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BUND-Arbeitstreffen in Lauterbach sorgte für große Diskussionen bei BrauerschwendernNitratbelastung im Brauerschwender Grundwasser

LAUTERBACH (lrn). Beim BUND Arbeitstreffen am vergangenen Dienstagabend in Lauterbach ging es um die Grundwasserbelastung im Vogelsberg durch Nitrat. Besonders eine größere Gruppe von Brauerschwender Bürgern zeigte sich dabei wissbegierig und diskussionsfreudig. Der Grund dafür: Der Brauerschwender Trinkwasserbrunnen weist eine besonders hohe Nitratbelastung auf. Im Ort gebe es außerdem eine verhältnismäßig große Zahl von Nierenkrebserkrankungen.

Biologe Dr. Wolfgang Dennhöfer und die Ärztin Dr. Ursula Bernbeck gaben zunächst einen allgemeinen Überblick über die chemischen Stoffe Nitrat und Nitrit und die gesundheitlichen Folgen von zu hohen Nitratwerten, bevor man dann nach den Ursachen und Lösungsmöglichkeiten suchte. Wahrscheinlich gehöre eine zu hohe Düngung mit Klärschlamm und Hühnerdung sowie Gülle mit einen der Hauptursachen für die zu hohe Nitratkonzentration. Als Lösungen wurden eine Reduzierung der Düngung im Umfeld des Brunnens, seine Stilllegung oder eine Vermischung mit Brunnenwasser aus Vadenrod in Erwägung gezogen, wo die Belastung wesentlich niedriger ist. 35 mg Nitrat pro Liter Wasser in Brauerschwend stehen etwa 5,7 mg/l in Vadenrod gegenüber: Diese Daten stammen von einer Untersuchung der Umwelthygiene Marburg GmbH aus den Jahren 2015 und sind auf der Internetseite der Gemeinde Schwalmtal zu finden. Die Gemeinde Schwalmtal als zuständiger Wasserversorger berichtete, das Wasser in Brauerschwend entspreche ohne jede Einschränkung den Vorgaben der Trinkwasserverordnung. Der Nitratwert lege durchschnittlich bei 35 mg – der jemals höchst gemessene Wert betrage 39,5 mg. Der Grenzwert betrage 50 mg. Außerdem seien die Grenzwerte öffentlich.

„Man bekommt es runter“, allerdings dauere das lang, machte Dr. Dennhöfer den besorgten Brauerschwendern Hoffnung. Die Überdüngung verursache kein Ortsbürger, es werde in Brauerschwend von Auswärtigen sogar angekaufter Dünger aufgebracht, der nicht aus der eigenen Landwirtschaft komme. Am bestehenden Kooperationsvertrag mit den Nutzern der landwirtschaftlichen Flächen arbeiten, riet Dr. Ursula Bernbeck den Betroffenen. Auch eine Ausweitung der Wasserschutzone 1, wo dann die Düngung verboten ist, wurde in Erwägung gezogen. Als mögliche Ursache für die hohe Belastung wurde auch eine frühere wilde Mülldeponie im Bereich Maar/Reuters genannt.

Hohe Nitratwerte in Brauerschwend

Über zwei Stunden nahm die sehr informative und weitgehend sachliche Diskussion über die hohe Nitratbelastung im Brauerschwender Trinkwasser ein. Die Rolle der Landwirtschaft an der Nitratbelastung wurde kontrovers debattiert, denn anwesende Landwirte verwahrten sich gegen alleinige Schuldzuweisungen. Friedel Kappes, ehemals unterlegener Landratskandidat, fürchtete gar durch Defekt oder Anschlag auf den Brunnen bei extrem niedrigen Temperaturen einen Zusammenbruch der gesamten Wasserversorgung und schlug deshalb einen weiteren Brunnen auf gleicher Höhe vor, der im Bedarfsfalle mit Notstromaggregat betrieben werden könne.

Der unterlegene Landratskandidat Friedel Kappes war ebenfalls eifriger Diskussionsteilnehmer. Fotos: lrn

Während Pflanzen Stickstoff zum Wachsen brauchten, so Dr. Dennhöfer einführend, sei es im Trinkwasser ein Problem. Besonders problematisch sei dies für Säuglinge, denn das Nitrat setze sich am Hämoglobin an, und das Kind bekomme nicht genügend Sauerstoff – Erwachsene sollen hingegen in der Regel keinen großen Schaden nehmen. Selbst bei Tiefbrunnen seien die Werte im Lauf der Jahre gestiegen. Zusätzlich zur Überdüngung komme noch hinzu, dass durch den Verkehr Stickstoff aufgebracht werde. „In Brauerschwend sind die Werte recht hoch“, stellte der BUND-Vertreter fest, und „man kann sich auch mit Trinkwasser umbringen“.

