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Das KJP ist eine Jugendvertretung – Warum lassen sich Jugendliche wählen?„Etwas bewegen, verändern und verbessern“

VOGELSBERGKREIS. Es passiert ja doch etwas! Jugendliche engagieren sich seit vielen Jahren politisch im Vogelsbergkreis. Wie wichtig ist Jugendlichen Demokratie? Wofür und warum engagieren sie sich? Um diese und weitere Fragen beantworten zu können, traf die OL-Autorin Jessica Haak sich in herbstlicher Atmosphäre mit Noemi Tamme (16) und Jann-Louis Hau (19). Beide Schottener sind Abgeordnete des Kreisjugendparlaments, kurz KJP, einer Vogelsberger Jugendvertretung.

Frage: Was ist das KJP?
Jann-Louis: Das Kreisjugendparlament, früher Kinder- und Jugendparlament, ist ein Mitbestimmungsgremium für Jugendliche. 27 Abgeordnete aus 19 Städten und Gemeinden des Vogelsbergkreis vertreten junge Menschen auf Kreisebene. Die Zahl der Abgeordneten richtet sich hierbei nach der Einwohnerzahl. So stellt Schotten beispielsweise zwei, Lauterbach drei Abgeordnete.

Wie wird man Abgeordneter und wie funktionieren die Wahlen?
Jann-Louis: Vertreter des Jugendbildungsvertreter und Abgeordnete des KJP besuchen Schulen, stellen das KJP dort vor und suchen für die nächste Wahl Kandidaten. Wer Interesse hat, kann sich anhand eines Anmeldebogens bewerben und kandidieren. In der Schule werden Wahlplakate aufgehängt. Die Wahl erfolgt dann häufig im Klassenverband.

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Politisch engagiert im Vogelsberg: Noemi Tamme (16) und Jann-Louis Hau. Foto: jeh

Wie seid ihr auf das KJP aufmerksam geworden und mit welcher Motivation habt ihr kandidiert?
Noemi: Die Vorstellung des KJP in der Schule fand ich sehr spannend. Ich war neugierig was mich erwarten würde. Ich wollte für Jugendliche unserer Stadt sprechen können und mich beispielsweise gegen Rassismus stark machen oder mich für bessere Busverbindungen einsetzen – wollte mitbestimmen. Ich bin seit der neunten Klasse Abgeordnete – das macht eine Amtsperiode*.

Jann-Louis: Ich habe mich bereits seit der fünften Klasse in der SV engagiert. Das setzte sich bis zum Ende meiner Schulzeit fort. Außerdem war ich schon damals politisch interessiert.. In der siebten Klasse machte mich mein Politik und Wirtschaftslehrer schließlich auf das KJP aufmerksam. Glücklicherweise standen die Neuwahlen zu diesem Zeitpunkt an – ich hielt es für eine coole Sache zu kandidieren. Auch meine Mitschüler hielten mich für geeignet und gaben mir Zuspruch. Ich wollte etwas bewegen, verändern und verbessern. Damals war der Jugendraum ein besonders großes Thema, das schließlich eine große Entwicklung durchmachte. Jedenfalls stellte ich mich nach der Vorstellung auf und wurde gewählt. Nun bin ich seit drei Legislaturperioden* im KJP und bekleide seit den letzten beiden das Amt des 1. Vorsitzenden. Der Amtsantritt zum ersten Vorsitzenden erfolgte passend zum 20. Jubiläum des KJP – daran erinnere ich mich gerne.
*eine Wahlperiode umfasst zwei Jahre

Was sind eure Aufgaben innerhalb des KJP?
Jann-Louis: Erzwungen Aufgaben gibt es nicht. Die Projekte für die wir uns einsetzen, suchen wir uns selbst aus. So setzten wir uns beispielsweise für eine Plakataktion gegen Rechts ein. Die Teilnahme basierte auf freiwilliger Basis. Als 1. Vorsitzender leite ich ansonsten die Sitzungen. Unterstützt werde ich dabei durch den zweiten und dritten Vorsitzenden, indem sie beispielsweise Rednerlisten führen. Auch gibt es einen Protokollanten und einen Pressesprecher, der sich beispielsweise um unsere tolle Website kümmert.

Wie oft trefft ihr euch mit dem KJP?
Jann-Louis: Alle zwei bis drei Monate zu Seminaren und Sitzungen.
Noemi: Die Seminare dauern meist von Freitag bis Sonntag – das kommt ganz darauf an, was momentan ansteht.

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„Stellenwert der Demokratie schwindet“: die beiden Schottener, aber sind engagiert.

Mit der „Clevercard“ kostenlos Bus fahren?

