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Harald Lesch sprach im Rahmen der Alsfelder Kulturtage über Klima und Energie in unsicheren Zeiten.Vom „Wir im Vogelsberg“ zur Energiewende für Deutschland

ALSFELD (ol). „Klima und Energie in unsicheren Zeiten“ – nicht nur das brisante Thema hatte am Samstagabend 400 Menschen in die Alsfelder Stadthalle gelockt, es war viel mehr der prominente Redner, den das Team der Alsfelder Kulturtage für einen Vortrag im Rahmen der 6. Alsfelder Kulturtage hatte gewinnen können: Harald Lesch, gebürtiger Nieder-Ohmener, war in seine alte Heimat gekommen und nahm sein Publikum mit auf eine Reise in die Welt des Energiesparens und Abschieds von allen fossilen Brennstoffen.

Er zeigte auf, welche Rolle gerade der ländliche Raum bei der Energiewende spielen kann, und er tat dies auf seine unnachahmliche Art so, dass alle Zuhörer ihm folgen konnten, dass trotz der Ernsthaftigkeit des Themas der Humor nicht zu kurz kam und er ließ nicht nur seinen alten oberhessischen Zungenschlag einfließen, sondern er erwies sich auch als nationaler und internationaler Dialektkünstler.

Dr. Walter Windisch-Laube, stellvertretender Vorsitzender der Alsfelder Kulturtage, freute sich gemeinsam mit dem Publikum auf einen unterhaltsamen und wissensreichen Abend.

Menschheit hat zur Energiewende keine Alternative

Die Botschaft des Astro-Physikers, Fernsehmoderators und selbsternannten „Handlungsreisenden in Sachen Energiewende“ indes war klar: Die Menschheit hat zur Energiewende keine Alternative. Und: Die Energiewende ist möglich.

Dass man jetzt da stehe, wo man dringend, dringend handeln müsse, begründete Lesch damit, dass die Menschen mit der Nutzung fossiler Brennstoffe tief in die Erdgeschichte eingegriffen habe, ohne auf die Konsequenzen zu achten – dies gelte sowohl für fossile Brennstoffe als auch für die Atomenergie. Diese sei weder grün noch günstig, betonte der Wissenschaftler und bat die folgende Generation um Entschuldigung für den ganzen Atommüll, den man ihr hinterlasse: „Wir haben es vergeigt.“

400 Menschen hörten in der Alsfelder Stadthalle den Ausführungen Harald Leschs zu. Foto: Tobias Gremmel

Dass die Energiewende möglich ist und dass Gegenden wie „unser Vogelsberg“ davon mehr als profitieren können, zeigte Lesch anhand der bayrischen Gemeinde Wilpodsried auf. In dem Energiedorf wird mittels erneuerbarer Energie ca. achtmal so viel Strom erzeugt, wie es selbst benötigt. Das Dorf ist somit reich geworden, die Infrastruktur konnte in herausragendem Maß für alle Menschen verbessert werden.

Leschs Credo: „Wir müssen schauen, dass wir die Menschen vor Ort finanziell von der Energiewende profitieren lassen.“ Genossenschaften, Bürger-GmbHs, kommunale Investitionen – all das könne einen Landstrich wie den Vogelsberg florieren lassen: „Deutschland hat die Kraft und das Know-how, hier Vorreiter zu sein.“

Ein Problem sei allerdings, dass für den Ausbau der Windenergie, die Lesch als maßgeblichen Faktor der Energieversorgung der Zukunft sieht, so viel Manpower, also Arbeits- und Handwerkskraft benötigt werde, wie sie aktuell nicht zur Verfügung stünde. Er plädierte dafür, Menschen zu ermutigen, wieder mehr mit den Händen zu arbeiten als nur mit den Köpfen und am Computer.

Zeit, das „Wir“ wieder zu entdecken

Die von der Regierung beschlossene Energiewende geht dem Physiker zu langsam voran: Nur 15 Prozent der Energie werde schon aus nichtfossilen und nicht atomaren Quellen gewonnen, der größte Lieferant sei Biomasse, was auch nicht zufriedenstellend sei. Lesch beklagte auch, dass der Anteil an erneuerbarer Energie rückläufig statt aufsteigend sei. Allein mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien – noch dazu in dem Tempo – sei die Energiewende keinesfalls zu schaffen.

