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Kabarettistin und Pädagogin Jutta Wimmer referierte an der AvH online über „Lernlustkiller“Von „Zuvielisation“ und „Quick-Shitty-Drafts“: die besten Tipps für gutes Lernen

LAUTERBACH (ol). Nicht nur in Fachkreisen ist Jutta Wimmer, die Psychologie, Pädagogik und Soziologie studierte, als brillante Vortragsrednerin bekannt. Seit Jahren bereits füllt sie Hallen mit ihren kabarettistischen und doch lehrreichen Darbietungen zu vielen Themen der Persönlichkeitsentwicklung. Mit ihrem Programm „Lernlust statt Lernfrust“ wurde sie bereits in vielen Schulen begeistert aufgenommen – nun kam sie auch nach Lauterbach, wenn auch digital.

Corinna Kraus, Lehrerin mit dem Arbeitsschwerpunkt Lernen lernen, Zeitmanagement für Lernende und Unterrichtsentwicklung an der Alexander-von-Humboldt-Schule, hatte auf das Angebot, das von Jutta Wimmer an alle Schulen gegangen war, reagiert und die Schulgemeinde dazu eingeladen. In einem anderthalbstündigen Online-Vortrag nahm Wimmer – selbst Mutter eines Sohnes – die Zuhörerinnen und Zuhörer, die aus der ganzen Republik und dem angrenzenden Ausland zugeschaltet waren, mit auf einen Ausflug zu den „10 größten Lernlustkillern“, von denen sicherlich viele Eltern ein Lied singen können, auch wenn das Format Online-Vortrag nur wenig Feedback ermöglichte. Mit im virtuellen Publikum saßen auch Gitta Holloch und Joachim Gerking von der Schulleitung.

Fehlender Sinn, Zuvielisation, fehlender Spaß, Angst vor schlechten Noten, bedrohter Selbstwert, fehlende Nähe zu Lehrern, ineffektive Lernmethoden, unzureichende Hirnnahrung, falsche Gehirnpflege, Fremdbestimmung – alles Punkte, die Wimmer mit viel Erfahrung und einer großen Portion Humor betrachtet hat.

Drei davon führte sie an diesem Abend vor ihrem Publikum aus und vergaß dabei auch nicht den Blick auf die aktuelle Situation von Familien mit Kindern im Homeoffice und Homeschooling. „Ihr leistet alle Gewaltiges“, klopfte sie den Eltern virtuell auf die Schultern und bezog sie per Chat in ihre Überlegungen ein: Wer ist gern in die Schule gegangen? Wer fragte sich, wofür das Gelernte im Leben nützlich sein könnte? Wem war oft furchtbar langweilig?

Kampfarena des täglichen pädagogischen Wahnsinns

Als seinerzeit noch kinderlose Pädagogin hätte sie noch alles über Erziehung gewusst, gab Wimmer kund, ihr Sohn habe ihre pädagogischen Ansätze dann dem Realitätstest unterzogen – das spürt man, denn ihre Lösungen sind alltagstauglich und geprägt von einer riesengroßen Wertschätzung den Kindern und Jugendlichen gegenüber, deren Situation sie mit ihren Ausführungen verbessern möchte. Auch wenn sie von einer „Kampfarena des täglichen pädagogischen Wahnsinns“ spricht, merkt man ihr die Leidenschaft für ihr Thema an. „Kinder kennen keinen Lernfrust, bis sie in die Schule kommen“, so ihre These.

Sie kämen neugierig zur Welt und blieben es, bis in der Schule der Frust überhandnehme. Als erste Ursache dafür ging die Pädagogin dem fehlenden Sinn nach: Kein Erwachsener würde sich in eine Fortbildung setzen, wenn er sich davon nichts verspräche, so ihr Ansatz. Warum also sollten Kinder sich in die Schule setzen, wenn sie nicht wüssten, wofür? Selbst die Fleißigen lernten oft nur für die guten Noten und nicht, weil sie wüssten warum.

