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Seminarreise nach Slowenien brachte es an den TagMehr Engagement von Nöten

LAUTERBACH (ol). Beim Thema „deutschsprachiger Minderheitenschutz“ bestünden im EU-Land Slowenien weiterhin erhebliche Ressentiments bei der Bevölkerung und vor allem den offiziellen Stellen in der Gesellschaft, wie in einer Pressemeldung vom Deutsch-Europäischen-Bildungswerk Hessen bekannt gegeben wurde.

Dabei dürfte der zweite Weltkrieg und die danach fast vollständig erfolgte Vertreibung, der im ehemaligen Jugoslawien lebenden Deutschen, eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Und dies hatte auch eine 36köpfige Gruppe aus allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland erfahren. Die Gruppe hatte kürzlich mit dem Deutsch-Europäischen-Bildungswerk Hessen e.V. (DEB) eine äußerst interessante Seminarreise nach Ljubljana/Laibach und Umgebung – im Rahmen der Reihe “Begegnung und Verständigung im gemeinsamen europäischen Haus“ – unternommen.

Prof. Miran Komac und RA Rudolf Vouk beim Koreferat. Foto: Michael Gediga

Mit Absicht dieses Reiseziel ausgesucht

Veranstaltungen dieser Art würden vom Bundesministerium des Inneren in Berlin gefördert und vom DEB seit vielen Jahren mit Reisen in die Länder der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete mit viel Erfolg durchgeführt. Nun sei erstmals das südosteuropäische Land Slowenien aufgesucht worden, dass seit 2004 der Europäischen Union als Mitglied angehöre und seit 2007 den Euro als Währung hat. Der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) in Hessen, Siegbert Ortmann (Lauterbach), der auch Initiator und Leiter des einwöchigen verständigungspolitischen Seminars war, hatte gerade dieses Reiseziel ausgesucht, um vor Ort die vorhandene Problematik der heutigen deutschsprachigen Gemeinschaft in Slowenien mit 3000 bis 5000 Angehörigen genauer zu erkunden.

Seminarteilnehmer im Partisanenlager „Baza 20“. Foto: Michael Gediga

Die Veranstaltung begann mit mehreren Statements. Den Anfang machte der Vertreter des Auswärtigen Amts von Slowenien, Miran Kresal, gefolgt von dem Kulturattaché der deutschen Botschaft Peter Lange sowie der Geschäftsführerin der Deutsch-Slowenischen IHK, Gertrut Rantzen. Dabei sei einhellig klargestellt worden, dass die bilateralen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Slowenien momentan sehr gut seien. Und davon hatten sich die Seminarteilnehmer bei einer wenige Tage späteren Besichtigung des großen Adria-Hafen in Capodistria/Koper, auch als „slowenisches Fenster in die weite Welt“ genannt, augenscheinlich überzeugen können. Dort seien unter anderem ständig große Mengen, von aus Deutschland angelieferten Produkten, bis zu ihrer weltweiten Verschiffung gelagert.

Eine deutschsprachige Minderheit gibt es in seiner Stadt nicht

Bei den an den Folgetagen durchgeführten Rathausempfängen und Stadtbesichtigungen in Laibach, Cilli, Maribor, Bled und Piran seien sehr häufig historische Relikte aus der Jahrhunderte langen deutschsprachigen Vergangenheit dieser Region deutlich geworden. Doch vermeintliche, gegenwärtige Probleme mit einer deutschsprachigen Minderheit in Slowenien seien zumindest von offizieller Seite daraus nicht ableitbar – Im Gegenteil. Von dem Bürgermeister in Celje/Cilli, Bojan Srot sei bei einem angenehmen und herzlichen Empfang im Rathaus auf Nachfrage eines Seminarteilnehmers kurzerhand darauf verwiesen worden, dass es eine deutschsprachige Minderheit zumindest in seiner Stadt gar nicht gebe. Ganz anders äußerten sich dann aber, bei Begegnungen in den Kulturzentren in Maribor und Krapflern, die dortigen Vertreter der deutschsprachigen Volksgruppe und der sogenannten Gottscheer Deutschen. Ihre deutschen Kulturvereine würden sich seit vielen Jahren auf der Grundlage von Versöhnung und Verständigung gemeinsam für die Anerkennung der Deutschen als autochthone Volksgruppen in der slowenischen Verfassung einsetzen. Sie würden in den Vereinsräumen mit ihren Angehörigen ein überaus reges gesellschaftliches Leben, vor allem auch mit Kindern und Jugendlichen, organisieren.

Veronika Haring bei ihrem Vortrag Foto: Michael Gediga

Durch zahlreiche Publikationen schaffen diese Vereine darüber hinaus auch ein größeres Bewusstsein, über die außerordentlichen deutschen Errungenschaften auf dem Gebiet der Kultur in der Vergangenheit bei der slowenischen Mehrheitsbevölkerung. Damit gelinge sogar eine gewisse Anerkennung der deutschsprachigen Bewohner bei der aktuellen Landesentwicklung. Die Vorsitzende des Kulturvereins der deutschsprachigen Frauen Brücken, Veronika Haring, (Maribor) führte dazu in einem sehr anschaulichen und recht emotionalen Vortrag über die heutige Lage der Deutschen Minderheit in Slowenien wörtlich aus: “Leider gibt es immer noch Menschen, die den deutschsprachigen Bewohnern hierzulande feindlich gesinnt sind, doch es werden mit jedem Tag weniger und es überwiegt die Meinung, dass es sich dabei um eine kulturell ungebildete und ideologisch verblendete Minderheit handelt. Meiner Überzeugung nach befinden wir uns mit unserer Tätigkeit auf dem richtigen Weg, der auch der kürzeste ist zu der rechtlichen Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit seitens der Republik Slowenien“.

