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Entscheidungsfreiheit bei der Beurteilung der Leistung - mit LeserumfrageVerzicht auf Schulnoten: Das sagen Vogelsberger Schulleiter

REGION (akr). Schulen ohne Noten? Klingt zunächst ungewöhnlich, könnte aber in einigen hessischen Schulen künftig der Fall sein. In Zukunft sollen nämlich bis zu 150 hessische Schulen selbst entscheiden können, ob sie ihre Schüler benoten oder ihnen eine schriftliche Bewertung ausstellen. Das haben die Grünen in der Bildungspolitik gefordert. Was halten die Schulleiter im Vogelsbergkreis davon? Oberhessen-live hat nachgefragt.

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, soll das ein Sprecher des hessischen Kultusministers Alexander Lorz bestätigt haben. Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung heißt es, Schulen solle die Möglichkeit gegeben werden, „pädagogisch neue Wege bei der Erreichung der Bildungsziele zu gehen“ – allerdings verklausuliert, also an zahlreiche Bedingungen geknüpft.

Demnach sollen künftig „Abweichungen bei der Unterrichtsorganisation und – gestaltung“ möglich sein. Dazu gehören beispielsweise auch die „Ausgestaltung der Leistungsnachweise“. So könnten Schulen in Zukunft den Lernfortschritt oder den Leistungsstand der Schüler anstelle einer Note auch in Form einer schriftlichen Bewertung abgeben. Schließe ein Schüler die Schulzeit ab wechsle er die Schule, dann müsse jedoch ein „Zeugnis mit Ziffernnoten“ erstellt werden.

Regelungen für verschiedene Schulformen möglich

Weiter heißt es in dem Artikel der FAZ, dass es sich dabei um eine „Absichtserklärung“ handele, die noch mit Leben gefüllt werden müsse. Das habe der Sprecher des Kultusministeriums gesagt. Dieses Vorhaben eigne sich seinen Angaben zufolge vor allem für Gesamtschulen. Da der Koalitionsvertrag aber keine Einschränkungen vorsehe, sei die Regelung damit auch für Grundschulen, Realschulen oder Gymnasien offen. Die Entscheidung, ob Note oder schriftliche Bewertung, sei im Koalitionsvertrag auf 150 Schulen begrenzt, also 30 Schulen pro Legislaturperiode.

In Hessen gibt es der FAZ zufolge insgesamt rund 1800 Schulen, davon etwa 1100 Grundschulen und 200 berufliche Schulen. Da diese Neuregelung wahrscheinlich nur für die Schulen in Betracht kommt, bei denen kein Wechsel auf eine weiterführende Schule ansteht, würden etwa 500 Schulen in Frage kommen. In Hessen gebe es bereits einige wenige Gesamtschulen, die teilweise ohne Benotung arbeiten.

Durch die Entscheidungsfreiheit solle den Schulen endlich ein „Aufbruch“ ermöglicht werden, bei dem es nicht um weniger Leistung geht. Grünen Fraktionsvorsitzender Mathias Wagner äußerte laut FAZ vielmehr, dass die Bildungsziele mit einer anderen Pädagogik teilweise besser zu erreichen seien. Die Regelung sei aber keine Pflicht, sondern ein Angebot. So hieß es im Wahlprogramm der Grünen für die Landtagswahl, dass es Schulen ermöglicht werden soll, dass sie „freiwillig schriftliche Bewertungen als Ergänzung oder anstelle von Ziffernoten bis Jahrgangsstufe 8 einführen können“.

Wenn es nach dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag geht, dann sollen die betroffenen Schulen noch mehr Freiheiten bekommen, sie sollen nicht nur die Möglichkeit haben, auf die Notenvergabe zu verzichten, sondern auch im Bezug auf die Bildung von Lerngruppen oder der Erstellung von Lehrplänen und Stundentafeln.

