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Mundartlich-hochdeutsches Buch über den Weltzukunftsvertrag der Vereinten NationenWie geht Weltrettung auf Hessisch?

VOGELSBERGKREIS (ol). Ist die Welt noch zu retten? In Hessen werden Versuche unternommen, wie eine Neuerscheinung über die Agenda 2030 zeigt. Die 17 Ziele des UNO-Weltzukunftsvertrages sind Kapitel in einem Buch, das engagierte Menschen, Vereine, Firmen und Institutionen aus Hessen vorstellt – unter Mitwirkung aus dem Vogelsbergkreis.

Den Titel „08/18“ hat die Historikerin und Journalistin Monika Felsing gewählt, weil die 17 Ziele eigentlich 08/15 sind. „Es sind absolute Selbstverständlichkeiten. Wir wissen das alles, aber wir stehen uns selbst im Weg. Ohne ein 18. Ziel schaffen wir es nicht.“ Und dieses 18. Ziel ist für sie die Selbstüberlistung. „Gar nicht erst versuchen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Stöckchen werfen!“

Zusammenhang mit dem Ober-Gleen-Projekt

Entstanden ist das Buch wie alle Projekte des Geschichtsvereins Lastoria in ehrenamtlicher bremisch-hessischer Teamarbeit im Zusammenhang mit dem 2012 gestarteten Ober-Gleen-Projekt. Und wie bei allen spielt Mundart eine tragende Rolle. Die 17 Ziele und zahlreiche Unterziele sind ins Oberhessische übersetzt, ergänzt um mundartliche Coversongs und Alltagsweisheiten im Ober-Gleener Dialekt, dem Owengliejer Pladd. Zwei der Sprüche sind auf Bierdeckeln zu finden, die die Umweltbildung Wiesbaden nach einem Wettbewerb 2020 hat bedrucken lassen. Zum siebten Ziel (saubere und erneuerbare Energie): „Dè sauwersde Schdrom eas der, den dè schboarsd.“ Der sauberste Strom ist der, den du sparst. Und zum neunten Ziel (Industrie, Innovation und Infrastruktur): „Als on als woas Naues. On alsemo woas Schlaues.“ Ständig etwas Neues. Und manchmal etwas Schlaues.

Schlaue bis brillante Ideen und Projekte

Schlaue bis brillante Ideen und Projekte zum Mitmachen und Nachahmen hat die Autorin bei umfangreichen Internetrecherchen in Hessen ausgemacht und auf Hochdeutsch beschrieben, aktuelle und auch frühere, Menschen mit Zivilcourage, sozialem Gewissen oder besonderem Gemeinsinn, regionale Marketinginitiativen wie „Vogelsberg Original“, eine der ersten Frankfurter Verbraucherberaterinnen, Naturschutzgebiete wie die Kühkopf-Knoblochsaue, den Elektromobilbauer Twike in Rosenthal, Viertel wie den Fuldaer Aschenberg, die Gießener Gummiinsel und das Wiesbadener Westend, einen Ranger im Roten Moor, das Lebendige Bienenmuseum im Knüllwald, Karlis Kuhschule in Lehrbach, die Hanauer Initiative zum Gedenken an die Opfer des 19. Februar 2020, Höhlenforschung im Westerwald, Spitzensportlerinnen mit Handicap, eine Schäferin in der Rhön, zwei Kasseler Jungunternehmer und zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten für den Erhalt des Burgwaldes oder des Dannenröder Forstes.

Kampf gegen die A49 inklusive

„Der Kampf gegen die A49 ist einer der roten Fäden geworden, die sich durch das Buch ziehen, denn da ist mehr als eines der 17 Ziele berührt“, sagt die Autorin. Ein anderer roter Faden ist das Flugblatt „Der hessische Landbote“ aus der Zeit der Sozialrevolution. Sein Herausgeber Friedrich Ludwig Weidig, ein Weggefährte von Georg Büchner, ist 1835 in Ober-Gleen verhaftet worden. „Die Dorfgemeinschaft hatte null Chance gegen das Ministerium. Aber sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben und viel riskiert. So viel Solidarität ist ungewöhnlich. Und verpflichtet.“

Gerade der Naturschutz sei ohne ehrenamtliche Arbeit kaum noch denkbar. Es sind Menschen wie der Schmetterlingsforscher Alfred Westenberger aus Hofheim im Taunus, die in ihrer Freizeit Fachwissen sammeln und weitergeben. „Es verdient großen Respekt, dass er sich seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet engagiert“, sagt Monika Felsing. „Bei meinen Internetrecherchen hatte ich den Eindruck: Er ist mit Herz und Verstand dabei.“ Im Museum Wiesbaden hat der Falterfachmann gerade noch an der Ausstellung „Schmetterlingen auf der Spur“ mitgewirkt. Und gemeinsam mit Marco Schmidt und Hilke Steinecke hat er einen Beitrag zum Bürgerwissenschaftsprojekt „Tiere und Pilze in Frankfurts Botanischen Gärten“ beigesteuert: einen illustrierten Text über Edelfalter im Palmengarten und im Botanischen Garten, farbenprächtige Falter wie den Kleinen Fuchs, das Tagpfauenauge, den Distelfalter und den Admiral, das Große Ochsenauge und das Kleine Wiesenvögelchen, den Kaisermantel und das Waldbrettspiel.

„Ein hessischer Beitrag zur Rettung der Welt“

„Ein hessischer Beitrag zur Rettung der Welt“ ist der Untertitel des Buches über die Agenda 2030. „Wenn schon, dachte ich, dann gehen wir in die Vollen“, sagt die Mundartliedermacherin nur halb im Ernst. Weil Humor überlebenswichtig ist, sind nicht nur kämpferische oder nachdenklich machende Lieder dabei, und auf der Landesflagge hat der hessische Löwe dem Rotkäppchen Platz gemacht. Illustriert ist „08/18“ mit mehr als drei Dutzend farbigen Portraits des aus Ober-Gleen stammenden Malers Bernhard Wald (Faldon), der heute in Marburg wohnt.

Die Bilder stammen aus seiner Berliner Zeit. Keines ähnelt dem anderen, und doch ist die Handschrift des Künstlers unverkennbar. „Wir sind alle Individuen“, sagt die Autorin. „Und so verschieden diese Köpfe sind, haben sie doch auch etwas gemeinsam. Nach solchen Gemeinsamkeiten müssen wir suchen, wenn wir wollen, dass das Leben auf der Erde lebenswert bleibt. Und dass wir keine Zeit zu verlieren haben, dürfte den meisten von uns klar sein. Wo ist noch gleich das Stöckchen?“

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