„Minderheiten als Brücke zur Verständigung zwischen den Völkern“

In einem äußerst interessanten Koreferat mit Doktor Miran Komac, von der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Ljubljana und Rechtsanwalt Magister Rudolf Vouk als Vertreter der slowenischen Minderheit in Kärnten sei es vor allem um das Thema „Minderheiten als Brücke zur Verständigung zwischen den Völkern“ gegangen. Dabei sei am Beispiel der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1998, deren unterschiedliche Umsetzung in Österreich und Slowenien verständlich herausgearbeitet worden sei, mit den Seminarteilnehmern lebhaft diskutiert worden. Unterstützt sei diese Veranstaltung, wie das gesamte Wochenprogramm von dem Politikwissenschaftler und freien Mitarbeiter von Socialna akademija, Mario Plesej, der dankenswerterweise zum Teil auch als Dolmetscher fungierte und in seiner Art der Kommunikation ein Gewinn für den ganzen Seminarverlauf gewesen sei.

Bürgermeister Peter Bossmann in Piran mit Dolmetscherin und Seminarleiter. Foto: Michael Gediga

Die dunkle Geschichte und Erinnerungskultur im 20. Jahrhundert sei den deutschen Seminarteilnehmern beim Besuch des Museums der neueren Geschichte Sloweniens in Laibach näher gebracht worden. Außerdem hatten die Besucher augenscheinlich nähere Eindrücke bei der Besichtigung der sehr versteckt gelegenen Partisanengedenkstätte, „Baza 20“ in den ausgedehnten Waldungen der hohen Berge, oberhalb des Kurortes Toplice/Töplitz in der historischen Region der Gottscheer, sammeln können. Auch die Begegnung mit dem Verein der Vertriebenen Sloweniens 1941 bis 1945 hatte noch heute vorhandene Wunden, bei den Opfern der deutschen Besatzungsmacht aus jener Zeit, erkennen lassen. Die Vorsitzende Ivica Znidarsic hatte nach ihrem Referat, „Organisiertheit der slowenischen Vertriebenen und Zwangsarbeiter und die Bestrebungen zur Geltendmachung der Rechte auf Kriegsentschädigung“, dafür um Verständnis gebeten.

Beim Abschluss des Seminars, anlässlich eines Empfangs im Rathaus von Piran/Pirano, ging der dortige Bürgermeister, Peter Bossmann, der sich schon wegen seiner schwarzen Hautfarbe als ehemaliger westafrikanischer Migrant outete, unter anderem auf die Lage der italienischen Minderheit und das zivilgesellschaftliche Leben in seiner multikulturellen Stadt ein. Er verriet auf Nachfrage zur deutschsprachigen Minderheitenpolitik in Slowenien einen wohlgemeinten überaus treffenden Vorschlag, wonach sich nämlich die Vertreter dieser Volksgruppe doch engagierter für ihr Anliegen einsetzen sollten.

Gesamte Reisegruppe bei der Stadtbesichtigung in Ljubljana/Laibach. Foto: Michael Gediga

Auf der Rückreise nach Deutschland dankte die Teilnehmerin Doktor Maria Werthan, auch Präsidentin des Frauenverbandes im Bund der Vertriebenen in Deutschland, in aller Namen dem Seminarleiter Siegbert Ortmann. Auch die begleitenden BdV-Mitarbeiter, Jolanta Lemm und Hubert Leja von der BdV-Landesgeschäftsstelle in Wiesbaden, erhielten einen Dank. Besonders für die bestens organisierte und problemlos durchgeführte Bildungsreise in ein mehr oder weniger bekanntes EU-Land mit der vorgegebenen Minderheitenproblematik. Darüber hinaus für das angenehme und äußerst disziplinierte Miteinander während des gesamten Aufenthalts in Slowenien.

Ein Gedanke zu “Mehr Engagement von Nöten

  1. Mit Befremden habe ich die von Siegbert Ortmann, Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen (BDV), herausgegebene Presseerklärung zum Besuch der Reisegruppe im Rathaus in Celje, Slowenien gelesen. Darin steht:
    „Von dem Bürgermeister in Celje/Cilli, Bojan Srot sei bei einem angenehmen und herzlichen Empfang im Rathaus auf Nachfrage eines Seminarteilnehmers kurzerhand darauf verwiesen worden, dass es eine deutschsprachige Minderheit zumindest in seiner Stadt gar nicht gebe. “
    Diese Aussage ist falsch:
    Ich war selbst Teilnehmer der Reisegruppe, Bürgermeister Srot sagte, es gebe einen deutschsprachigen Verein, dessen Aktivitäten aber kaum noch wahrzunehmen seien. Celje ist sehr positiv gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eingestellt, es gibt langjährige Partnerschaften mit deutschen Partnerstädten und regen Austausch von verschiedenen Vereinen. Siegbert Ortmann ist schon in Slowenien, wo er die obige Aussage vertrat,
    auf seine falsche Wahrnehmung hingewiesen worden. Um so mehr erstaunt es, daß er weiterhin die falsche Behauptung, die auch auf der Seite des BDV Hessen ersichtlich ist, aufstellt.

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