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Ausstellung „Demenz – Was bedeutet das noch mal?“ in der Vogelsberger Kreisverwaltung eröffnetEntschuldigung. Wohne ich hier?

VOGELSBERG (ol). „Entschuldigung. Wohne ich hier?“, fragt das alte Mütterlein lächelnd die junge Frau, die die Wohnungstür geöffnet hat und ihr jetzt strahlend entgegnet: „Fast. Nur zwei Türen weiter Frau Fröhlich.“ Szenen wie diese kommen vor im Alltag von Demenz-Patienten. Szenen, bei denen man sich ein Schmunzeln wohl kaum verkneifen kann. Das muss man auch gar nicht – zumindest wenn man die Ausstellung „Demenz – Was bedeutet das noch mal?“ besucht, die am Montag in der Vogelsberger Kreisverwaltung in Lauterbach eröffnet wurde und bis zum 6. Juni im Flur im ersten Stock des Hauptgebäudes zu sehen ist.

Was dabei herauskommt, wenn ein renommierter Freiburger Gerontologe, nämlich Professor Doktor Thomas Klie, und ein Zeichner und Cartoonist, Peter Gaymann, den Alltag von Menschen mit Demenz in Szene setzen, genau das zeigt, laut Pressemitteilung, die Wanderausstellung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, die nun in Lauterbach zu sehen ist. Sie präsentiere in Form von zwölf Cartoons Situationen und Dialoge zwischen Menschen, die schon und solchen, die (noch) nicht an Demenz erkrankt seien. Und: Die Ausstellung verdeutliche die Mühe, die es koste, sich in einem Leben mit Demenz erfolgreich zu behaupten, so munter wie auch mitfühlend.

Pointe gelungen: Landrat und Erster Kreisbeigeordneter amüsieren sich beim Rundgang durch die Ausstellung. Foto: Gaby Richter/Vogelsbergkreis

„Die Karikaturen betrachten Demenz mit einem menschenfreundlichen und warmherzigen Humor. Man lacht mit den Menschen und nicht über sie“, unterstrich Landrat Manfred Görig bei der Eröffnung am Montag. „Auch das ist ein Weg, deutlich zu machen, dass Demenz zum Alltag in unserer Gesellschaft gehört“, ergänzte Erster Kreisbeigeordneter Doktor Jens Mischak. Mit diesem überzeichnenden Humor sei es einfacher, das Thema Mensch und Demenz aus der Ecke mitten die Gesellschaft, wo es hingehöre, zu holen.

In Deutschland leben nach Angaben der Alzheimer Gesellschaft gegenwärtig fast 1,6 Millionen Demenzkranke. Jahr für Jahr treten etwa 300.000 Neuerkrankungen auf. Eine Therapie gegen Demenz gebe es derzeit nicht. Deshalb betonte Klie: Wir können deshalb „nur mit Demenz leben lernen. Das gilt für die Betroffenen, das gilt für seine Lebenspartner, seine Familie, Freunde und Nachbarn sowie für die Gesellschaft insgesamt. Demenz ist und wird immer mehr zu einer Lebensform“.

Die Wanderausstellung, die auf Anregung der Kreisseniorenbeauftragten Rosemarie Müller und des Familienbündnisses in Lauterbach gezeigt werde, könne ohne Voranmeldung im Rahmen der Öffnungszeiten besucht werden.

4 Gedanken zu “Entschuldigung. Wohne ich hier?

  1. @Fake4U
    „So schlugen die Studierenden während einer Präsentation im Mai 1917 vor…“
    Muss aber im Mai 2017 gewesen sein! Na, ja… 24.05.2018 um 4:31 Uhr (!) … Ist ja auch verdammt früh für einen Kommentar ;D.