Die zweite große Voraussetzung dafür sei daher das Einsparen von Energie. Obwohl die Energieeffizienz von Geräten und Automobilen immer weiter verbessert werde, machten die Menschen diesen Gewinn dadurch nichtig, dass sie einfach immer mehr Geräte nutzten. Großes Einsparpotenzial sieht Lesch im Tempolimit. Er bedauerte, dass die Chance, dieses jetzt einzuführen, erneut vertan wurde. Jeder, jeder kleine Einsparschritt im Alltag sei wichtig und ein Erfolg, so Lesch.

Mit Blick auf die aktuelle Situation in der Energieversorgung, mahnte er den Umstieg einmal mehr an: Man könne sich nicht von Lieferanten abhängig machen, „die durchdrehen“, sagte er. Und machte Mut: „Wir können eine neue Republik werden.“ Doch darum müssten sich alle kümmern. Jetzt sei es an der Zeit, das „Wir“ wieder zu entdecken und von dem lange gelebten „Me, Myself and I“ wieder zurück zur Gemeinschaft zu finden.

Redefreudiges Publikum, viele Antworten von Lesch

Er lobte das Ehrenamt, insbesondere diejenigen, die sich bei Feuerwehr, THW und Katastrophenschutz für Menschen einsetzten. „Wenn wir uns füreinander einsetzen, eigene Interessen zurückstellen und gemeinsam an der Idee arbeiten, können wir etwas bewegen.“ Dazu zählte Lesch ausdrücklich auch, die Stadt-Land-Beziehungen: Der ländliche Raum, werde als grüner Stromlieferant für die Metropolen wichtig werden. Dass dann hier die Windräder stehen, die die Städte mitversorgen, sei vielleicht nicht schön, aber wichtig und machbar, wenn die Regionen auch wirtschaftlich davon profitieren könnten.

Harald Lesch: Experte mit Anliegen, Humor und einem Riesenwissen. Foto: Tobias Gremmel

Zur Illustration seiner Ausführungen hatte Lesch verschiedene Statistiken mitgebracht: Stromverbrauch des Einzelnen, Stand der Energiewende, Erderwärmung – er riss viele Themen an in seinem Vortrag und der anschließenden Fragerunde. Das Publikum war redefreudig und Lesch gab Auskunft. Einzig Vertreter der kommunalen Gremien schienen Leschs Ausführungen nicht zu interessieren: Weder aus dem Rathaus noch aus dem Landratsamt wurden Vertreter gesehen.

Der Vortrag von Harald Lesch fand im Rahmen der Alsfelder Kulturtage statt und wurde unterstützt vom Weltladen Alsfeld, der das Catering machte, und vom klimafairein, der seinen fairkaufswagen präsentierte. Harald Lesch unterstützt den klimafairein und verzichtete zu dessen Gunsten auf ein Honorar.

Ein Gedanke zu “Vom „Wir im Vogelsberg“ zur Energiewende für Deutschland

  1. Jeder muss seinen Beitrag leisten. Da hier ein Wissenschaftler sprach, muss man auch mal diese Seite beleuchten.
    Es steht uns viel mehr Sonnenenergie zur Verfügung, als wir tatsächlich benötigen. Das Problem ist also eher technologischer Natur, beispielsweise der Speicherung von Energie.
    Wir bauen aber in unsere modernen Autos Lithiumbetterien ein, deren Technologie es bereits vor 30 Jahren gab.

    Die Wissenschaft ist für die Verteilung der Gelder und Ausrichtung der Forschung verantwortlich. Warum hat man nicht schon vor 40 begonnen in Technologie zu investieren? Stattdessen wurde die Klimamodellierung zur Modedisziplin. Wer selbst in der Wissenschaft arbeitet, der kennt die Antwort sofort! Natürlich ist es einfacher seinen Doktor mit Klimamodellierung zu machen, als an Brennstoffzellen zu arbeiten.
    Die Wissenschaft selbst trägt eine große Mitschuld an der heutigen Klimamisere.

    Deshalb sollte man seinen Frust über den schleppenden Fortschritt beim Klimaschutz nicht nur bei den Politikern und schon gar nicht bei denen ablassen, denen man ein Windrad in den Vorgarten stellen will.

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