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Aktivitäten im Humboldt-Jahr – Latein: Humboldts Einstellung zur SklavereiKritiker der Sklavenhaltung, aber kein Revolutionär

LAUTERBACH (ol). Alexander von Humboldt, Namensgeber des Lauterbacher Gymnasiums, war mehr als nur ein Naturwissenschaftler, er war Reisender, Gelehrter, Philosoph und akribischer Dokumentar. Im Jahr seines 250. Geburtstages beschäftigt sich das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium mit den vielen Facetten des Schaffens Humboldts, und die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte stellten schnell fest, dass sich der Universalgelehrte unzähligen Themen widmete, die heute so gut wie jedes Schulfach tangieren.

Auch die beiden Lateinkurse der E-Phase unter der Leitung von Ulrike Walter, Sabine Hausen und Ramona Grebe fanden Anknüpfungspunkte in Humboldts Schaffen, die sie in Bezug zu ihrem Unterricht setzen konnten: die Sklavenhaltung, die sowohl die Gelehrten der Antike beschäftigte als auch von Alexander von Humboldt auf seiner Südamerikareise dokumentiert wurde. So aus der Pressemitteilung des Gymnasiums.

In einem Tagebuch des Reisenden, das lange Zeit als verschollen galt und erst vor drei Jahren gefunden wurde, schrieb Humboldt über die unsäglichen Qualen, die Sklaven auf den Überfahrten, den Märkten und unter ihren Herren zu erleiden hatten. Behandelt wie Tiere oder Ware, waren sie der Willkür der Weißen ausgeliefert, seien es die Seeleute oder Händler, ihre Herren oder die Staatsmacht. Neben den Schilderungen des Unrechts und der Gewalt, der die Sklaven ausgesetzt waren, stellte sich der Forscher auch die Frage, warum diese ihr Schicksal ertrugen und sich nicht gewaltsam wehrten – stellten sie doch durch ihre schiere Anzahl eine große Macht dar.

Obwohl Humboldt offenbar versuchte, ein, zwei Sklaven durch einen Freikauf ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, setzte er sich auf keiner anderen Ebene für einen gesellschaftlichen Wandel ein, der ja nicht nur in Amerika hätte beginnen müssen, sondern in Europa; waren die Herren in Kuba, von wo Humboldt schrieb, doch Spanier. Der Gelehrte verharrte in der Rolle des Forschenden, Beschreibenden, des Dokumentars, der zwar auch und gerade in Europa explizit und unter einem humanitären Aspekt den Umgang mit den Sklaven anprangerte, aber zu keiner Zeit aktiv dagegen vorging.

Spannender Exkurs im Vergleich zwischen Humboldt und Antike

Auch in den Schriften Senecas und Plinius‘ ist viel über die Sklavenhaltung in der Antike zu lesen, wie die Schülerinnen und Schüler der E-Phase in Erfahrung brachten. Auch in dieser Zeit litten die Sklaven unter Willkür und Misshandlung, waren Rechtlose wie Humboldt sie noch Anfang des 19. Jahrhunderts beschrieb. Nur einige wenige hatten es etwas besser.

Sie waren in einer eigenen Hierarchie so weit gestiegen, dass ihre Herren sie mitunter nur ungern einfach so austauschten: Gebildete Haussklaven standen höher im Rang, viel höher noch als Lohnarbeiter, die in keinem Besitzverhältnis zu den Reichen und Mächtigen standen und daher materiell wertlos waren. Bestimmte Sklaven jedoch stellten einen Wert dar, der erhaltenswert war.

Während Humboldt sich wunderte, dass die Sklaven sich nicht wehrten, schildert Plinius eine Rachetat der Geschundenen an ihrem Herrn, den sie – wehrlos im Bade – zusammenschlagen und vermeintlich tot auf den heißen Fliesen liegen lassen. Der Herr jedoch überlebt, wenn auch nur kurz. In der ihm verbleibenden Zeit lässt er alle an dem Aufstand Beteiligten töten und behält so, wenn auch mit dem Tod vor Augen, die Oberhand. Plinius‘ Schriften lassen den Schluss zu, dass er seine Sklaven gut behandelte, ihnen gewisse Rechte und Freiheiten einräumte, wenngleich er die Rechtmäßigkeit der Sklavenhaltung an sich nicht anzweifelte und die Sklaven in ihrem Verhalten mit Tieren verglich.

Interessanter Ansatz für den Lateinunterricht

Seneca hingegen sah Sklaven als Menschen: „Willst du bedenken, dass der, den du einen Sklaven nennst, aus demselben Samen entstanden ist, denselben Himmel genießt, gleich atmet, gleich lebt und gleich stirbt.“ Der römische Philosoph gab zu, dass er und seinesgleichen im Umgang mit Sklaven überheblich und grausam seien, aber er wollte dieses Thema nicht diskutieren und lässt dabei nicht nur Parallelen zu Humboldt erkennen, sondern dringt bis in die heutige Zeit vor, wo Menschen reicher Länder die Ausbeutung armer Menschen für ihren Wohlstand und Konsum wissend in Kauf nehmen.

Dennoch prägte Seneca mit seinem Appell „Du sollst so mit deinem Untergebenen leben, wie du möchtest, dass ein Höhergestellter mit dir lebt“ eine frühe Form des Sprichwortes „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu“. Außerdem könne sich nach Seneca die Zeit auch drehen: Aus Herrschern könnten Beherrschte werden und umgekehrt.

In ihrer Beschäftigung mit der Sklavenhaltung über einen so langen Zeitraum hinweg – von der Antike bis ins 19. Jahrhundert – erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler viele Parallelen und sie erkannten, dass die drei Gelehrten, mit denen sie sich befassten, immer als Menschen in ihrer Zeit zu verstehen sind. Für Alexander von Humboldt bedeutete dies, dass Revolution ihm trotz aller humanistischer Ideen nicht in den Sinn kam.

„Es war ein hoch interessanter, bisher noch nicht dagewesener Ansatz für dem Lateinunterricht“, sagte Ulrike Walter zu dem Vergleich Humboldt – Antike mit dem Fokus der Sklavenhaltung. „Ein Ansatz, den wir so sicher weiterverfolgen werden.“ Und das – Weiterdenken anhand neuer Erkenntnisse und Ergebnisse – wäre ganz sicher auch im Sinne Alexander von Humboldts.

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