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Finaler Verhandlungstag zur Schließung des Alsfelder Kamax-Werks„Mit dem heutigen Tag ist die Geschichte nicht zu Ende“

ALSFELD (ls). Es ist ein wichtiger Tag für die Mitarbeiter des Alsfelder Kamax-Werks, denn der finale Verhandlungstag vor dem Schlichter steht an: Es geht um die Aufhebung des Ergänzungstarifvertrags, es geht um Abfindungen und um Existenzen, die auf dem Spiel stehen. Bis 16 Uhr wird mit einem Ergebnis gerechnet.

Bereits am Morgen hatten sich schon einige Kamax-Mitarbeiter vor der Villa Raab in Alsfeld versammelt, denn dort sollen an diesem Freitag die finalen Verhandlungen mit dem Unternehmen vor dem Schlichter stattfinden. „Die letzten drei Verhandlungen waren geprägt von gegenseitigen Vorwürfen“, erklärte Stefan Sachs, Chef der IG Metall Mittelhessen. Die Arbeitnehmerseite habe der IG vorgeworfen, durch ihre Blockadehaltung und mit der Forderung das Alsfelder Werk nicht zu schließen alle Arbeitsplätze der deutschen Kamax-Werke zu gefährden. „Wir sind die Totengräber der Arbeitsplätze bei Kamax. Das ist doch einfach eine Frechheit“, sagte Sachs.

Bis Sommer 2021 will der Automobilzulieferer seinen Standort in Alsfeld schließen. Über 200 Mitarbeiter sind davon betroffen. Das Schwierige daran: In 2017 wurde ein Ergänzungstarifvertrag geschlossen, durch den die Mitarbeiter zwei Stunden in der Woche ohne Bezahlung arbeiten, allerdings auch die Zusicherung bekamen, dass das Werk nicht geschlossen wird und es keine Kündigungen gibt.

Bis Ende März 2022 hätte der Vertrag laufen sollen, nun möchte das Unternehmen den Vertrag verlassen. Auch am Hauptstandort in Homberg (Ohm) soll es zu „Personalanpassungen“ für etwa 100 Mitarbeiter kommen. Auch für andere Standorte in Europa wurden ähnliche Schritte angekündigt.

Einige Mitarbeiter zog es bereits am Morgen vor die Villa Raab. Fotos: ls

Bei einem Schlichtungstermin im August habe die Arbeitgeberseite gesagt, dass es nicht um Existenzen gehe, sondern darum, ob der Ergänzungstarifvertrag gekündigt werden dürfe. „Das ist echt Zynismus in Reinkultur, zu behaupten, dass es nicht um Existenzen geht, die Existenzen um die es geht, stehen heute hier“, rief Sachs und bekam Zustimmung aus den Reihen der Demo-Teilnehmer vor der Villa, die sich an diesem Freitagmorgen dort versammelten, um die Ergebnisse der finalen Verhandlungen zu verfolgen.

Ihnen müsse allerdings dennoch klar sein, so sagte Sachs, dass man seitens der IG Metall versuche, einen Kompromiss zu finden, dass die Arbeitnehmer am Ende nicht schlechter rauskommen, als es notwendig sei. Und genau das werde an diesem Tag sehr schwer. „Wir brauchen jetzt die Kunst des Machbaren. Wir müssen denen so viel Geld rausjuckeln, wie möglich ist“, ergänzte Sachs. In den letzten 30 Jahren sei es bei der Kamax eher ruhig gewesen, „dass man jetzt als Arbeitnehmer auf den Tisch gekotzt bekommt“, das sei eine Frechheit.

IG-Mittelhessen Chef Stefan Sachs vor den finalen Verhandlungen.

Dem stimmte auch Regina Steiner, Fachanwältin für Arbeitsrecht, zu: Die Verhandlungen würden sich schwierig gestalten, der Arbeitgeber lege nichts auf den Tisch, was die Alsfelder Kollegen dazu bringe, ihre Sonderschichten weiter zu fahren. „Wenn man heute nicht zu einem Ergebnis kommt, ist die Frage, wie ihr weiterarbeitet – ob unter Hochdruck und den dortigen Bedingungen oder eben gar nicht“, sagte sie mit Blick auf die derzeitigen Arbeitsbedingungen in Alsfeld.

Um 16 Uhr sei ein definiertes Ende der Verhandlungen gesetzt, immer wieder wolle man zwischendurch bereits Updates an die Kollegen vor der Tür geben. Zwar erwarte man heute ein Ergebnis – und wenn es das des Scheiterns sei – doch Sachs sagte auch: „Mit diesem heutigen Tag ist die Geschichte nicht zu Ende.“

Allem voran geht es um eine Transfergesellschaft, in die Mitarbeiter wechseln könnten, die so schnell keinen neuen Job gefunden hätten oder aber ältere Mitarbeiter. Es gehe aber auch um Termine, wann die ersten Kündigungen ausgesprochen werden und darum, die möglichst nach hinten zu verschieben. Es geht aber auch um Abfindungen und um die Summe, die die Kamax dabei zur Verfügung stellt – das seien keine Cent-Beträge.

Fachanwältin Regina Steiner.

Durch Antrittsprämien für freiwillige Mehrarbeit oder aber Zusatzprämien für bestimmte Ziele, die bei der Produktion erreicht werden, versucht das Unternehmen die Mitarbeiter derzeit zu motivieren. „Dem Einzelnen wollen sie dadurch mehr zahlen, aber in der Abfindung fehlt es dann. Lasst euch nicht verarschen, macht den Scheiß nicht länger mit. Solange nicht, bis sie bereit sind, 12 bis 13 Millionen Euro an Abfindung abzudrücken“, sagte ein Redner bei Veranstaltung.

Sollte die Arbeitgeberseite nicht reagieren, dann müsse man in der Lage sein, den Betrieb von Innen lahm zu legen, damit die Konditionalstrafen so hoch seien, dass sich das Unternehmen wünsche, dass es vernünftige Abfindungen gezahlt hätte. Nachverhandeln sei ja immer erlaubt.

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