Was sind eure aktuellen Projekte?
Jann-Louis: Das Jugendhaus. Das KJP unterstützt hierbei die Jugendinitiative Schotten (https://www.facebook.com/JugendinitiativeSchotten1). Ich selbst hatte den Eindruck, dass Vertreter der Städte und Gemeinde die Meinung eines KJP-Abgeordneten schätzen und gewollt sind zu helfen. Obwohl es in den letzten Jahren einige Schwierigkeiten gab, haben wir uns dafür stark gemacht, dass es weiter geht.Schließlich besteht bei vielen Jugendlichen Bedarf nach einem Jugendraum bzw. einem Zentrum wo sie abhängen können. Gemeinsam mit Vertretern der Stadt Schotten und des Jugendbildungswerks sprachen wir so innerhalb einer Zukunftswerkstatt über Ideen und Umsetzung. Schlussendlich wurde aus dem Jugendraum ein ganzes Jugendhaus. Das kann man als riesigen Erfolg für uns Jugendliche verzeichnen. Das KJP begleitet das Projekt der JIS und würde sich natürlich gerne an der Renovierung beteiligen.

In einem weiteren Projekt stand die „Clevercard“ im Zentrum. Wir wollten Schülern die Möglichkeit geben, Bus – und Bahnverbindungen im Vogelsberg kostenlos zu nutzen. Das Thema wurde heiß diskutiert. Wir stießen auf Zustimmung, aber auch auf Ablehnung. Das Gespräch mit dem Landrat blieb jedoch erfolglos. Wir planen jedenfalls weitere Schritte.

Wenn man sich so viel engagiert, bleibt da überhaupt noch Freizeit?
Jann-Louis: Ich habe eigentlich viel Zeit. Zurzeit studiere ich Biologie an der Universität in Hohenheim und strebe den Bachelor of Sciene an. Ansonsten spiele ich Fußball bei SV Blau-Weiß Schotten. Natürlich unternehme ich auch gerne etwas mit meinen Freunden. Vor allem nach dem Abi war dafür viel Zeit: Wir waren drei Wochen in Kroatien.

Noemi: Ich helfe bei der Flüchtlingshilfe in Schotten. Den Rest der Zeit nimmt die Schule größtenteils ein, deswegen bleibt leider nicht mehr viel Freizeit.

Was kann man sich unter der Flüchtlingshilfe in Schotten vorstellen?
Noemi: Das Dekanat veranstaltet mit dem Unterstützerverein jeden Mittwoch gemeinsame Treffen. Ich helfe beim Einkaufen und bei der Organisation. Bis vor kurzem habe ich auch Sprachkurse gegeben – das ist mir aufgrund von der Schule zurzeit leider nicht mehr möglich. Ich nehme an den Sitzungen des Unterstützervereins teil und kümmere mich um dessen Facebookseite. (https://www.facebook.com/begegnung.schotten/?fref=ts)

Welche Erfahrungen hast du dort gemacht?
Noemi: Die Menschen dort sind wie eine zweite Familie für mich geworden. Ich fühle mich unter ihnen sehr wohl. Sie fragen ständig wie es uns geht und ob wir etwas brauchen. Obwohl sie selbst nicht viel haben, sind sie bereit unglaublich viel zu geben. Gastfreundlichkeit wird hierbei ziemlich groß geschrieben. So lud man uns zu zwei riesen großen Familienpizzen ein. Außerdem sind sie sehr höflich. Ich werde jedes mal mit einem Lächeln gegrüßt. Um ehrlich zu sein, sind sie netter als manch „Einheimischer“.

„Stellenwert der Demokratie in unserer Gesellschaft schwindet“

Welchen Stellenwert hat Demokratie für euch? Wie äußert sich das im KJP:
Jann-Louis: Demokratie hat einen hohen Stellenwert für mich. Es ist wichtig eine Stimme zu haben und Jugendlichen eine Stimme zu geben. Einige sind bereits auf mich zugekommen und haben sich beispielsweise über das Jugendhaus erkundigt. Ich finde es super, dass es eine Möglichkeit gibt seine Meinung frei zu äußern und zu leben, wie man leben will.
Leider habe ich das Gefühl, dass der Stellenwert der Demokratie in unserer Gesellschaft immer weiter schwindet.

Noemi: Ich kann Louis da nur zustimmen. Außerdem ist das KJP eine super Möglichkeit, um Erwachsenen zu zeigen, dass auch Jugendliche politisch interessiert und engagiert sind. Demokratie ist wichtig, um so zu leben wie man möchte – frei von Diskriminierung und Einschränkung , zumindest theoretisch.

Jann-Louis: Bei Anregungen, Beschwerden oder Wünschen, die den Vogelbergkreis betreffen, könnt ihr euch jederzeit an uns wenden. Das KJP hat Sitze in verschiedenen Gremien und kann etwas für euch bewirken. (http://www.kjp-vb.de/index.html)

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