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Gerd Ludwig über das Haus am Markt 12, seine Postkarten und Prints für Alsfeld und was er seiner Heimatstadt wünscht„Meine Referenz an die Heimat“

ALSFELD (ol). Der gebürtige Alsfelder Gerd Ludwig lebt seit vielen Jahrzehnten als international ausgezeichneter Fotograf in Los Angeles. Seine Heimatstadt besucht er regelmäßig, und während seiner Aufenthalte hier bewohnt er ein WG-Zimmer im Haus zum Schwanen, also direkt am Markt 12. Er ist einer der ersten Unterstützer des Laden- und Werkstattprojekts von Kompass Leben, dem er eine eigene Postkarten- und Print-Kollektion gewidmet hat. Wie es dazu kam und was er sich für Alsfeld wünscht, verriet er im Interview.

Herr Ludwig, als gebürtiger Alsfelder zieht es sie regelmäßig zurück in die alte Heimat. Nun haben Sie eine eigene Postkartenserie für den neuen Laden „Markt 12“ lizensiert. Wie kam es dazu?

Das ist eine lange Geschichte: Ich bin in dem Haus am Markt 12 ja Teil einer bunten multinationalen WG, und wir alle sind sehr daran interessiert, dass der Marktplatz belebt bleibt. Ich habe dann zufällig gesehen, als die Besitzerin des Gebäudes Bettina Bauer mit interessierten Künstlerinnen und Künstlern eine Besichtigung machte und überlegte, das freigewordene Ladenlokal als Plattform für regionale und lokale Künstlerinnen und Künstler zu entwickeln.

Als das mehr und mehr im Sand verlief, habe ich mit meinem Mitbewohner Berthold Sommer, der bei Kompass Leben arbeitet, überlegt, was man vielleicht doch draus machen könnte und so reifte dann irgendwann in einem Team von Kompass Leben die Idee, die wir heute sehen. Dass ich eine Serie mit Postkarten und original signierten Prints dafür zur Verfügung stelle, ist eine große Ausnahme – eine Referenz an meine Heimatstadt.

Welche Motive haben Sie für die Kundinnen und Kunden von „Markt 12“ ausgewählt?

Die Motive stammen aus Reportagen, die ich über Alsfeld und die Umgebung gemacht habe. Im Jahr 1988 etwa habe ich dem GEO-Magazin, das sonst immer nur über Großstädte berichtet hat, vorgeschlagen, mal die deutsche Provinz ins Blatt zu nehmen. Gemeinsam mit dem späteren Chefredakteur von GEO, Peter-Matthias Gaede als Autor machte ich mich auf den Weg in die alte Heimat. Andere Motive sind meiner späteren Foto-Reportage über die Märchenwelt der Gebrüder Grimm entnommen, die dann weltweit im National Geographic Magazin erschienen ist und in der auch Alsfeld und die Schwalm vorkamen. Die neueren Motive sind die Winterbilder vom Hoherodskopf und den umliegenden Wäldern.

Alle Motive haben mit Alsfeld und der näheren Umgebung zu tun. Wie sehr sind Sie noch mit Ihrer alten Heimat verwurzelt?

Ich bin hier sehr verwurzelt und habe die Beziehung zu Alsfeld immer aufrechterhalten. Wissen Sie, wenn man als Nachkriegskind in Alsfeld aufgewachsen ist, wo längst nicht jeder Haushalt einen Fernsehe hatte, da dachte man, die Welt ist überall so ähnlich wie das, was man kennt. Man glaubte, alles sieht aus wie die Heimat. Als ich dann weggegangen bin und über verschiedenen Stationen wie Oslo, Essen, Hamburg und New York schließlich nach Los Angeles gekommen bin, merkte ich erst, welches Kleinod Alsfeld ist. Ich kann gut in den Großstädten leben, aber dort ist man immer nur in seiner eigenen berufsbezogenen Schicht unterwegs.

In einer Stadt von der Größe Alsfelds lebt man mit allen unterschiedlichen Gruppen zusammen, man hat einen Freundeskreis, der über den eigenen Horizont hinausgeht, und das ist sehr schön. Bei Alsfeld kommt die beeindruckende Architektur hinzu, die immer noch gut erhalten ist und unbedingt gepflegt werden sollte. Also ja, ich bin mit Alsfeld noch sehr verwurzelt. Ich trage es immer in meinem Herzen.

Foto: Gerd Ludwig

Im Laden „Markt 12“ stellen neben Ihnen weitere Künstlerinnen und Künstler sowie regionale Herstellerinnen und Hersteller ihre Werke und Produkte aus. Welche Bedeutung haben Ihrer Meinung nach solche Kooperationen für die Region?

Meiner Meinung nach macht Alsfeld längst nicht genug aus seiner Schönheit, aus der gewachsenen Architektur. Anregungen, etwas zu verbessern, stoßen oft auf taube Ohren. Ich höre oft, wenn ich hier unterwegs bin, dass die Touristen nicht bleiben, sondern schnell wieder weiterziehen. Aber tut man eigentlich etwas dagegen? Woher sollen sie wissen, dass es zwei Häuserecken weiter den Grabbrunnen mit seinem lauschigen Platz und der interessanten Geschichte gibt?

Oder wo verweist man auf das Märchenhaus? Man könnte auf dem Marktplatz mehrsprachige Wegweiser aufstellen und die Besucher neugierig machen, hinführen zu den Orten, die sie nicht auf den ersten Blick sehen. Man könnte eine App entwickeln, die sie führt. Und schon wäre ein erster Schritt zur Verlängerung des Aufenthaltes gemacht. Mehrsprachige Aufsteller vor den Läden, damit die Touristen wissen, was es dort gibt, könnten Anreize schaffen. Kooperationen wie die jetzige werten die Stadt auf und setzen wichtige Akzente. Und sie können Besuchern zeigen, was unsere Heimat alles kann.

Wissen Sie schon, wann Sie wieder einmal vor Ort sein werden und das Ergebnis „Markt 12“ in Augenschein nehmen können?

Ich war im letzten Jahr sehr oft in Alsfeld, dieses Jahr habe ich aufgrund eines neuen Projekts mehr in Österreich zu tun. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ich im April oder Mai einen Abstecher nach Alsfeld mache und schaue, was aus unserer Idee geworden ist.

Haben Sie einen Eröffnungswunsch an das Team und die Menschen von „Markt 12“?

Ich wünsche allen, die damit zu tun haben und ihr Herzblut eingebracht haben, viel Erfolg! Der Erfolg fängt dann an, wenn die Leute kommen und den Laden und die Werkstatt nutzen – sowohl die Touristen als auch die Einheimischen. Und dann ist es auch ein Erfolg für alle!

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