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Wehrpflicht reloaded - Nachfrage bei den Direktkandidaten zur LandtagswahlDas sagen Döweling, Ruhl, Bastian und Rühl

REGION (jal/ls). In Hessen stehen Landtagswahlen bevor und im politischen Berlin beschert das Sommerloch denjenigen Politikern, die nicht im Urlaub sind, eine Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Was liegt da näher, als die Direktkandidaten der Wahlen im Herbst zu fragen, was sie von dem Thema halten? Hier sind ihre Antworten. 

Worum geht es nochmal genau? Angestoßen durch einige Äußerungen von der Basis der Union, ist eine Diskussion über ein Comeback der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht entstanden. Die Idee: Junge Männer – und auch Frauen – sollen eine gewissen Zeit bei der Armee oder Einrichtungen wie Feuerwehr, THW oder Kliniken arbeiten. Verpflichtend. Die Bundesregierung hat dem bereits eine Absage erteilt, diskutiert wird trotzdem. Hier ist das, was die Direktkandidaten des Vogelsbergkreises für die Landtagswahl davon halten. Wir dokumentieren ihre Aussagen im Wortlaut.

Mario Döweling, FDP

„Ich finde die Idee einer Dienstpflicht absolut unsinnig. Die Wehrpflicht kostet sehr viel und hat keinen Mehrwert für unsere Streitkräfte. Man sollte lieber in eine vernünftige Ausstattung der Bundeswehr investieren, anstatt junge Menschen zu einem Zwangsdienst zu verpflichten. Auch die Anreize für ein freiwilliges soziales Jahr könnten mit einem Bruchteil der Mittel, den  diese Idee der JU kosten würde, gestärkt werden.

Im übrigen ist es nicht einzusehen, warum jungen Menschen, die bereits ein Berufs- oder Studienziel haben, dieses Dienstjahr als „Bremsklotz“ in den Weg gelegt werden sollte. Bei der Verpflichtung für alle Schulabgänger ergäbe sich im Übrigen das Problem, das auch unter 18 jährige zum Dienst an der Waffe herangezogen würden.“

Michael Ruhl, CDU

„Ich stehe der Idee einer allgemeinen Dienstpflicht offen gegenüber. Bereits jetzt besteht in der Bundeswehr eine Personalknappheit, die nur über die freiwillig Wehrdienst leistenden nicht aufgefangen werden kann. Die allgemeine Dienstpflicht gäbe, im Gegensatz zur allgemeinen Wehrpflicht den Dienstpflichtigen eine echte Wahlfreiheit darüber, ob sie den Dienst bei der Bundeswehr, im Katastrophenschutz (z.B. THW, Feuerwehr, Rettungsdienst) oder in einer sozialen Einrichtung ausüben wollen. Damit könnten die jungen Menschen durch den Dienst an der Gesellschaft dieser etwas zurück geben und zum Zusammenhalt beitragen.

Darüber hinaus schnuppern sie über einen längeren Zeitraum in ein Tätigungsfeld hinein, das möglicherweise hilfreich bei der Berufswahl sein kann oder Menschen über das Jahr der Dienstpflicht hinaus zum freiwilligen Engagement für die Gesellschaft motivieren kann. Durch das Nebeneinander von Wehrdienst und zivilem Dienst würde zudem das Problem einer mangelnden Wehrgerechtigkeit, das heißt, dass nur ein Teil eines Jahrgangs zu einem Dienst herangezogen würde, gelöst.

Mit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht wurden die Freiwilligendienste eingeführt (freiwilliger Wehrdienst, freiwilliges soziales Jahr (FSJ), freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ), etc.). Diese konnten jedoch den vormaligen Wehr- und Zivildienst nicht adäquat ersetzen, so dass ich der Dienstpflicht offen gegenüber stehe.

