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Jahresabschlussessen der Vogelsberger LinkenÜber Hartz 4, Billiglohnsektor und Tarif gebundene Arbeitsverträge

VOGELSBERG (ol). Jahresabschlussessen der Vogelsberger Linken: Kreisvorsitzender Christian Hendrichs stellte in seiner Eingangsrede das traurige Jubiläum von 15 Jahren „Hartz 4“ in den Mittelpunkt. Dieses „Verarmungsprogramm“ habe mit zu beigetragen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehe. „Hartz 4 und die damit verbundenen Sanktionen sind ein wesentlicher Grund, warum immer weniger Tarif gebundene Arbeitsverträge abgeschlossen wurden“. Stattdessen sei der Billiglohnsektor stark gewachsen.

Das, so aus der Pressemitteilung, führe nun zu der Notwendigkeit einer Grundrente. Diese werde zwar im Prinzip begrüßt, aber sie sei zu gering. Außerdem stellte Hendrichs fest: „Immer wenn es um Armutsbegrenzung geht, wird von den bürgerlichen Parteien ein Generalverdacht des Betruges erhoben“. Das sei nicht nur Realitätsfremd, sondern auch entwürdigend. Bei Vorteilen für die Reichen würde dagegen gerne weggeschaut oder wohlwollend argumentiert.

Hier sei die viel zulange übernommene Sprachregelung der „Gesetzeslücke“ bei Cum-Ex-Geschäften angeführt. In dem Treffen wurde begrüßt, das nun ein Gericht endlich festgestellt habe, dass diese Geschäfte ab Anfang an ungesetzlich waren. Bei der jetzt vorgestellten Steuer auf Aktienverkäufe gelte das gleiche Prinzip. „Im Prinzip gut, in der Ausführung mangelhaft“ stellte Hendrichs heraus. Genau die Gewinne mit Fonds und Derivaten seien ausgenommen, obwohl hier der größte Schaden angerichtet werde.

Zum Abschluss seiner Ausführungen bedankte sich Hendrichs ausdrücklich bei den Mitgliedern von DIELINKEN im Kreistag und den Stadtverordnetenversammlungen. Ohne sie wären die Aktivitäten zur Verkehrswende (Keine A 49), zum Ausbau des ÖPNV und zum Klimaschutz nicht so wirkungsvoll gewesen. Im Anschluss an diesen Beitrag wurde lange und intensiv diskutiert. Selbst das gute Essen tat diesen Gesprächen keinen Abbruch. So kann Die Linke in 2020 gestärkt für die arbeitenden und die abgehängten Menschen eintreten.

4 Gedanken zu “Über Hartz 4, Billiglohnsektor und Tarif gebundene Arbeitsverträge

  1. Nicht nur die weißen Tauben sind müde. Die roten T(r)auben sind es genauso. Allein dass für die aktuelle Pressemeldung dasselbe Foto verwendet wurde wie für die vom 24.08.2019, lässt sich als Indiz für aufkommende Lustlosigkeit deuten. Wer sich dezidiert für das Gemeinwohl oder die Interessen der Mehrheit des Volkes einsetzt, kann nur frustriert werden. Die Linke ist zersplittert und hat ein absolutes Modernitäts-Defizit. Die Menschen spüren, dass mit den Parolen und politischen Instrumenten von Gestern kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Die Meinungsführerschaft hinsichtlich zukunftsfähiger Konzepte ist schon lange verloren gegangen. Wo soll man sich noch positionieren, wenn die bürgerlichen Parteien sich „sozial“ geben, die Grünen das Umweltthema besetzen und alle Benachteiligten den Rattenfängern mit den reaktionären Parolen hinterher laufen?
    Ideologisch sitzt man in der Falle. Den Nationalstaat lehnt man ab, doch lassen sich die Probleme einzelner gesellschaftlicher Gruppen, die zu den Verlierern der Globalisierung gehören, eben nur auf nationalstaatlicher Ebene lösen. Den Gewinn aus dieser Tatsache streicht die AfD ein. Der Mittelschicht kommen die alten Gewissheiten abhanden. Aufstieg durch Bildung und Sicherheit durch Vermögensbildung können durch linksliberale Politik nicht mehr garantiert werden. Karrieren werden international, Renditen gibt es nur noch im weltweiten Anlage-Poker. Doch da ziehen Personen und Mächte die Fäden, die man mit Linken oder Sozialdemokraten wohl kaum in Verbindung bringt.
    Jetzt wären radikale Konzepte (insbesondere für die Finanzierung des Umbaus der Gesellschaft) gefordert. Doch damit hält man hinter dem Berge, um nicht zusätzliche Ängste zu schüren und am Ende noch mehr Wähler zu verlieren. Schlechte Nachrichten. Schlechte Aussichten.

