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Pressekonferenz zu ankommenden Flüchtlingen – Info-Telefone vorbereitetLandrat: „Das wird den Bürgern alles abverlangen“

VOGELSBERGKREIS. Eines stellte Landrat Manfred Görig gleich zu Beginn der Pressekonferenz fest: „Das ist eine enorme Herausforderung. Sie wird dem Landkreis und den Bürgerinnen und Bürgern alles abverlangen.“ 1015 Flüchtlinge sollen bald im Vogelsbergkreis ankommen und auf vier Turnhallen verteilt werden. Aus welchen Ländern die Menschen kommen und wann sie kommen, das war am Montagvormittag noch völlig unklar. Es könnten nicht die letzten Flüchtlinge sein, für die Im Vogelsberg ein Platz gesucht werden muss. 

Bis 18 Uhr soll heute eine Meldung nach Wiesbaden gehen, dass die Notunterkünfte im Landkreis einsatzbereit sind. Das werde im Laufe des Tages auch geschehen, sagte Görig, der am Donnerstagabend von einem Anruf des hessischen Innenministers Peter Beuth überrascht worden war. Nach dem Warn-Anruf trudelte am Freitagmorgen dann der Einsatzbefehl ein: Der Vogelsbergkreis hat binnen 48 Stunden Notunterkünfte für knapp 1000 Flüchtlinge vorzubereiten.

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Zwei Bürgerversammlungen am Montag und Dienstag

Zwei Bürgerversammlungen auch mit dem Landrat Manfred Görig sollen die Bevölkerung informieren.

Die erste findet bereits am heutigen Montag ab 19.30 Uhr in Alsfeld in der Stadthalle statt. Und die zweite findet am Dienstag ab 18.00 Uhr in der Aula des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Lauterbach statt. Weitere Versammlungen könnten folgen, stehen aber noch nicht fest.

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Hier sollte u.a. über die Flüchtlingsanzahl, bestehende Flüchtlingsunterkünfte, Bedarf
und Vermittlung von Flüchtlingsunterkünften sowie erforderliche Unterstützung
für Flüchtlinge informiert werden. Zudem könnten die Flüchtlingsinitiative Lauterbach
oder andere Einrichtungen ihre Arbeit vorstellen.

Es musste schnell gehen, versucht der Landrat am Montagmorgen vor der Presse zu verdeutlichen. Deswegen fiel die Wahl auf die vier großen Gebäude, auf die der Landkreis schellen Zugriff hatte. Die Sporthalle an der Wascherde in Lauterbach, die Alsfelder Großsporthalle, die Homberger Großsporthalle an der Gesamtschule und in Mücke-Nieder-Ohmen die ehemalige Großsporthalle an der Gesamtschule. Die Hallen sollen auch in der Reihenfolge nacheinander gefüllt werden. Eine Unterbringung in Zelten käme aus „humanitären Gründen nicht in Frage“, sagte Görig am Freitag in einer Pressemitteilung. Die konkreten Zahlen der Betten: Mücke 228, Alsfeld 320, Lauterbach 324, Homberg 238.

„Absolute Ausnahmesituation“

Als die Nachricht über die Belegung der Turnhallen bekannt wurde, gab es teilweise heftige Kritik in den Kommentarspalten der regionalen Medien. Sportvereine wie der TVA bangten gar um ihre Existenz. Denn, auch das wurde bereits am Freitag deutlich gemacht: Die Hallen werden wohl den ganzen Winter belegt sein. Man sei jetzt in einer „absoluten Ausnahmesituation“, sagte der Landrat.

Er könne den Unmut der Vereine und auch der Eltern, deren Kinder nun einen anderen Platz für den Schulsport benötigten, nachvollziehen. Doch am Freitag habe es einfach „andere Prioritäten“ gegeben. Natürlich werde es Einschränkungen geben, doch die seien alle „ausregelbar“, sagte der Verwaltungschef. Die Stadt Reiskirchen habe beispielsweise bereits Ausweichmöglichkeiten für die Vereine angeboten.

Ein Blick in die Runde: Die Pressekonferenz im Dienstzimmer des Landrats.

Ein Blick in die Runde: Die Pressekonferenz im Dienstzimmer des Landrats.

