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Einrichtungen von Kompass Leben über Krisenerfahrungen und ChancenMenschen Struktur geben, Nähe bewahren und Stabilität schaffen

ALSFELD (ol). Mit voller Wucht kam die Corona-Pandemie im Frühjahr auf die Menschen zu – Schlag auf Schlag folgten Versuche der Eindämmung. Verordnungen, die bald zum Lockdown führten, trafen dabei besonders Menschen mit Unterstützungsbedarf wie sie die Einrichtungen des sozialen Dienstleisters Kompass Leben betreuen: Werkstatt, Wohnbereich und Frühförderstätte mussten ihre Angebote runterfahren, Begegnungen verbieten und neue Möglichkeiten schaffen. Wie sie das Jahr und seine verschiedenen Phasen wahrgenommen und bewältigt haben, darüber sprachen jetzt Verantwortliche und Mitarbeitende im einer Rückblick-Runde. 

Gemeinsam mit Michael Dippel, Leiter der Werkstatt von Kompass Leben in Alsfeld, Sabine Heil von der Frühförderstelle und Thomas Grünewald vom Wohnbereich in Alsfeld blickte Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin Katja Diehl nun – in der zweiten Phase der Pandemie – zurück und auch nach vorne: „Wir hatten natürlich an vielen Stellen zu kämpfen, auch formell: Die Verordnungen kamen fast im Stundentakt, die Umsetzungsfristen mussten eingehalten werden, die Finanzierungen mussten geklärt werden. Die größte Herausforderung aber war, trotz aller Schließungen und Kontaktbeschränkungen den Menschen in unseren Einrichtungen, insbesondere den Klienten in den Werkstätten und Wohnheimen, eine gute, abwechslungsreiche Tagesstruktur zu bieten. Dabei haben Verantwortliche und Beschäftigte Herausragendes geleistet“, sagte Diehl.

Für Michael Dippel und sein Team in der Alsfelder Werkstatt gab es gerade zu Anfang der Werkstattschließung eine ganze Menge zu klären: „Zum einen mussten wir mit unseren Trägern alternative Betreuungsformen vereinbaren. Wir mussten eine Logistik aufbauen, die es zum einen ermöglichte, Aufträge aus der Wirtschaft weiterhin abzuwickeln, und die zum anderen Heimarbeit ermöglichte“, führt der Werkstattleiter aus.

Menschen, die aufgrund der Werkstattschließung in den Wohnstätten bleiben mussten, wurden dort mit Arbeit versorgt, Betreuungspersonal aus der Werkstatt in die Wohnstätten geschickt, denn dort wird ja in der Regel keine Tagesbetreuung vorgehalten. Auch Menschen mit Behinderung, die in einem häuslichen Umfeld leben, wurden mit Arbeit versorgt, sie und ihre Angehörige bekamen vom Sozialdienst der Einrichtung Gesprächsangebote und Tipps, wie die Zeit möglichst gut zu überbrücken sein könnte. „Es geht für unsere Klienten ja nicht so sehr um das wirtschaftliche Überleben“, sagte Dippel, „sondern in erster Linie um den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen, um die Struktur und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“ All das brach mit einem Schlag weg – für viele der Menschen auch deshalb ein Problem, weil sie es auf den ersten Blick nicht erfassen und einordnen konnten.

Große Probleme am Anfang

Thomas Grünewald, Teilhabecoach in der Altenburger Wohnstätte, berichtet gerade anfänglich von großen Problemen, die insbesondere die Kontaktverbote mit sich brachten: „Es war ja nicht nur so, dass die Menschen nicht mehr arbeiten gehen oder ihre Angebote wahrnehmen konnten, sondern sie durften ja auch keinen Besuch mehr von außen erhalten oder nach draußen machen.“

So fielen also nicht nur therapeutische Maßnahmen aus, sondern auch Besuche der Familienangehörigen und das – so wissen Grünewald und seine Kolleginnen und Kollegen – stellte eine große Härte für die Menschen mit geistiger Behinderung dar, mit denen einige von ihnen kaum umgehen konnten. Eine weitere Schwierigkeit im Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Heime war zumindest am Anfang die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. „Inzwischen gehören diese Maßnahmen für viele unsere Menschen ganz selbstverständlich zum Alltag, genauso wie das mehrmalige Fiebermessen mit Infrarotthermometer“, berichtet Grünewald.

Auch von Versorgungsengpässen gerade am Anfang der Pandemie berichtet Grünewald. „Wir hatten zu Beginn der Pandemie nur die Ohrenthermometer, aber nicht ausreichend Plastikhütchen“, erinnert er sich. Auch FFP-2-Masken für das Pflegepersonal seien knapp gewesen. „Das war sicher ein Problem, mit dem alle Einrichtungen zu kämpfen hatten, bedenkt man aber, dass auch wir hier einige Menschen mit hohem Gesundheitsrisiko haben, war es eine sehr schwierige Situation, gerade auch für die Mitarbeitenden, die sich ja nicht nur um alles kümmern mussten, was mit der Corona-Situation zu tun hat, sondern auch um das ganz normale Tagesgeschehen“, resümiert der Teilhabecoach, der wie alle Beteiligten auf eine sehr anstrengende, herausfordernde Zeit zurückblickt.

Kritik an Versorgungsengpässen und unpassenden Verordnungen

Versorgungsengpässe und unpassende Verordnungen hätten auch deutlich gemacht, dass Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder psychischen Problemen bei den Entscheidungsträgern an untergeordneter Stelle stünden, kritisiert Grünewald. Dennoch sei es gelungen, aus der Situation das Beste zu machen: Aufenthalte im Freien seien ja möglich gewesen, das Gemeinschaftsgefühl sei gewachsen. Inzwischen könnten sich alle Einrichtungen auf tragfähige Konzepte und einen funktionierenden Krisenstab verlassen, so Grünewald, der auch dieses als positiven Effekt der Krise wertet.