  2. Und auch mit vollem Mund lässt sich lange und intensiv über „Verarmungsprogramme“ diskutieren, die der Bevölkerung in den letzten fünfzehn Jahren zugemutet wurden. Vielleicht sollte die Linkspartei sich beim Verfassen von Pressemitteilungen ein wenig mehr Mühe geben. Statt nur auf einzelne traurige Jubiläen und ihre Folgen abzuheben, hätte man auch den kompletten Irrsinn staatlicher Austeritätspolitik mit ein paar kräftigen Strichen skizzieren und insbesondere auf die langfristigen und tiefgreifenden Folgen eingehen können, die radikales Sparen des Staates bei den öffentlichen Ausgaben, fiskalisches Ausplündern der unteren Einkommensgruppen sowie der Rückbau der sozialen Sicherungssysteme auslösen. Lediglich einzelne politökonomische Stellschrauben zu betrachten, verstellt den Blick auf die Zusammenhänge eher als dass dieser hergestellt wird. Und damit wird gerade nicht erreicht, was der Grundgesetzartikel 21 den Parteien als Hauptaufgabe zuweist, nämlich bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Damit ist aber eben nicht ideologische Indoktrination gemeint, sondern die Offenlegung des Weges, der von der Beurteilung bestimmter Gegebenheiten (Zustände, Fakten) über bestimmte Absichten (Interessen, Ideen) zu politischen Überzeugungen, zu politischen Zielen und ggf. zu politischen Handlungen führt.
    Gerade für das versprengte Häuflein der Linken im Vogelsbergkreis wäre ein solcher Reflexionsprozess notwendig, denn es fehlt ja weitgehend die Erfahrung, politische Mehrheiten zu organisieren und politische Entscheidungen auf kommunaler Ebene zu beeinflussen. Nicht einmal in innerparteilichen Entscheidungsprozessen (Formulierung von Wahlprogrammen, Aufstellung von Kandidaten für Parteiämter) reicht der Vogelsberger Einfluss im allgemeinen aus. Da erhebt sich für den einzelnen doch schnell mal die Frage, warum man überhaupt noch vor Ort für eine Partei aktiv ist, die sämtliche Manpower aufbringen muss, um überhaupt noch auf Kreisebene stattfinden zu können, ansonsten aber nichts bewegt und bewirkt, respektive es bereits als Erfolg feiern muss, wenn man irgendwo zu irgend einem Thema mit demonstrieren durfte.
    Der Mensch kann nicht leben ohne Hoffnung. Denn dann bleibt ihm nur die Verzweiflung. Das betrifft die Linkspartei genauso wie die SPD. Und wenn man durch die Wahlergebnisse schon weitgehend von der politischen Macht ausgeschlossen ist, muss man seine Kraft aus der geistigen Überlegenheit schöpfen: der klareren ökonomischen und gesellschaftspolitischen Analyse, der Erkenntnis der wesentlichen Zusammenhänge und hieraus programmatisch zu ziehenden Schlüsse. Dazu gehört, dem Neoliberalismus und ihrem Vordenker Adam Smith nicht einfach nur den Halben Keynes (siehe https://www.bpb.de/dialog/europawahlblog-2014/182587/austeritaetspolitik-sparen-um-jeden-preis) entgegen zu setzen. Wirtschaft ist ein Kreislauf (Binse). Paternosterprinzip. Was du auf den Weg nach oben beförderst, begegnet dir auf dem Weg nach unten unter Garantie wieder. Zu wissen, dass der Mond (mehr oder weniger) rund ist, aber immer nur die der Erde zugewandte Seite zu betrachten, kann auf Dauer nicht gut gehen. Helmut Schmidt war studierter Ökonom und verstand etwas von Wirtschaft. Gerhard Schröder war Jurist. Und sein Vizekanzler Joschka Fischer Taxifahrer ohne Schulabschluss. Folglich ließen die sich ihr Wirtschaftsprogramm von dem Wirtschaftsmanager Peter Hartz schreiben. Doch der hatte – auch wenn er von Volkswagen kam – keineswegs das Wohl des deutschen Volkes im Sinn, auf das die erstgenannten Akteure vereidigt waren, sondern die Ziele seiner Kaste: Investitionserleichterungen, niedrigere Lohnstückkosten, Entmachtung der Gewerkschaften und Steuervorteile für Vermögende. Wie das ausging, ja ausgehen musste, erlebt heute die Sozialdemokratie, aber auch ihre linke Abspaltung, qualvoll am eigenen Leibe, erleben wir alle an der Auflösung unseres politischen Systems.
    Der obige Kommentar zeigt in seiner Steinmeier-Passage (sehr gelungen!), dass eine bürgerlich verspießerte Sozialdemokratie die entstandenen Fehlentwicklungen nicht dadurch wieder einfängt, dass man „idealistisch“ an den „sozialen Zusammenhalt“ appelliert. Welch eine Verkennung der Realität, mit moralischen Benimmregeln auf nationaler Ebene „heilen“ zu wollen, was im globalen Maßstab gerade die ganze Welt ins Chaos stürzt, und sich gleichzeitig einzubilden, man könne die nationalen Profiteure des globalen Schreckens aus der Oberschicht, die es ja durchaus gibt, dabei mit ins Boot holen. Und auch die Linke, um die es ja hier geht, macht sich etwas vor, wenn sie so tut, als könne eine Schippe mehr bei der „Armutsbegrenzung“ die zur Explosion drängenden inneren Widersprüche der Gesellschaft abfedern. All dies vermittelt keine neuen Hoffnungen und neuen Kampfgeist statt Resignation. Die Situation schreit nach einer tiefgreifenden Neuordnung! Die Menschenrechte, wie sie unsere Verfassung für unveräußerlich erklärt, sind vermutlich nur durch Einführung eines Grundeinkommens für alle zu verwirklichen, die das ganze Problemdickicht um angemessene Renten, eine kostendeckende Pflegeversicherung und, und und auf einen Schlag mit erledigt. Um die Finanzierung mache ich mir nicht die geringsten Sorgen, weil das Nebeneinander der vielen undurchdringlichen Versorgungssysteme so viele Ressourcen versickern oder ungenutzt verpuffen lässt, dass man bass erstaunt sein wird, was in der Kasse übrig bleibt, wenn man dieses ganze Geschwurbel ersatzlos streicht, endlich Transparenz herstellt und natürlich sämtliche Einkommensarten an der Finanzierung beteiligt.