Einige Bürger stellten in den Onlineforen am Wochenende die Frage, warum der Kreis nicht auf leere, ungenutzte Gebäude zurück greife. Die Adolf-Spieß-Halle in Lauterbach, der Standort der nun geschlossenen Spiellandschaft Halligalli in Alsfeld und der leere Toom-Baumarkt in Alsfeld wurden als Beispiele genannt. Man könne nicht im Vorfeld Mietverträge abschließen und die Infrastruktur in den Gebäuden herrichten, wenn man nicht wisse, wann die Busse kommen, sagte der Landrat. „Was würden die Leute sagen, wenn ich die Hallen dann vier Wochen anmiete und nicht brauche?“, fragte er rhetorisch. Die kurzfristige Zuweisung der Flüchtlinge sei ein Problem.

Doch bald Flüchtlinge im alten Toom?

Dabei könne es durchaus sein, dass die leeren Gebäude vielleicht doch bald für Flüchtlinge genutzt werden. Denn bislang ist nicht abzusehen, wie viele Flüchtlinge noch in den Landkreis kommen. Das hängt auch mit dem etwas komplizierten Verfahren zusammen, wie Flüchtlinge verteilt werden. Landrad Görig rechnete vor:

Bereits vor dem Wochenende lebten gut 800 Flüchtlinge im Kreis. 30 Prozent davon in Wohnungen, 70 Prozent in Sammelunterkünften. Dazu kommen bis Jahresende noch 465, die der Landrat in seiner Funktion als Chef des Kreisausschusses bis Jahresende aufnehmen muss. Sie sind die zwei Prozent der Schutzsuchenden in Hessen, die der Landkreis regulär zugeteilt bekommt. Bis Ende Dezember sind das pro Woche gut 50 Flüchtlinge. Dazu kommen noch einmal 94 minderjährige Jugendliche, die ohne Eltern sind. Sie sollen im Kreisjugendheim Landenhausen unterkommen. Und nicht zu vergessen die 1015 Menschen, die nun in den Turnhallen Unterschlupf finden sollen.

Diese Flüchtlinge muss der Landrat nun tatsächlich in seiner Verwaltungsfunktion als Landrat aufnehmen. Das hat ihm das Hessische Innenministerium per Dienstanweisung befohlen. Deswegen trägt auch das Land alle mit der Unterbringung verbundenen Kosten.

Kommt eine Unterkunft für 600 weitere Flüchtlinge?

Es gebe es durchaus die Möglichkeit, dass auf ein bis zwei ungenutzten Liegenschaften im Landkreis noch eine dauerhafte Unterkunft für bis zu 600 Flüchtlinge hinzukäme, deutete der Landrat an. Welche Gebäude oder Grundstücke das genau sein könnten, verriet Görig nicht. Pro Woche kämen 7000 Flüchtlinge in Hessen an, die verteilt werden müssten, sagte er. Allerdings betonte er auch: „Es ist absehbar, dass die Ressourcen endlich sind“.

Die Unterkunft steht: So sah es am Samstag in der Alsfelder Großsporthalle aus.

Die Unterkunft steht: So sah es am Samstag in der Alsfelder Großsporthalle aus.

Derweil wartet man nun in den Turnhallen auf die ersten Busse. Am Wochenende lief  eine ganze Katastrophenschutz-Maschinerie an. Die Ortsverbände des DRK, das THW und die Feuerwehr verwandelten die Sportstätten in ein Zuhause auf Zeit für Menschen auf der Flucht. Feldbetten wurden aufgestellt, Toilettenhäuschen organisiert, 
Arztzelte aufgebaut. Es sei tatsächlich eine Notunterkunft, sagte der Siegfried Simon, Leiter des Amts für Aufsichts- und Ordnungsangelegenheiten des Kreises. In den kommenden Tagen will man sich Gedanken machen, welche Beschäftigungsmöglichkeiten man den Flüchtlingen bieten könne.

„Wir müssen die Grundversorgung hinbekommen“

Beispielsweise sind Container außerhalb der Hallen geplant, in denen Familien sich zurück ziehen könnten. Auch das Problem, wie die Wäsche der Flüchtlinge gewaschen werden könnte, sucht noch noch nach einer Lösung. „Wir müssen erstmal schauen, dass wir die Grundversorgung hinbekommen“, sagte Kreisbrandinspektor Dr. Sven Holland.

Abgesperrt: Der Eingang der Alsfelder Großsporthalle hinter einem grünen Sichtschutz. Ein Wachmann steht bei dem Tor.