Das sagen Vogelsberger Schulleiter zu dem Thema

Wir haben bei den Schulleitern der Region nachgefragt, wie sie dazu stehen, dass einige Schulen künftig selbst entscheiden können, ob sie Noten oder eine schriftliche Bewertung geben und was sie besser finden und mit welcher Begründung. Wir wollten auch wissen, ob es bei ihnen an der Schule konkrete Überlegungen gibt, Noten abzuschaffen. Im Folgenden die Antworten im Wortlaut.

Carsten Röhrscheid, Ohmtalschule, Homberg Ohm:

„Bisher ist an der Ohmtalschule noch keine Diskussion darüber geführt worden, ob eine Beurteilung „ohne Noten“ besser wäre, da der gesetzliche Rahmen bisher keine solche Möglichkeit eröffnet hat. Auch die neuen diesbezüglichen Verlautbarungen, sind nur schwer zu bewerten, da es noch keine präzisen gesetzlichen Auslegungen hierzu gibt. Es ist aber damit zu rechnen, dass auch verbale Beurteilungen so gestaltet sein müssen, dass sie beispielsweise eine Versetzung oder Nichtversetzung begründen. Hier besteht die Gefahr, dass es sich letztendlich auch nur um eine verklausulierte Notengebung handelt. Solche Bewertungen stellen dann keine wirkliche Neuerung dar.

Die Möglichkeit, insbesondere durch Förderpläne den Eltern und Schülerinnen und Schülern eine detaillierte Rückmeldung zu geben, ist schon jetzt gegeben beziehungsweise in manchen Fällen sogar vorgeschrieben. Eltern sowie Schülerinnen und Schüler können und werden über ihren Leistungsstand zum Beispiel an Elternsprechtagen auch heute schon differenziert informiert. Letztendlich bleibt für mich auch festzustellen, dass jegliche Bewertungen – seien es Noten oder verbale Beurteilung – in einem gewissem Umfang immer subjektiv sind.

Für einige Fächer könnte aber aus meiner Sicht durchaus die Frage gestellt werden, ob hier eine Bewertung überhaupt erforderlich ist. Zum Beispiel in Musik, Kunst oder Sport sollte es meines Erachtens überwiegend darum gehen Interessen zu fördern. Eine Beurteilung kann diesem Ziel unter Umständen entgegenstehen.“

Thomas Weidemann, Albert-Schweitzer-Schule, Alsfeld:

„Prinzipiell ist es zu begrüßen, dass Schulen mehr eigene Entscheidungsfreiheit bekommen. Das Notensystem hat sich meiner Meinung nach bewährt. Man denke an Schüler, die die Schule wechseln, das Bundesland wechseln oder sich bei Arbeitgebern vorstellen. Da sind Noten durchaus besser vergleichbar als Verbalbeurteilungen. Außerdem ist ja auch relativ klar definiert, was sich hinter einer „2“ verbirgt, denn die Note „gut“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht. Und bei schlechten Leistungen wird die Note „mangelhaft“ erteilt, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden könnten.

Wenn außerdem ab der 8. Klasse und in der Oberstufe Ziffernnoten erteilt werden müssen, macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern auf die Noten zu verzichten. In den zahlreichen Elterngesprächen, die wir Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig führen, werden ja sowieso die schulischen Leistungen „verbalisiert“, wenn seitens der Eltern und Schüler Nachfragebedarf besteht.

In Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei Erkrankungen, werden durchaus Verbalbeurteilungen im Zeugnis ausgewiesen. Wenn man sich dann die Praxis anschaut, werden die Schulen, die auf die Ziffern verzichten, eventuell standardisierte Textbausteine verwenden und ob die dann größere Aussagekraft haben, kann ich mir nicht vorstellen. Bei uns an der Albert-Schweitzer-Schule ist dieser Sachverhalt noch nicht diskutiert worden.“

Bettina Sorg, Mittelpunktschule, Romrod:

„Aktuell kann ich dazu wertend noch nichts sagen. Das ist neu für uns, wir werden das Thema aber im Kollegium aufgreifen und darüber sprechen. Das Thema muss man erst einmal von allen Seiten beleuchten.“

Anmerkung der Redaktion: Bis zum Redaktionsschluss haben uns keine weiteren Antworten erreicht.

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