    1. Ein Schwachpunkt der Linkspartei im Vogelsbergkreis ist, dass sie auf Kreisebene kaum als Partei in Erscheinung tritt. Da macht einer Kirchturmpolitik für Alsfeld und einer Kirchturmpolitik für Wartenberg und dieselben Leute geben dann auch im Kreistag lediglich ein paar müde Stellungnahmen zu irgendwelchen Spezialthemen ab. Eine Vorstellung von den Problemen des Landkreises insgesamt ist nicht erkennbar. Und auch die Chance, sich als „Kümmererpartei“ mit sozialen Projekten zu profilieren, wird nicht genutzt. Die Aufgabe, den örtlichen Parteiapparat aufrecht zu erhalten und gleichzeitig noch individuelle Steckenpferde zu reiten, absorbiert offensichtlich alle Kräfte. Und nach meinem Eindruck kultiviert der eine oder andere „führende Kopf“ auch lieber seine Rolle als smarter und routinierter Parteifunktionär, als sich mit den konkreten Problemen der kleinen Leute vor Ort zu befassen.
      Man hat nicht nur durch die geringe Zahl der Aktiven und Mitglieder das Problem, überhaupt wahrgenommen zu werden. Manchmal tritt derselbe Effekt ein, wenn das „Spitzenpersonal“ überambitioniert ist und einfach zu hoch fliegt.

