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Fahrsicherheitstraining für Spezialkräfte mit Technik aus AlsfeldMit dem Landmann in der Spur bleiben

STORNDORF. Plötzlich bricht das Fahrzeug aus. Das Einlenken in die Kurve ist nicht möglich und mit rund 50 Stundenkilometern geht es auf die nächste Wand zu. Bremsen, gegenlenken, Panik – die Wand kommt immer näher.

Ganz zufällig ist der Wagen nicht ausgebrochen, dafür war mein Beifahrer verantwortlich. Grinsend schaut er rüber und meint, „na, du bist ja kreidebleich geworden, da war doch noch jede Menge Platz“. Mit einer Fernsteuerung hat er dafür gesorgt, dass der Trainings-Pkw mit einlenkbaren Hinterrädern nahezu unkontrollierbar wurde.

Der Erfinder Reinhard Landmann hat Mitte September gemeinsam mit der Firma Hartmann Spezialkarosserien sein neustes Trainingsgerät auf der Teststrecke der Firma Stehr Baumaschinen vorgestellt. Die anwesenden Pressevertreter waren  dazu eingeladen, das Vorgängermodell mit Stützrädern und das neue Modell mit einlenkbaren Hinterrädern zu testen.

Die Krux bei der Sache: der geschulte Beifahrer sorgt dafür, dass der Wagen in eine beliebige Richtung ausbricht. Ganz egal, ob in Kurven oder auf der Geraden, wenn er es will, gerät das Testfahrzeug außer Kontrolle – und als Fahrer muss man dann sehen, wie man es wieder in den Griff bekommt.

Hintergrund der Aktion: Die Fahrzeuge werden zum Fahrsicherheitstraining eingesetzt.  Die Fahrer sollen dabei lernen, intuitiv die richtige Entscheidung zu treffen, damit das Fahrzeug unversehrt auf der Straße bleibt. Denn sobald man anfängt nachzudenken, ist es meist schon zu spät, daher soll mit dieser Methode das automatisierte, richtige Handeln erlernt werden.

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Trotz einer bewegenden beruflichen Laufbahn ist für Reinhard Landmann Ruhestand keine Option und er blickt stets nach vorne.

Die Weiterentwicklung der Trainingsfahrzeuge kommt aus Alsfeld

Im Vorgängermodell bedient der Beifahrer noch mechanisch Fußpedale, um das Fahrzeug aus der Spur zu bringen. „Geübte Fahrer sehen das im Augenwinkel und wissen schon vorher, was zu tun ist. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der Sache“, erklärt der Beifahrer. Beim neuen Wagen ist das nicht mehr möglich, weil das Auto Befehle über eine Fernsteuerung bekommt. Darüber hinaus kommt es ohne die breiten Stützräder aus. Dadurch sind auch Trainings auf weniger breiten Straßen möglich und das Fahrgefühl ist realistischer.

Zusammengebaut haben den Wagen mit den einlenkbaren Hinterrädern die Mitarbeiter von Hartmann Spezialkarosserien. Thomas Weitzel hat die Programmierung übernommen, Christian Noll war für die Konstruktion verantwortlich und Guido Becker für die Umsetzung. Unterstützt wurden sie dabei von Henrik Scheppler von der „Heinz und Gisela Friedrichs“-Stiftung sowie von Reinhard Landmann, Patent- und Markeninhaber „Landmann Training – Gefahrensensibilisierung und „Landmann-Joa-System – Training-Car-Innovations“.

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Fahrer und Fahrzeug gehen bis an die Grenze des physikalisch Machbaren.