Abgesperrt: Der Eingang der Alsfelder Großsporthalle hinter einem grünen Sichtschutz. Ein Wachmann steht bei dem Tor.

Ein wichtiges Thema: die Sicherheit. Ein Wachdienst, der vom Land ausgesucht, zertifiziert und überprüft sein soll, bewacht die Hallen. Bauzäune mit grünem Sichtschutz schirmen die Areale ab. Auch Journalisten haben spätestens seit Montag keinen Zutritt mehr. Auf die Frage, warum die Presse nicht aus den Unterkünften berichten dürfte, verwies der Landrat ans Innenministerium. Das stehe nunmal so im Einsatzbefehl.

Das Essen soll für eine vier Einrichtungen von einer Großküche aus dem Raum Fulda kommen, die vom Veterinäramt am Wochenende bereits überprüft wurde. Bei solchen Größenordnungen müssen wir schon gewisse Standards einhalten“, sagte Siegfried Simon. Im übrigen sei man froh, überhaupt einen Caterer gefunden zu haben, der am Wochenende erreichbar gewesen ist und solche Mengen liefern könnte. Die Feldbetten stammen aus der Landesreserve des DRK in Fritzlar. Die Reinigung der Unterkünfte soll eine externe Firma übernehmen.

Ausnahme im Regelbetrieb

Der Landrat dankte mehrfach seiner Verwaltung und den vielen ehrenamtlichen Helfern, die man „bis aufs äußerste strapaziere.“ Er schmunzelte ein wenig, als er auf den Kollegen verwies, der am Wochenende wegen der Flüchtlingsaufnahme den Katastrophenfall ausgerufen hatte. Passiert ist das im Main-Taunus-Kreis. „Obwohl das eine Ausnahme ist fahren wir im Regelbetrieb“, sagte Görig. „Es ist eine Lage unterhalb der Katastrophenschwelle“, sagte Siegfried Simon.

Letzte Vorbereitung an der Sporthalle an der Bleiche in Lauterbach: Radlader und LKW sind vor Ort, Bauarbeiter präparieren den Boden.

Letzte Vorbereitung an der Sporthalle an der Bleiche in Lauterbach: Radlader und LKW sind vor Ort, Bauarbeiter präparieren den Boden.

Löst ein Landkreis den Katastrophenfall aus, gibt es ganz andere Regeln, wie Probleme gelöst werden können. Beispielsweise können Bestandteile des Baurechts ignoriert werden. Auch die Freistellung ehrenamtlicher Helfer ist einfacher, da die Betriebe schlicht weg dazu verpflichtet werden können. Im Vogelsbergkreis will man dagegen weiterhin auf die Freiwilligkeit der Unternehmen setzen, die Helfer freizustellen. Wie bei anderen Einsätzen wie Bränden oder Unfällen bekommen die Firmen aber auch in diesem Fall eine Entschädigung.

Die Helfer des Vogelsbergs haben bereits Erfahrung in Sachen Flüchtlingsbetreuung: DRK-Ortsverbände und die Feuerwehr haben ihre Kollegen in Offenbach und Stadtallendorf mehrere Tage unterstützt. „Das hat unseren Leuten sehr geholfen“, sagte Kreisbrandinspektor Dr. Sven Holland auf der Pressekonferenz.

20 Personen sollen vor Ort sein

Waren beim Aufbau viele Hände nötig, so sollen nun im Regelbetrieb mindestens 20 Personen in den Hallen zu jeder Zeit vor Ort sein. Der Landrat will versuchen, so viel wie möglich in die Hände der hauptamtlichen Mitarbeiter zu geben. „Doch wir werden unsere Ehrenamtlichen weiterhin brauchen“, sagte der Landrat.

Wer nicht in einer Hilfsorganisation tätig ist und trotzdem helfen möchte, der möge sich bitte an die jeweilige Stadtverwaltung wenden, hieß es auf der Pressekonferenz. Die Verwaltungen vor Ort sollen die Freiwilligenarbeit organisieren. Sachspenden seien willkommen, allerdings, so bittet der Landrat, sollte man von Lebensmittelspenden absehen. Hygienevorschriften würden es verbieten, dass Dinge wie selbstgebackene Kuchen an die Flüchtlinge weitergegeben werden könnten.

