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Paules Vorschlag für einen ausgeglichenen Haushalt: drastisch angehobene SteuernEs macht Sinn, dass alle zusammenlegen

MEINUNG Es dauerte nicht lange, nachdem Oberhessen-live mit der Nachricht von der drastischen Steuererhöhung in Alsfeld in die Öffentlichkeit gegangen war, dass die Diskussion darüber begann, geteilt zwischen den zwei Grundansichten: „Mit dem Geld der Bürger kann man es ja machen“ einerseits. Und andererseits der Einsicht, dass diese Maßnahme notwendig sei, um das Dilemma zu beheben – manchmal mit etwas Wut über frühere Versäumnisse in der Alsfelder Stadtpolitik.

Schon die Tatsache, dass so heftig diskutiert wird zeigt: Es braucht einigen Mut zu tun, was Bürgermeister Stephan Paule gestern Abend in der Stadtverordnetenversammlung tat: Er stellte einen Haushaltsplan vor, der deswegen nach Jahren mal wieder ausgeglichen ist, weil da über eine Million extra-Einnahmen von den Bürgern enthalten sind. Die entstehen durch eine Anhebung der Grund- und Gewerbesteuern wie sie sich noch kein Bürgermeister seit der Kommunalgebietsreform 1972 getraut hat. Um fast 50 Prozent schnellen die beiden Grundsteuern hoch – zu zahlen von allen Einwohnern. Von  Hauseigentümern sowieso, aber die dürfen auch auf Mieter umlegen. Damit steht Alsfeld im Kreis einsam an der Spitze – noch!

Kommune ohne Geld: handlungsunfähig

Darüber mag sich nun mancher empören. Aber tatsächlich war dieser unpopulär anmutende Schritt eigentlich schon länger fällig. Sich anhäufende Haushaltsdefizite bedrohen die Handlungsfähigkeit einer Kommune. Und wem dieser Begriff zu abstrakt ist, der schaue einmal auf die Auswirkungen: Eine aus Finanznot handlungsunfähige Stadt muss Einrichtungen schließen, die den Einwohnern lieb sind – von der Bücherei bis zum Schwimmbad – kann Gemeinschaften nicht mehr unterstützen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten – Vereine oder gemeinnützigen Einrichtungen. Und kann überhaupt auch soziale Belange nicht mehr fördern: zum Beispiel die Jugendpflege, die Kinderbetreuung, bei denen auch Alsfeld mehr drauflegt, als vom Gesetz gefordert. Gebäude verfallen, Straßen gammeln… Und so weiter. Alles Dinge, die den Einwohnern durchaus wichtig sind, wenn man danach fragt.

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In einem weiteren Beitrag beantwortet Bürgermeister Paule Fragen zu dem Thema

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Deshalb macht es durchaus Sinn, dass alle zusammenlegen, wenn der Karren so tief im Dreck steckt, wie der Alsfelder es tut. Und weil auf diesem Wege alle zusammenlegen, fällt die Last für den einzelnen auch gar nicht unzumutbar aus, meine ich. Glaubt man Bürgermeister Paule, sind die meisten Haushalte mit Beträgen von 7,8 bis 15 Euro monatlich dabei. Ich persönlich wohl auch so mit acht Euro als Mieter. Wie viel macht denn das in der liebsten „Währung“? 15 Euro sind die Hälfte einer normalen Internet-Flatrate, von denen manche Haushalte gleich fünf Stück bedienen. Dafür bekommt man neun Liter Benzin, mit denen das SUV 90 Kilometer weit fahren könnte. Das sind die höheren Abgaben. Ist das zu viel? Es gibt sicherlich Menschen, für die diese Summe tatsächlich eine Hürde darstellt. Aber ich schätze, die allermeisten, die nun meckern, gehören nicht dazu.

Wir dürfen auf die politischen Diskussionen in den kommenden Wochen gespannt sein, bis der Haushalt verabschiedet ist. Bislang handelt es sich im Grunde nur um einen Vorschlag des Bürgermeisters. Der muss in Abstimmungen Bestand haben.

Noch ein Wort übrigens zur Geschichte der Alsfelder Verschuldung. Da ist in manchen Kommentaren schnell ein Schuldiger gefunden: ex-Bürgermeister Herbert Diestelmann. Der abgesetzte Verurteilte. Herbert Diestelmann hat für seinen Umgang mit Steuergeldern eine Strafe bekommen – Verursacher der Alsfelder Finanznot ist er aber auch nicht, zumindest nicht alleine. Wer sich die Geschichte der Alsfelder Schuldenmacherei anschaut, der sieht: Der Keim lag schon in den „Modellstadt“-Investitionen der Siebziger, als die ersten Millionen verbaut wurden. In dem Stil machte man weiter – lange schon vor Diestelmann – weil man damals darauf vertraute: Es geht so schön weiter wie gehabt. Die Stadt hatte das Geld – oder zumindest die Aussicht, dass es wieder reinkommt. Aber dann: die Wende, die Solidarität, die Rezession, neue kommunale Aufgaben. Größere Ausgaben stießen auf kleinere Einnahmen – nichts mehr mit Rückzahlung. Aber die hohen Kredite drückten und drückten und so weiter. In der Zeit entstanden jedenfalls viele Einrichtungen, auf die Alsfeld nicht mehr verzichten möchte. Auch deshalb macht es Sinn, dass nun alle zusammenlegen, damit die Haushaltskasse wieder stimmt.

Von Axel Pries

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