  2. @ Pointe gelungen? vom 20.05.2018 um 20:43 Uhr
    Bei der Schilderung des „Forschungsprojekts“ von Studenten der Hochschule Fulda, für das der Landkreis über 13.000 Euro Steuergeld zum Fenster raus geschmissen hat, nur um Politik und Verwaltung von dritter Seite ein vermeintlich gutes Zeugnis in Sachen Daseinsvorsorge und „gutes Leben mit Demenz“ ausstellen zu lassen, lassen Sie ein zweites sensationelles Ergebnis dieser öffentlich geförderten akademischen Glanzleistung unerwähnt. Es handelt sich hierbei um einen Katalog schwergewichtiger Empfehlungen für den Vogelsberg-Kreis, ohne die ein sinnvolles Weiterarbeiten kaum denkbar erscheint. So schlugen die Studierenden während einer Präsentation im Mai 1917 vor, den Ratgeber „Gutes Leben mit Demenz“, den eine Vorgängergruppe ein Semester zuvor erarbeitet hatte, indem man einfach bei der Kreisbehörde anfragte, was es denn so alles an sozialen Angeboten im Landkreis gebe und das dann aufschrieb, flächendeckend zu verbreiten und ggf. einen weiteren Ratgeber zu erstellen, der sich auf die Unterstützung von pflegenden Angehörigen im Vogelsbergkreis beziehe. Also nochmal: Der „Ratgeber“ enthielt k e i n e konkreten Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz. Weil es die nämlich nicht gab.
    So hatte dann der Landkreis an der Befolgung der studentischen Ratschläge und einer weiteren Ratgeber-Ausgabe keinerlei Interesse, und die Zusammenarbeit mit der Hochschule Fulda wurde entgegen anderslautenden Bekundungen nicht weiter fortgesetzt. Doch um so lautstärker priesen Dezernent Dr. Mischak (CDU) und die Verwaltung die seit Jahren bestehende Kooperation des Kreises mit Frau Prof. Dr. Helma M. Bleses und insgesamt 38 Studierenden der Hochschule Fulda, bei der es um „Gutes Leben mit Demenz im Vogelsbergkreis“ gehe und in deren Rahmen bereits „drei Projekte“ (siehe oben) hätten umgesetzt werden können (Quelle: https://www.focus.de/regional/hessen/vogelsbergkreis-studierende-praesentieren-demenz-forschungsprojekt_id_7237089.html). Dummheit oder Frechheit? Suchen Sie es sich aus.

  3. @ Pointe gelungen
    Ob „Einpacken“ da noch ausreicht? Gerade hat das ZDF eine neue Studie zur Lebensqualität in den unterschiedlichen Regionen der Bundesrepublik veröffentlicht (https://deutschland-studie.zdf.de/about). Nach objektiven Maßstäben gemessen wurden die allgemeinen, vergleichbaren Rahmenbedingungen für Lebensqualität in allen 401 Städten und Landkreisen unseres Landes.
    Der Vogelsbergkreis schneidet überall dort gut ab, wo die Politik nichts verderben kann oder sich einfach die positive Kehrseite einer ansonsten negativen Entwicklung zeigt (Beispiel: Abwanderung = günstige Wohnkosten). In der in der Kategorie „Arbeit und Wohnen“ insgesamt liegt der Vogelsberg mit Platz 208 von 401 noch im Mittelfeld, bei der Mietpreis-Einkommens-Relation aber bundesweit auf Rang 13. Es gibt also nur zwölf andere Städte und Landkreise in Deutschland, wo man fürs Wohnen einen noch geringeren Teil des Einkommens aufwenden muss. Dafür allerdings zahlt man mit langen Wegen zur Arbeit: Bei den durschnittlichen Pendlerdistanzen ergibt sich für den Vogelsberg Rang 355 von 401. Und im Bereich der Versorgung/Daseinsvorsorge steht es eher schlecht. hingegen sind im bundesweiten Vergleich hingegen eher schlecht. In der Kategorie „Gesundheit und Sicherheit“ gehört der Vogelsberg zwar mit Rang 276 noch zu den Besseren im unteren Drittel. Aber die hohe Anzahl an Pflegebedürftigen schlägt mit Schlusslicht-Position 374 von 401 besonders negativ zu Buche. Nicht mal, was die Tourismus-Qualitäten angeht, kann der Vogelsberg durchgängig punkten. Bei der Ozonbelastung liegt man auf dem schlechten Rang 343. Und ganz düster sieht es bei den Sonnenstunden pro Jahr mit Platzierung 385 aus.
    So präsentiert sich der Vogelsbergkreis sozial als ein Teil von Dunkel-Deutschland. Ein hoher Prozentsatz der Arbeitsplätze liegt in den benachbarten Landkreisen. Die günstigen Arbeitsmarktzahlen sind geschönt, denn prekär Beschäftigte und Teilzeitkräfte, von denen es im Vogelsberg besonders viele gibt, gelten nicht als arbeitslos. Die schwarz-rote Kreis-Groko mit einem SPD-Landrat an der Spitze verdrängt die mit Überalterung und extremem Pflegebedürftigenanteil an der Bevölkerung verbundenen Zukunftsprobleme weitgehend und widmet sich lieber der „Wirtschaftsförderung“. Darum gedeihen im einstigen Naturparadies vor allem „Industrien“ (Windkraft-Industrie, Pflegeindustrie usw.), die nichts kosten. Denn die Windkraftmonster werden von Projektentwicklern auf jeden besser belüfteten Hügel gestellt, und die vielen Pflegeheime, die weit über den prognostizierten Bedarf hinaus in fast jeder Vogelsbergkommune aus dem steinigen Boden schießen, werden von Kapitalgesellschaften errichtet, die als Heimbetreiber in der Branche den schlechtesten Ruf haben. Daseinsvorsorge für Alte, Kranke und pflegende Angehörige ist dagegen etwas für die PR-Abteilung des Landkreises. Diese lässt sich immer neue „Leuchtturmprojekte“, Symbol- und Placebo-Aktivitäten einfallen, von denen der Graf Potemkin noch allerhand hätte lernen können. Da ist in der Wanderausstellung mit lustigen Demenzkranken gut Schmunzeln. Denn die abgebildeten Herrschaften werden längst ihr üppiges Alterruhegeld genießen, wenn im Vogelsberg der Pflegenotstand ausbricht. Ich wette, man wählt hierzu Regionen mit wesentlich mehr Sonnenstunden pro Jahr. Da besteht auch nicht die Gefahr, dass die unbetreuten Senioren und ausgepowerten pflegenden Angehörigen faule Eier oder Schlimmeres über den Zaun werfen.

