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Bewusstsein schaffen, Netzwerke vertiefen, Mitwirkende aktivierenGute Resonanz bei erstem „Welthospiztag“ auf dem Lauterbacher Marktplatz

LAUTERBACH/VOGELSBERG (ol). Beim ersten „Welthospiztag“ in Lauterbach präsentierten die Mitglieder des Palliativ- und Hospiznetzes der Region Vogelsberg kürzlich ihre Angebote für Sterbende und deren Angehörige. Die Veranstaltung stieß auf eine positive Resonanz und ermöglichte es, Netzwerke zu vertiefen und Mitwirkende zu aktivieren.

Das Ende des Lebens ist nach wie vor kein Thema, mit dem Menschen sich gerne beschäftigen. Umso interessanter, wenn es Menschen gibt, die dies haupt- oder ehrenamtlich tun, allein aus dem Grund, Menschen am Ende ihres Lebens einen Abschied in Würde zu ermöglichen, vielleicht sogar, wie sie ihn sich wünschen.

Auf genau diese Menschen, diejenigen, die helfen und lindern, machte am Samstag laut einer Pressemitteilung der Stiftung Lichtermeer der Welthospiztag aufmerksam. Erstmals hatte sich zu diesem international begangenen Tag auch die Akteure des Palliativ- und Hospiznetzes der Region Vogelsberg zusammengetan. Sie stellten auf dem Marktplatz in Lauterbach ihre Angebote vor, die für Sterbende wie deren Angehörige eine große Erleichterung sein können, heißt es. Und sie standen alle bereit für Gespräche und Informationen.

Ein gut bestückter Buchtisch lud zum Weiterdenken ein und wer wollte, konnte bei den Landfrauen aus Bermutshain seinen Mittags- und Kuchenhunger stillen. Die Sonne hatte sich wider Erwarten auch hinzugesellt und strahlte, als Hildegard Schwarz eine wunderschöne Patchwork-Decke gewann, die vom Alsfelder Stoffreich zur Verfügung gestellt wurde und 320 Euro in die Vereinskassen spülte.

Als fachliche Einrichtungen waren an diesem Tag das Palliativteam Waldhessen, der Hospizverein Alsfeld der Ambulante Hospizdienst Vogelsberg, der Verein in Gründung „Helles Haus“; das Bestattungsunternehmen Flach, die Palliativkoordination des Vogelsbergkreises und die Stiftung Lichtermeer vertreten. Das Anliegen der Stiftung ist es seit zwei Jahren, ein stationäres Hospiz in den Vogelsberg zu holen und die Akteure im Hospiz- und Palliativwesen zu vernetzen, Synergien zu finden und ihre Arbeit in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Mit der Teilnahme am Welthospiztag ist Letzteres einmal mehr gelungen, hieß es.

Dr. Jens Mischak, Erster Kreisbeigeordneter und zukünftiger Landrat, ließ es sich nicht nehmen, die Gäste an den Ständen vor dem Rathaus zu begrüßen. Er hob hervor, wie bedeutend die Arbeit sowohl der Haupt- als auch der Ehrenamtlichen für die Menschen in der Region sei und dankte ihnen für ihren Einsatz. Des Weiteren verwies er auf die noch recht neue Stelle der Palliativkoordination im Kreis. Dies zeige, dass der Vogelsbergkreis die Bedeutung dieses Themas erkannt und umgesetzt habe.

Ein herausragender Programmpunkt dieser Veranstaltung sei die Lesung von Prof. Edgar M. Böhlke gewesen. Der bekannte Schauspieler las aus dem Buch „Das Feld“ von Robert Seethaler und nahm die Zuhörinnen und Zuhörer mit auf einen Friedhof, auf dem die Toten ihr Leben Revue passieren ließen und ihren Blick darauf als Tote schärfen. Was bleibt von einem Leben? Das fragt der Autor in einer klaren Sprache, die die Menschen einfängt und berührt. Diese Stimmung fing Böhlke auf ganz besondere Weise ein. Die Gäste folgten ihm atemlos in die Geschichten der Toten, so hieß es.

Untermalt wurde der Tag durch unaufgeregte schöne akustische Musik, die die Sängerin und Gitarristin Maria Lang zwischen den einzelnen Programmpunkten vortrug. Auch sie begeisterte das Publikum und unterstrich die Idee der Akteure, dass Sterben und Tod nicht nur zum Verzweifeln sind, sondern dass man darüber reden, manchmal sogar lachen kann, hieß es weiter.

Was genau die Mitwirkenden in den Palliativeinrichtungen antreibe, das fragte Dr. Thomas Sitte (Vorsitzender der Deutschen Palliativstiftung und Palliativmediziner) in einer sehr interessanten, einstündigen Gesprächsrunde die Palliativmedizinerin Dr. Ines Josek, die Vorsitzende des Vogelsberger Hospizdienstes Heide Fink, Tanja Bohn, Gründerin der Lichtermeer-Stiftung, und Dr. Sigrid Stahl von der Fachstelle Gesundheitliche Versorgung im Vogelsbergkreis, zu der auch die Palliativkoordinatorin gehört. Dass mit den vier Engagierten ausschließlich Frauen auf dem Podium saßen, spiegelte sich auch im Publikum wider: „Hospizarbeit ist weiblich“, stellte Sitte fest. Gleichzeitig warben insbesondere die Vereine, die Hospizbegleiter ausbilden, um männliche Teilnehmende. Ein Blick auf ihre Motivation und den Arbeitsalltag mache deutlich, dass der Einsatz sowohl der Haupt- als auch der Ehrenamtlichen nicht nur fordernd, sondern auch sehr bereichernd sei. Die gute Stimmung, die während des Gesprächs herrschte, zeigte einmal mehr, dass die Beschäftigung mit dem Tod nichts Morbides hat, sondern als Teil des Lebens wie die Geburt dazugehört, heißt es.

Die Frauen berichteten von unterschiedlichen Wegen zu ihrem Engagement – was sie einte, war der Wunsch, Sterbende nicht allein zu lassen. Ihnen zu geben, was sie brauchen, sei es in medizinscher Hinsicht als auch in sozialer: Während die medizinischen Leistungen des Palliativteams verordnet werden und somit eine Kassenleistung seien, arbeiteten die Hospizvereine ehrenamtlich. Sie sitzen bei den Sterbenden, sprechen, hören zu und schweigen. Sie nehmen Angehörigen ab und an die Last der ständigen Anwesenheit von den Schultern und sie begleiten diese auch nach dem Tod, so die Vertreter. Ein neueres Angebot der Vereine sind „Letzte-Hilfe-Kurse“. „Diese Angebote gibt es für alle Menschen im Vogelsberg. Man muss es nur wissen und sollte sie unbedingt in Anspruch nehmen“, betonte Heide Fink.

Für die Zukunft des Palliativwesens im Kreis wünschen sie sich gute, motivierte Pflegekräfte, mehr Bewusstsein über den eigenen Tod, den Mut, sich begleiten zu lassen und den weiteren Ausbau des Netzwerks, heißt es abschließend.

Fotos: Schlitt

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