  3. „Selbst das gute Essen tat diesen Gesprächen keinen Abbruch. So kann ‚Die Linke‘ in 2020 gestärkt für die arbeitenden und die abgehängten Menschen eintreten.“
    Wer lässt sich bloß solche Scheiß-Sätze einfallen? Wahrscheinlich flüstert sie der Klassenfeind ein, der immer gerade in den Ritzen nistet, wo unser Bundespräsident Steinmeier den Kitt vermutet, der unsere Gesellschaft zusammen hält. Doch den Kitt haben die vielen Armen in unserer Gesellschaft längst aus den Fugen gefressen. Eben deshalb ist die Welt ja „aus den Fugen“ geraten, wie Steinmeier nicht müde wird zu betonen, um dann wieder hartnäckig nach dem Kitt des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu fragen (https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/ansprache-von-dr-frank-walter-steinmeier-793066).
    Schön, dass die Linke im Vogelsbergkreis sich politisch gestärkt fühlt, nachdem man sich zum Jahresabschluss ein schönes Essen gegönnt hat. Und wer gut isst, darf sich auch seine politischen Erfolge schön reden. Da gehen die üblichen Floskeln und Formeln doch gleich runter wie Öl bzw. wie das Schnäpschen oder die gute Zigarre „hinterher“. Gutes Stichwort: Hinterher war immer alles ein großer Erfolg. Wie etwa die Aktivitäten zur Verkehrswende (Keine A 49), zum Ausbau des ÖPNV und zum Klimaschutz, die man durchaus als „wirkungsvoll“ bezeichnen kann, so lange man nicht fragt, was denn welche Aktivitäten von ‚Die Linke‘ nun unterm Strich im VB tatsächlich bewirkt haben.
    Leider verursacht auch das beste Essen am Ende oft einen faden Nachgeschmack, Völlegefühl oder gar Durchfall. Insbesondere wenn die Floskeln und Formeln der politischen Öffentlichkeitsarbeit allzu abgegriffen und inhaltsleer wirken und die „traurige Bilanz“ des letzten Jahres alles und jedes betreffen darf, nur eben nicht die Politik der Linken. Da gäbe es tatsächlich reichlich Gründe, sehr, sehr traurig zu sein. Wurde die A 49 verhindert? Nein. Kommt man jetzt im ganzen Landkreis mit dem ÖPNV besser von A nach B? Nein. Besteht Aussicht, den Klimawandel wirksam aufzuhalten? Nein. Hat man sich im Landkreis mit eigenen Konzepten zur Wirtschaftsförderung, zum Fachkräftemangel, zur Nachqualifikation, zum Tourismus etc. pp. profiliert? Nein.
    Am Ende steht nur organisiertes Wehklagen: Über 15 Jahre Hartz 4 z.B., die Schere zwischen Arm und Reich usw. Die Insolvenz der „Neuen Arbeit“ und der Beginn von deren Abwicklung, findet nicht mal Erwähnung. Und selten findet man wirtschaftliche und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge so schlecht erklärt, wie in der jetzt vorgelegten Jahresabschluss-Bilanz. Nein, die Hartz-IV-Sanktionen sind nicht Schuld daran, dass es immer weniger tarifgebundene Arbeitsverhältnisse gibt. Dies liegt an der Deregulierung des Arbeitsmarkts und an nichts anderem. Und dass Wenige immer reicher werden, während immer mehr Menschen bis hinein in die Mittelschicht kaum noch Vermögen bilden können, hat mit der Globalisierung der Wirtschaft, gezielten steuerlichen Anreizen für die Reichen, um Kapital anzulocken bzw. im Land zu halten, sowie einer an Kumpanei grenzenden Unwilligkeit der Finanzverwaltung zu tun, Steuerschlupflöcher zu verschließen und Steuerschulden einzutreiben. Und daran wird sich auch weiterhin nichts ändern, so lange man nur an der Verbesserung einzelner staatlicher Versorgungsleistungen herum bastelt, wo das gesamte Sozialsystem des Landes vollständig umgestaltet und den heraufziehenden Wandlungsprozessen angepasst werden müsste. Einzelne Verbesserungen lediglich nur mit „Im Prinzip gut, in der Ausführung mangelhaft“ zu kommentieren, ist da einfach zu wenig.

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