Grundsätzlich sollte natürlich der Anreiz für freiwilliges Engagement an der Gesellschaft weiter verbessert werden. Das gilt grundsätzlich für das Engagement zum Beispiel in der Feuerwehr, in Vereinen oder gesellschaftlichen Gruppen. Ich bin jedoch skeptisch, ob alleine Anreize ausreichen, damit sich ausreichend Personen freiwillig für ein Jahr in den Dienst der Gesellschaft stellen.“

Swen Bastian, SPD

„Ich kann der rückwärtsgewandten Unions-Debatte über neue Zwangsdienste nichts Positives abgewinnen. Zumal es den Anschein hat, dass es nicht in erster Linie um die Sache geht. Konservative Kreise innerhalb von CDU und CSU haben mit dem Thema eine parteiinterne Debatte angestoßen, die geeignet ist, Angela Merkel an einer weiteren Stelle unter Feuer zu nehmen. Von einer Union kann man inzwischen kaum mehr sprechen. Innerhalb von CDU und CSU tobt ein handfester Machtkampf um die Nachfolge von Merkel. Und dieser wird parteiinternen gerade auch mit solchen Debatten geführt. Ich bin davon überzeugt, dass diese Kontroverse CDU und CSU einmal mehr schaden wird, anstatt zu helfen.

Es gibt seit 2011 keine Wehrpflichtigenarmee und damit auch keine verpflichtenden Dienste mehr in Deutschland. Der konservative Flügel der CDU hat das niemals überwunden. Die Idee eines Pflichtjahres ist deshalb alles andere als neu. Vor allem den konservativen Unionsflügel treibt eine Rückkehr zur Wehrpflicht oder eine neue Dienstpflicht seit Langem um.

Den innerparteilichen Kontroversen der Union zum Trotz ist aber Fakt, dass die Wehrpflicht und damit verpflichtende Dienste in Deutschland mit den Stimmen von CDU und CSU abgeschafft worden sind. Wer heute nun wieder etwas Anderes möchte, muss dafür das Grundgesetz ändern. Ich sehe aber nicht, dass es für eine solche Grundgesetzänderung im Deutschen Bundestag aktuell eine Mehrheit gibt. Und ich sehe ebenfalls nicht, dass die SPD der Einführung von Zwangsdiensten zustimmen könnte.

Die Bundeswehr muss unabhängig vom jüngsten Streit innerhalb der Union ein attraktiver Arbeitgeber werden, dem es gelingt Personal für sich zu gewinnen und zu binden. Dies erfordert gute Arbeitsbedingungen, Vollausstattung und funktionierendes Gerät. Die Bundeswehr braucht für die aktuellen Herausforderungen Spezialisten, eine gute Ausrüstung, moderne Infrastruktur und eine gute Führung. Mit Nebelkerzen ist ihr nicht geholfen. Es spricht nichts dagegen mit zusätzlichen Anreizen Menschen für freiwillige Dienste zu motivieren. Zwangsdienste, wie sie aktuell im unionsinternen Streit gefordert werden, passen aber weder in die heutige Zeit noch zu einer freien Gesellschaft.“

Steffen Rül, AfD

„Wir von der AfD sind erst einmal für die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die die Bundeswehr in der Gesellschaft wieder besser verwurzeln würde und wegen der aktuellen Sicherheitslage zu favorisieren ist. Einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer stehe ich aber auch positiv gegenüber. Es ist aus meiner Sicht gut, wenn man sich verpflichtet für die Gesellschaft Gutes zu tun. Für die jüngere Generation wird so Handy und Computer wieder in den Hintergrund rücken. Mehr Anreize für freiwillige Dienste gilt es dabei ebenfalls zu geben.“

Andere Kandidaten

Aus dem Büro der Grünen-Kandidatin Eva Goldbach hieß es, dass sie aus terminlichen Gründen es nicht schaffe, auf die Fragen von OL zu antworten. Von den Kandidatin der Linken, Nicole Eggers, lag auch lange nach der von OL erbetenen Frist keine Antwort vor.

LINKTIPP

Ein Pro und Contra von der OL-Redaktion zu dem Thema finden Sie hier.