Infotelefone geschaltet

Informationen rund um die Unterbringung der Flüchtlinge, zu Hilfegesuchen und vielen anderen Fragen, soll es bei mehreren Infohotlines und -E-Mail-Adresse geben, die spätestens ab Morgen früh alle geschaltet sind. Das sind:

Bürgertelefon des Vogelsbergkreises:

Telefon 06641 / 977-4000

8.00 bis 20.00 Uhr

 

Lauterbach:

Bürgertelefon 06641 / 184 – 444

fluechtlinge@lauterbach-hessen.de

Alsfeld:

Bürgertelefon 06631 / 182 – 152

Ordnungsbehoerde@stadt.alsfeld.de

Mücke:

06400 / 9102 – 27 (Herr Kern oder Herr Schultheiß)

fluechtlingshilfe@gemeinde-muecke.de

Homberg:

06633 / 184 – 42 (Familienzentrum der Stadt Homberg)

stadt@homberg.de

 

Von Juri Auel  – mehr über den Autor 

 

4 Gedanken zu “Landrat: „Das wird den Bürgern alles abverlangen“

  1. Augen zu in den Abgrund.
    Ich muss doch nur eins und eins zusammenzählen.
    Aber es gibt Hoffnung. Hier einige Pressemitteilungen:
    Streit um Flüchtlingspolitik  
    Magdeburger OB tritt aus SPD aus.
    Kommunen erklären das Boot für voll
    „Das Konfliktpotenzial ist enorm“
    Die Angst der Gemeinden vor Überforderung
    Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung schwindet

  2. Die „echten“ Flüchtlinge keine Frage verdienen Hilfe aber jahrelang wird zu geschaut wie ein halber Kontinent destabilisiert wird und dann stellt sich jemand der noch nie richtig gearbeitet hat hin und fordert die Bevölkerung auf Verständnis zu zeigen
    Unglaublich wie viele Steuerzahler mit Mindestlohn und anderen Dingen drangsaliert werden
    Und für alles selbst aufkommen muss da fragt keiner ob und wie man das schafft
    Diese politische Leistung führt zum Niedergang unseres maroden verlorenen systems

    Was haben denn unsere mMachthaber bisher geleistet Ausser die last abzuwelzen
    ¿????

    Ich bin es leid
    Aber wenn ich abgeriegelt leben würde wäre mir das auch wohl möglich egal

    Weiter so da merkelt das Volk (selbst die wohlhabenden ) früher oder später was los ist
    Aber es gibt ja ne rentenerhöhung

    Das sorgt für Ruhe

    Ich habe keinen Amtseid abgelegt
    Gegen den ich täglich vorsätzlich Verstöße
    Wird eh nicht geahndet
    Weiter so
    Danke
    Ein Steuerzahler

  3. Wenn wir schon helfen wollen /müssen, dann wäre eine andere Unterbringungen besser gewesen.
    Wie z.B. der alte Toom Markt. Hätte man hier die sanitären Anlagen neu hergerichtet, wäre das mindestens genauso teuer gewesen, wie später mal die komplette Sporthalle zu renovieren.
    Und!!!!!! Die Kinder würden weiterhin ihre Sportstunde haben. Es gäbe dann auch keine Stundenplanänderungen usw.
    Nicht zu vergessen, was es für alle Vereine heißt, die nun nicht mehr diese Halle nutzen können und so auch große finanzielle Belastung tragen.
    Mein Gott…….anderen geht es gut und wir treten ständig weiter zurück. Schade…..das bringt halt auch Unfrieden unter unseren Bürgern.

  4. Wenn ich lese der Einsatzbefehl kam ……
    Befehl und Gehorsam das kennen wir. Aber keiner von den Befehlsempfänger wir sich ausreden können. Das hat Ausmaße angenommen die mir und jeden Deutschen Angst machen sollte.Jeder den es nicht unmittelbar betrifft denkt „was für ein Glück“ und schlägt weitere Einrichtungen vor, in der Erwartung dass nicht anders entschieden wird (nur nicht bei mir).Es werden Sicherheitsfragen um die Flüchtlingsunterkunft besprochen! Wo bleibt die Sicherheit der Bevölkerung? Für mich ist auch erschreckend dass alle bürgerlichen Parteien das zu verantworten haben. Jeder von den politisch Verantwortlichen soll sich mal den Eid den er abgelegt hat noch mal vorlesen lassen. Was in den Flüchtlingsheimen passiert ist doch jeden Tag zu lesen! Befehle können auch verweigert werden und Gesetze auch geändert.

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