Aus der Frühförderstelle berichtet Sabine Heil. Hier werden Familien mit Kindern, die eine Behinderung haben oder davon bedroht sind, förderpädagogisch unterstützt. Dies geschieht mit Förderangeboten in den Räumen der Frühförderstelle oder aufsuchend bei den Familien zuhause oder in den Kitas. Auch damit war im Frühling zunächst Schluss. „Meine Kolleginnen und ich haben dennoch den Kontakt mit Kindern und deren Eltern gehalten“, berichtet Heil: Per Telefon, per E-Mail oder per Post standen sie in Verbindung, haben Tipps zur Frühforderung verteilt und Maßnahmen mit den Eltern besprochen. Für sie genauso wie für alle Angehörigen der Kompass-Leben-Klienten war es eine schwierige Zeit, die sie dennoch gut gemeistert haben, findet Heil.

Situation im Mai besser, aber auch anspruchsvoller

Mit Öffnung der Angebote im Mai wurde die Situation zum einen zwar wieder besser, zum anderen aber noch anspruchsvoller: „Wir mussten unsere Materialien und Termine den Anforderungen anpassen. Auch ist es mit dem Abstand so eine Sache, weil bei unseren Klienten viel über Fühlen und Berühren stattfindet.“ Desinfektion, Umstellung der Angebote, Austausch der Materialien, mehr Planungsaufwand: Die neuen Realitäten erforderten viel mehr Zeit als sonst, dennoch freuten sich alle Beteiligten darüber, sich überhaupt wieder begegnen zu können.

„Für uns wie für viele andere gilt, dass es schwierig ist, ein Arbeitsleben, das auf Austausch und Begegnung, auf Nähe und Kontakt basiert, einfach so umzustellen. Das ist nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional nicht leicht.“ Während im Sommer dann viele Termine draußen stattfinden konnten und sich eine gewisse Normalität eingeschlichen hatte, wird es nun wieder schwieriger. Auch die Eltern und beteiligten Kitas werden wieder unsicherer, Termine werden abgesagt, was Heil auch verständlich findet. „Natürlich haben wir jetzt wie die anderen Einrichtungen von Kompass Leben auch Fahrpläne für verschiedene Szenarien entworfen. Fakt aber ist, dass mit jedem Ausfall und jeder weiteren Schwierigkeit die präventive Arbeit in diesen Zeiten auf der Strecke bleibt“, bedauert Heil, „ich kann im Sinn der Kinder nur hoffen, dass es bald wieder besser wird.“

Positiv bewertet Heil abschließend die Tatsache, dass die Eltern besser in die Arbeit der Frühförderung eingebunden waren und diese somit vielleicht auch in Zukunft noch besser mittragen und mitgestalten können. „Und die Draußen-Angebote werden sicher nicht alle wieder in der Schublade verschwinden, nur weil Corona vielleicht irgendwann mal keine so große Rolle mehr spielt.“

Diehl: „Menschen stehen bei uns im Mittelpunkt“

Dass der Vogelsbergkreis als Träger der Frühförderung offen für eine alternative Leistungserbringung ist, damit dieses Angebot so gut wie möglich weiterbestehen kann, sei ein wichtiges Signal gewesen, ergänzt Katja Diehl, die die Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung als durchweg positiv beschreibt. Ihr Dank gilt auch dem Landeswohlfahrtsverband und der Bundesagentur für Arbeit als größte Kostenträger sowie den Fachverbänden und den Verbänden der Wohlfahrtspflege, die stets mit Rat und Tat zur Seite standen.

Für Michael Dippel, der seine Werkstatt für die kommenden Wochen und Monate gut gerüstet sieht, hat die Krise bisher aber auch positive Wirkung gezeigt: „Wir sind als Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Bereichen, insbesondere im Wohnen und Arbeiten, enger zusammengerückt, was eine sehr schöne Erfahrung war. Und wir haben gesehen, wie gut die meisten unserer Klienten auch diese belastenden Zeiten und die Einschränkungen bewältigt haben und die Regeln in den meisten Fällen mittragen. Sie machen es uns damit leichter, als wir befürchtet hatten.“

Wie die Lage sich nun entwickelt und in den nächsten Wochen weitergeht, das könne man noch nicht absehen, dennoch sieht sich Kompass Leben mit seinen Plänen für verschiedene Szenarien, die alle Erfahrungen und Möglichkeiten der letzten Monate aufgreifen, gut gerüstet. Dazu Katja Diehl: „Menschen stehen bei uns im Mittelpunkt und wir haben und werden mit maximalem Einsatz für diese Menschen eintreten, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. Die dafür notwendigen Strukturen haben sich in unseren Einrichtungen gut etabliert, unsere Leistungsträger haben uns Finanzierungssicherheit zunächst bis Ende 2020 zugesagt und wir haben erlebt, dass wir alle gemeinsam als eingeschworenes Team die Krise gut überstehen können.“

Ein Gedanke zu “Menschen Struktur geben, Nähe bewahren und Stabilität schaffen

  1. warum werden von bezahlten pr-büros geschriebenen artikel nicht als solche gekennzeichnet? das interview hat kompass leben ja quasi mit sich selbst gemacht, die schreiberin sollte als beauftragte pr-mitarbeiterin von kompass leben benannt werden. name ist vielen eh bekannt.

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