  4. Achtung, jetzt kommt ein Karton! Landrat und Erster Kreisbeigeordneter amüsieren sich beim Betrachten von Cartoons einer Wanderausstellung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration. Lustig, lustig, tralalalala – Politik meets Demenz und demonstriert „mitfühlende Munterkeit.“ Demenz – Was war das noch mal (siehe https://www.ukv.de/content/service/gesundheit-aktuell/demenz-krankheitsbild/)? Gemessen an dem, was der Vogelsbergkreis bisher an Versorgungsstrukturen für Demenzkranke und vor allem zur Entlastung von pflegenden Angehörigen auf die Beine gestellt hat, stehen deren politische Repräsentanten nicht besser da als die Menschen mit Demenz, deren Krankheit bereits so weit fortgeschritten ist, dass sie sich ihrer schwierigen Situation nicht mehr bewusst sind. Entsprechend selbstgefällig präsentiert man die „Erfolge“ seiner Arbeit auf diesem Gebiet. Wenn die Betroffenen schon nicht in Lobeshymnen ausbrechen wollen, lobt man sich eben selbst. Unter dem Motto „Gut gelaufen“ präsentiert man die Highlights seiner „fieberhaften Bemühungen“: Ein „Forschungsprojekt“ zum Thema Leben mit Demenz im Vogelsbergkreis in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fulda (siehe https://www.vogelsbergkreis.de/Ansicht.1066.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=7749&cHash=78e6bcab6075d43ee54a3d49d79c2555) und die Aktivitäten des inzwischen seit zehn Jahren bestehenden Familienbündnisses, das mittlerweile weit über 1000 Menschen in besonderen Samstagnachmittags-Veranstaltungen in neun Vogelsberger Gemeinden nicht nur mit Kaffee und Kuchen, sondern auch mit Informationen zum Thema Demenz versorgt habe.
    Wenn das Thema nicht so ernst wäre, müsste man in brüllendes Gelächter ausbrechen. Das „Forschungsprojekt“, das der Landkreis mit 13.000 Euro aus Fördermitteln selbst finanzierte, beruht auf der Befragung von zwei Menschen mit Demenz und zwei pflegenden Angehörigen, die ihrer Zufriedenheit darüber Ausdruck verleihen, dass in einem Vogelsbergdorf einmal im Monat für wenige Stunden eine Tagesbetreuung für Menschen mit Demenz angeboten wird. Kein Wort über den Gesamtbedarf an Tagesbetreuung im Vogelsbergkreis und den Grad der Deckung dieses Bedarfs in der Fläche. Und in zehn Jahren gerade mal 1000 Bürger mit dem Thema Demenz bekannt gemacht zu haben, wäre bestenfall zu Zeiten einer Erwähnung wert gewesen, als der Ortsdiener noch mit der Glocke durch die Straßen zog und die Gemeindeangelegenheiten ausgerufen wurden. Der Vogelsbergkreis in der Informationsblase. Internet? Wohl vielerorts nicht viel schneller als der Ortsdiener vergangener Zeiten. Wenig Info, aber ein aufgeblasenes Eigenlob-Gebläse. Wer auf den überall verbreiteten interaktiven Karten nach den landesweiten Demenzaktionen sucht, findet den Vogelsbergkreis sofort. Denn dort findet man nämlich keines der Symbole für „Aktion Demenz“, „Demenz-Partner“, „Wohnpartner“, „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ usw., usw. – Terra incognita, Tabula rasa. Wenn es um das Thema Daseinsvorsorge und die Bedarfe einer rapide alternden Gesellschaft mit entsprechender Zunahme der Zahl der zu versorgenden Demenzkranken und zu entlastenden pflegenden Angehörigen geht, scheinen die Kreispolitiker selbst von prä-dementem Gedächtnisverlust befallen zu sein: Was war nochmal die Aufgabe der Kommunen in der Daseinsvorsorge? Grübel, grübel. Da kommt eine lustige Ausstellung zur Ablenkung doch wie gerufen. Achtung, jetzt kommt ein Karton. Den brauchen vor allem die, die längst hätten einpacken sollen.

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