7 Gedanken zu “Das sagen Döweling, Ruhl, Bastian und Rühl

  1. Wieso werden immer nur den jungen Menschen ungenügende soziale Kompetenzen unterstellt, die sie dann durch irgendeinen Zwangsdienst noch nachträglich erwerben sollen? Wo junge Menschen „Egomanen“ sind, die weder auf ihre Mitmenschen achten noch diesen Respekt entgegen bringen, schaut man am besten zuerst auf diejenigen, die sie so schlecht erzogen haben. Vielleicht fällt den „Namensvettern“ Ruhl und Rühl ja noch eine Art paramilitärischer Volkssturm ein, in dem die erwachsenen Erziehungsverweigerer dann nach Herzenslust durch den Morast robben können, um soziale Kompetenzen zu erwerben. Wer mit der ganzen Einheit auf dem selbstgezimmerten Donnerbalken gesessen, mit dem Kochgeschirr lange genug zum Essenfassen in der Schlange gestanden und am roten Teppich bei Schneegestöber stundenlang auf den Staatsgast geharrt hat, nimmt keinem mehr die Vorfahrt oder drängt sich an der Aldi-Kasse vor. Ruhlen! Äh, Rühlen! Ach nein: RÜHREN!

  2. @ J.G.
    Die „alten Geister“ von denen Sie sprechen, waren immer da und warteten in ihren Löchern auf ihre Chance. Das wäre nicht schlimm, wenn es genügend stark argumentierende „junge Geister“ (jeden Alters!) gäbe. Stattdessen gibt es viele Junge, die wie die Alten daher reden.

  3. @ Jürgen Großhaus 07.08.2018
    Doppelt gepostet macht Ihren Vorschlag, immer nur die abstimmen zu lassen, die es am meisten betrifft, auch nicht plausibler. Denn dann stimmen morgen die Vermögenden gegen die Vermögenssteuer, die Einkommenssteuerzahler gegen die Einkommenssteuer und die Lohnsteuerzahler gegen die Lohnsteuer. Und am Ende erhöhen sich die Bundestagsabgeordneten einfach die Diäten selber, ha ha ha, so ein Witz! Ach, tun sie schon? Na, sowas aber auch!

  4. Frau Merkel schwächelt in letzter Zeit etwas und schwupps sind die alten Geister, die niemand rief, wieder da. Wenn es darüber je eine Abstimmung geben sollte, dann sollten aber bitte nur die, die es auch betrifft abstimmen dürfen. Nicht mehr Leute wie ich, mich betrifft das nicht mehr.Ansonsten gilt: si tacuisses……..

  5. Frau Merkel schwächelt in letzter Zeit etwas und schwupps sind die alten Geister, die niemand rief, wieder da. Wenn es darüber je eine Abstimmung geben sollte, dann sollten aber bitte nur die, die es auch betrifft abstimmen dürfen. Nicht mehr Leute wie ich, mich betrifft das nicht mehr.Ansonsten gilt: si tacuisses……..

  6. @ Junge Generation
    Nu mal sachte: „Verwerflich“ sind in unserem Land ganz andere Dinge, aber nicht das Plädoyer für bürgerliche Freiheiten und die Ausbildungsbedürfnisse junger Menschen, das sich ja auch mit den erforderlichen Maßnahmen gegen den drohenden Fachkräftemangel deckt. Gerade erst hat man G8 im Gymnasium abgeschafft und das 13. Schuljahr wieder installiert. Nun soll noch ein Jahr „Zwangsdienst“ dazu kommen. Nichts gegen die Vermittlung sozialer Kompetenzen (aber bitte nicht nur für die Jungen, sondern auch die „Führungskräfte“ der Wirtschaft und sonstige „Eliten“!) und „ein bisschen Erziehung“ (darf ruhig auch ein „bisschen mehr“ sein!). Das ist aber ein Thema für Familie, Kita und Schule! Was Hänschen oder Benisha-Rapuntula bis zum Abitur oder Ende der Lehrzeit nicht gelernt haben, kann man ihnen in einem verpflichtenden Dienst- oder Wehrdienstjahr auch nicht mehr beibringen.

  7. Eine Soziales Dienstjahr als „Bremsklotz“ zu bezeichnen, finde ich verwerflich. Hier bekommen viele junge Erwachsene erst Soziale Kompetenzen vielleicht auch ein bisschen Erziehung beigebracht. Dieses knappe Jahr wo man in soziale Einrichtungen oder bei der Bundeswehr seinen Dienst an der Gesellschaft leistet ist momentan wichtiger als zu jeder anderen Zeit. Wir Leben immer mehr in einer Egomanischen Welt wo keiner mehr auf den anderen Achtet und den gewissen Respekt besitzt.

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