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Dr. Günther Hoegg referierte an der AvH zum Thema „Wie Kinder denken und wie man sie führt“Wenn ein Monat ein Jahr ist und was man abends als Letztes tun sollte

LAUTERBACH (ol). Zum wiederholten Mal bereits war Dr. Günther Hoegg Gast an der Alexander-von-Humboldt-Schule in Lauterbach, wo er sowohl vor der Lehrer- als auch der Elternschaft über kindliche Psyche und Wege zum Erfolg referierte.

Die Frage, ob man einen Vortrag von Dr. Günther Hoegg verpassen darf, beantwortet Joachim Gerking, stellvertretender Schulleiter und Pädagogischer Leiter der Alexander-von-Humboldt-Schule in seinen einleitenden Worten mit einem „Natürlich nicht“, denn wie Hoegg später ausführen würde, ist ein einfaches „Nein“ zu schwach, wenn man eine klare Antwort geben möchte. Das Lauterbacher Gymnasium, so heißt es in der Pressemitteilung, hatte nun zum wiederholten Mal mit Dr. Günther Hoegg einen Experten in Sachen Lern- und Hirnforschung an die Schule geholt und neben den Lehrkräften auch die Eltern an dessen Erkenntnissen teilhaben lassen.

„Unsere Schule arbeitet intensiv daran, ein lernwirksames Unterrichtsklima herzustellen“, führte Gerking aus, der im Schulleitungsteam für die Unterrichtsentwicklung zuständig ist. „Besonders wirksam können unsere Bestrebungen sein, wenn Eltern und Schule an einem Strang ziehen“, so Gerking, der sich sehr erfreut zeigte, dass so viele Eltern der Einladung zu dem Vortrag gefolgt waren.

Was Kinder wollen

Auch der Referent, Experte im Schulrecht, Lehrer und Absolvent verschiedener Psychologie-Seminare, unter anderem bei Hirnforscher Gerhard Roth, war beeindruckt davon, dass nicht wenige Menschen sich den Montagabend für ihn Zeit nahmen. Das kam nicht von ungefähr, schließlich versprach Hoegg, der von sich selbst sagt, ein schwieriger Schüler gewesen zu sein, nicht weniger als einen tiefen Einblick in die Denkweise von Kindern und Tipps, wie man Kinder trotz ihrer intrinsischen Widerstände zu einem – schulischen und beruflichen – erfolgreichen Leben führen kann.

Kinder wollten, so die erste Feststellung, der viele Eltern zustimmen konnten, möglichst viele Freiheiten haben und möglichst wenig arbeiten. Eltern hätten die Aufgabe, dies zu steuern, so Hoeggs Ansatz. Er führte das Marshmallow-Experiment von Walter Mischel an, nach dem Menschen, die bereits als Kinder bereit waren, sich zu disziplinieren und auf ein besseres Ergebnis hinzuarbeiten, auch als Erwachsene im Beruf erfolgreicher waren als diejenigen, die der schnellen Belohnung der Vorzug gaben.

Zeit sei ohnedies für Kinder ein anderer Wert als für Erwachsene: Da sie ihr ganzes Leben noch vor sich hätten und jeden Tag viele neue Einflüsse sammeln und verarbeiten müssten, erscheine ihnen – im Gegensatz zu den Erwachsenen – die Zeit ewig: Eine Woche wie ein Monat, ein Monat wie ein Jahr. Eine anstehende Prüfung, eine in einem halben Jahr gefährdete Versetzung erschrecke sie demnach nicht und führe in der Konsequenz zu Last-Minute-Learning, das nicht effektiv sei.

„Nur häufige Wiederholung führt zum Erfolg“, so Hoegg, der überdies erklärte, dass sich das über Nacht festige, was man als Letztes vor dem Schlaf getan habe: Lernen sei da deutlich besser als fernsehen oder Computer spielen. Stetige Wiederholung signalisiere dem Gehirn außerdem, dass es sich um etwas Wichtiges handelt.

Hoeggs: „Kinder wollen Emotionen spüren“

Auch das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern beleuchtete der Experte: Kinder würden ihren Eltern häufig nicht die Wahrheit sagen, wenn es um unangenehme Dinge gehe. Dies sei keine Boshaftigkeit, sondern beruhe darauf, dass sie einfach gemocht werden und ihre Eltern nicht enttäuschen wollten. Grundsätzlich hätten Eltern aber die Aufgabe, aus ihrem Erfahrungsschatz heraus zu beurteilen, was besser für ihre Kinder ist: Lernen mit Musik gehe nicht, Multitasking gehe nicht – hier gehe es darum, klare Führung zu zeigen, damit Kinder wüssten, dass sie nicht zum wiederholten Mal nachfragen brauchen, ob das Gesagte auch wirklich gilt.

Das höre sich streng an, könne aber dennoch wirksam sein, wenn das Kind wisse, dass man es mag, dass man sich freut, wenn es heimkommt, dass man es wertschätzt. „Kinder wollen Emotionen spüren“, so eine Erkenntnis Hoeggs, „und sie spiegeln diese Emotionen.“ Schlecht gelaunte, gestresste Eltern träfen demnach auch auf schlecht gelaunte, gestresste Kinder. Was außerdem hilfreich sei im Familienalltag, seien Rituale: Ein gemeinsames Essen am Tag biete eine sichere Anlaufstelle und Anlass zum Gespräch.

Dass Kinder in der Regel ständig versuchten, auszuloten, wie weit sie gehen könnten, sei eine weitere Herausforderung im Umgang mit ihnen. Sowohl Eltern als auch Lehrerkräfte müssten sich damit auseinandersetzen und diesen Versuchen klare Ansagen mit einem disziplinarischen Ablauf entgegensetzen. Ständiges Ermahnen ohne Konsequenz sei wirkungslos, so die Erfahrung Hoeggs. Reaktionen und Sanktionen auf Störungen müssten außerdem schnell erfolgen, denn die Wirkung lasse pro Sekunde um fünf Prozent nach.

Ganz offensichtlich hatte der erfahrende Pädagoge viele Bereich des familiären Alltags gestreift und geschildert. Nicht selten gab es von Seiten der Eltern ein Nicken des Wiedererkennens. Wie gut die Umsetzung von Hoeggs Vorschlägen gelingt, hängt von jeder und jedem Mitwirkenden ab. Ganz klar jedoch stellte Hoegg heraus: „Eltern ärgern ist nicht das erklärte Tagesziel von Kindern. Nehmen Sie es nicht persönlich.“

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