Während Landmann die Vorzüge seines Fahrsicherheitstrainings erklärt, testen die Profis den neuen Wagen. Bei ihnen wird deutlich schneller gefahren und auch die Intensität des Ausbrechens erhöht. Denn gerade das sei der große Vorteil der Weiterentwicklung: die Variabilität und die Möglichkeit je nach fahrerischem Können die Anforderungen zu erhöhen. „Auf einigen Verkehrssicherheits-Trainingsplätzen gibt es eine ‚Verschiebeplatte‘, wenn man aber schneller als 60 Stundenkilometer fährt, kann man sie austricksen“, so Landmann. Diese Anlage bestehe aus einer elektronisch gesteuerten hydraulisch verschiebbaren Platte mit einer sich anschließenden Gleitfläche. „Wenn die Hinterräder eines Fahrzeuges über die Platte fahren, bewegt sich diese ruckartig nach rechts oder links. Das Fahrzeug bricht dann mit dem Heck in die jeweilige Richtung aus und gerät in einen instabilen Fahrzustand“, wenn man die Platte nicht austrickse, könne man sich aber gut auf sie einstellen und das sei vorhersehbar.

Landmann nutzte seine Know-how aus seiner beruflichen Laufbahn

Zum Fahrsicherheitstraining braucht man jetzt nur noch eine geeignete Teststrecke, wie das Stehrodrom in Storndorf. Aufwendige Konstruktionen im Boden, wie die ‚Verschiebeplatte‘, sind nicht mehr von Nöten, erklärte Landmann. Ganz nebenher erzählt der umtriebige Erfinder, wie er nach seiner Pension angefangen hat sein Fahrsicherheitstraining zu entwickeln. Pensionär sein sei für ihn nichts gewesen. Daher habe er seine berufliche Erfahrung genutzt, um die Fahrzeuge zu entwickeln und eine Firma für Fahrsicherheitstraining zu gründen. Vor allem in den Bereichen der Polizeiausbildung, beim Militär und dem Fahrtraining von Spezialeinheiten ist Landmann tätig.

Nicht ohne Stolz öffnete er seinen Aktenkoffer und zeigte Fotos seiner beruflichen Laufbahn. Der gelernte Maschinenschlosser wurde zunächst Bundesgrenzschutz-Beamter und stieg in seiner Laufbahn zum Führer des unmittelbaren Personenschutzes für besonders hochrangige gefährdete Staatsgäste auf. In dieser Funktion hatte es der gebürtige Schottener mit vielen Staatsoberhäuptern zu tun. Auf den Bildern ist er gemeinsam Helmut Kohl, Ronald Reagan und vor allem mit ehemaligen Größen des Warschauer Pakts, dem Nahen Osten oder aus Afrika zu sehen. „Zwei Journalisten haben ein Buch über mich geschrieben. Im nächsten Jahr können alle meine Biografie lesen“, verkündete Landmann.

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Mit der Betätigung des roten Hebels kommt es zum Untersteuern oder Übersteuern des Fahrzeugs.

Fahrsicherheitstraining auch ohne Beifahrer

Als das Team von Hartmann Spezialkarosserien sich eine Pause gönnte und sich deshalb die Teststrecke leerte, war das Fahrsicherheitstraining noch nicht zu Ende. Für das Vorgängermodell mit den Stützrädern holte Landmann einen weiteren Schaltknüppel aus dem Kofferraum und befestigte ihn an den Pedalen an der Beifahrerseite. „Dreh Du noch ein paar Runden. Mit dem Hebel kannst Du dich selbst aus der Bahn werfen und bekommst ein Gefühl dafür, wie Du gegensteuern musst“, trieb er mich zu einer weiteren Testfahrt an. Denn auch beim Vorgängermodell wird durch den kleinen Trick nicht zwingend ein Beifahrer benötigt.

Und schon hieß es für mich erneut im Auto Platz zu nehmen, um auf die Piste zu gehen. Zugegebenermaßen war mein Erfolg eher unterdurchschnittlich. Mit einer Hand am Lenkrad und mit der anderen zwischen Schaltknauf und dem Hebel zu wechseln, der für unter- und übersteuern sorgt und dann auch noch den Wagen in der Spur zu halten, ist eben nicht ganz einfach. Aber schließlich muss ich als ziviler Testfahrer auch nicht im Ernstfall für die Terrorismusbekämpfung oder Geiselbefreiung wie Landmanns eigentliche Schüler vorbereitet sein.

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Wasser- und Fahrbahnverschutzungen erschweren das Steuern zusätzlich.

von Christian Dickel

 

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