Forschungen sinnvoller nutzen.“

Mit der bunten Körperkunst ist vorerst Schluss. Foto: archiv

Tattoo-Studios, die hauptsächlich mit Farbe arbeiten, würde es schon sehr betreffen. „Wir hier in unserem Studio stechen zu 80 Prozent Schwarz/Grau und sind somit zum Glück nicht so stark betroffen“, erklärt Helmetag. Dennoch: der ein oder andere Termin mit Farbe geplante Termin fällt nun weg. Sollten keine neuen Farben ohne den verbotenen Stoff hergestellt werden, müssten Studios erstmal mit Umsatzeinbußen rechnen.

Umstellung und Umgewöhnung

Als „wahnsinnig große Veränderung“ für die Branche bezeichnet Laura Vobig vom Tattoo-Studio „Ars Aamandii“ in Schlitz die neue Verordnung. „Man kann allerdings froh darüber sein, dass bereits erste Ersätze für Grau- und Schwarztöne entwickelt wurden und uns zur Verfügung stehen, sodass der Übergang in die neuen Richtlinien nicht allzu hart ist“, sagt Vobig. Eine Umstellung und auch Umgewöhnung bleibe es aber dennoch. Vobig hofft, dass die Tätowierer bald wieder ihre alte Farbvielfalt unter neuen Bedingungen zurückerhalten und kein Tätowierer mehr seine Kreativität einschränken muss. „Ich bin aber guter Dinge, dass sich die Auswahl im Laufe diesen Jahres wieder nach und nach füllen wird.“

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