Dennhöfer: „Stickstoff ist an sich nichts Schlimmes“

Von den Brauerschwendern wurde moniert, dass bei zehn Bewohnern von insgesamt 530  Einwohnern Nierentumore aufgetreten seien. Betroffen von den Tumorerkrankungen können auch harnableitende Organe sein. Die Ortsbürger machten darauf aufmerksam, dass es im Ort selbst keine Landwirte mehr gebe und dass die Landwirte „nicht kontrolliert werden“. „Stickstoff ist an sich nichts Schlimmes“, stellte Dr. Dennhöfer fest, denn es trete als chemische Substanz auch in der Luft auf. Nitrit könne Körpergewebe verändern. Krebserregende Nitrosamine entstünden etwa zum Pökeln von Lebensmitteln mit Nitrit und damit versehene Produkte sollten nicht erhitzt werden. Während die EU früher einen Richtwert von 25mg/Liter Nitrat unverbindlich angegeben habe, sei in den 80er Jahren der Grenzwert auf  90 mg/l gestiegen, nach einer neuen EU-Verordnung liege der Grenzwert bei 50 mg, der Richtwert sei gestrichen worden. Bis 50 mg/l gelte die Belastung als gefahrlos, für die Zubereitung von Babynahrung im Mineralwasser seien 10mg/l zu empfehlen.

Der BUND-Vertreter machte darauf aufmerksam, dass der Bürger bei den Kommunen beziehungsweise dem Landkreis das Recht darauf habe, sich im Rahmen des Umweltinformationsgesetzes über die Nitrat-Belastung im Trinkwasser zu informieren. Der Biologe erwähnte, dass ein Loch in einer Abwasserleitung oder auch bestimmte Pflanzen, wie Klee, Erbsen oder Ackerbohnen zu einer erhöhten Belastung führen könnten, denn die Wurzelmasse dieser Pflanzen bleibe in der Erde. Die Brauerschwender kritisierten massiv, dass im Bereich des örtlichen Brunnens „viel Gülle ausgebracht wird, auch die Insekten haben sich schon verabschiedet“. Reaktionen darauf sollen allerdings ausgeblieben sein.

Auch hier reagierte die Gemeinde und dementierte, man sei „ganz und gar nicht“ untätig geblieben, sondern habe mehrere sehr grundlegende und mit hohen Kosten verbundene Entscheidungen getroffen, um den Anstieg des  Nitrats zu verhindern beziehungsweise einen Rückgang zu erreichen. „Darüber wurde in der Vergangenheit bereits vielfach und wiederholt informiert“, heißt es in der Stellungnahme.

Besonders diskussionsfreudig und interessiert zeigte sich eine größere Abordnung von Bauerschwender Bürgern, da ein Trinkwasserbrunnen in ihrem Ort bedenklich hohe Nitrat-Werte aufweist.

Brauerschwender wollen Trinkwasserproblem in den Griff bekommen

Anhand verschiedener Belastungswerte im Vogelsbergkreis zeigte der BUND-Vertreter auf, dass die Probleme oft menschengemacht seien. 25 Prozent aller Brunnen legen bei einer Belastung von über 50 Prozent in der Republik, dort seien oft durchlässige Böden anzutreffen, und drum herum gebe es einen hoch landwirtschaftlich genutzten Bereich. „Es müssen die Alarmglocken klingeln“, forderte der BUND-Vertreter, auch im Vogelsbergkreis seien schon Brunnen geschlossen worden, wie in Ohmes oder Reuters. Die betroffenen Menschen meldeten sich: „So geht es nicht weiter“. Ein 2006 mit betroffenen Landwirten in Brauerschwend geschlossener Kooperationsvertrag „bringt kurzfristig kein Erfolg“. Die Verlängerung um weitere zehn Jahre sei für die Brauerschwender keine ausreichende Lösung – immer wieder soll der Satz gefallen sein: „Es wird nichts gemacht“.

Die Nitrat-Belastung im Brauerschwender Brunnen habe wohl mehrere unterschiedliche  Ursachen, die unbedingt angegangen werden müssen, da die Bevölkerung verunsichert sei, und bisher zur Lösung nicht viel getan wurde. Der BUND-Vertreter schlug deshalb auch einen Vor-Ort-Termin vor. Die Brauerschwender, so hatte es den Anschein, wollen weiter intensiv daran arbeiten, das Trinkwasserproblem in ihrem Dorf in den Griff zu bekommen, allein schon zum Schutz der Bevölkerung.

Ein Gedanke zu “Nitratbelastung im Brauerschwender Grundwasser

  1. Auch die Mehrfachnennung, dass in der Gemeinde nicht unternommen würde gegen die hohe Nitratbelastung im Grundwasser von Brauerschwend macht diese Aussage nicht wahrer.
    Fakt ist, dass die Gemeinde sehr viel tut, z.B. den Kooperationsvertrag mit den Landwirten verlängern, damit vernüftige Kontrolle und Beratung stattfindet; den öffentlichen Druck auf den nicht im Kooperationsvertrag integrierten Landwirt erhöhen, damit auch er sich endlich anschließt; eine Information aller Bürger in öffentlichen Veranstaltung über das Kooperationsprojekt; eine Ergänzung der Wasserleitungen, so dass eine vollständige Ringleitung entsteht, die die Chance zur Mischung von Wasser erhält; eine ausführliche Analyse des Vadenröder Brunnens, ob die Kapazitäten ausreichen, um auch Brauerschwend mit zu versorgen; die Entscheidung die Ringleitung über Melchiorsgrund auszubauen, und und …
    In diesem Zusammenhang davon zu sprechen, dass in der Gemeinde nichts getan werde ist schicht falsch

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