Dabei könne man mit kleinen Geschichten, die den jungen Menschen klarmachten, dass auch eine Sängerin Englisch und Mathe braucht (um auf dem internationalen Markt zu bestehen und ihre horrenden Einnahmen zu verwalten), Türen zur Lernlust aufstoßen: „Wenn du dein Warum kennst, hängst du dich rein.“ Berufliche Träume könne man dazu aufgreifen, Hobbies, das nächste Urlaubsziel: Interesse und Neugierde könnten viele Anlässe haben, und gesteckte Ziele ließen sich leichter erreichen mit einem Etappenziel und einem freien Blick zum Gipfel.

Lernlustkiller Langeweile

Als zweiten Lernlustkiller stellte Wimmer den fehlenden Spaß vor, die Langeweile. Ihr könne man mit dem Funken der Begeisterung beikommen, so die Expertin in Sachen Motivation: Ein Film ohne Vorspann und ohne Ton weckt Interesse, Neugierde. Die Schülerinnen und Schüler wollen wissen, was da warum passiert, ob das, was sie sich denken, das Richtige ist. „Die Schülerinnen und Schüler sollen danach hungern, die Welt zu verstehen“, so ihr Credo, und dieses auf die Schule übertragene „Thirsty-Man-Syndrome“ könne man wirklich erschaffen.

Mit einem inneren Erfolgskonto, beispielsweise, das nicht nur auf Noten, sondern auf grundsätzliche Fortschritte schaue. „Und dieses Konto sollte für alle Kinder im Plus sein“, betonte Wimmer. Darüber hinaus müsse man die kindlichen Wünsche berücksichtigen: Keiner könne sechs Stunden am Tag stillsitzen in einer Haltung, die ihm vorgeschrieben ist, derzeit noch dazu am Rechner. Kinder wollten Bewegung, wollten lümmeln. „Die Motivation steigt an, wenn Kinder entscheiden, wie und wo sie lernen.“

Zu viel Stoff rutscht durch

Als „Zuvielisation“ bezeichnet die sprachgewandte Referentin überfrachtete Lehr- und Lernpläne. Inhalte würden reingestopft und rauschten durch. „Durchgenommen heißt nicht angekommen“, betonte sie: „Zuviel Stoff kann man sich nicht zu eigen machen.“ Für den Hausaufgabenalltag, der Eltern wie Kinder stresse, empfahl Wimmer das „Mini-Max-Prinzip“: In einer sehr begrenzten Zeit maximal Gas geben, um danach eventuell zu sehen, dass man fast fertig ist und das auch noch schafft, oder um tatsächlich nach der festgelegten Zeit aufzuhören und sich über das Geleistete zu freuen. Auch die „Quick-Shitty-Draft“-Methode, die einem auf die Schnelle zu einem nicht ganz astreinen Entwurf verhelfe, an dem man dann umso begeisterter feilen könne, stellte die Pädagogin vor.

In einem wahren Feuerwerk an kleinen, witzigen Blitzlichtern auf die anderen Lustkiller machte sie selbst Lust darauf, diese mit anderen Augen zu sehen und über verschiedene Lösungsansätze nachzudenken. Schenkt man Jutta Wimmer Glauben und lässt sich von ihrer Begeisterung für besseres Lernen anstecken, dann hat man schon den Eindruck, es könne gehen. Genau das wurde auch aus dem Feedback im Chat deutlich. Mit viel Empathie und Lust am Austausch mit ihrem Publikum – der ihr gerade in dieser Zeit wohl ziemlich fehlt – ging sie auf viele Fragen aus dem Plenum ein.

„See the future“, appellierte Jutta Wimmer abschließend an ihre Zuhörerinnen und Zuhörer: „Beamt euch zwanzig Jahre in die Zukunft und schaut, was von alledem, was uns jetzt an der Schule bedrückt, in zwanzig Jahren noch wichtig sein wird – und dann wissen wir auch genau, was heute zu tun ist.“ Wer neugierig geworden ist und mehr zu den Lernlustkillern und den Lösungen dazu erfahren möchte, könne sich zu einem Vortrag unter https://juttawimmer.com/lernlust/ kostenlos anmelden.

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