Wirtschaft0

TTIP und die Folgen: ein Info-Abend von Zivilcourage kritisiert das geplante AbkommenWarnung vor der „marktkonformen Demokratie“

MAAR (aep). Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP erregt die Gemüter, noch ehe es ausgehandelt ist. Während die Bundesregierung zu erwartende Vorteile anpreist, fürchten Kritiker nicht weniger als ein Ende der Demokratie, wie sie jetzt existiert, dafür die Einführung des unbeschränkten Kapitalismus. Bei Zivilcourage Vogelsberg fürchtet man zugleich, dass TTIP der Gentechnik die Tür öffnet – ein Thema, das auch im Vogelsberg auf Interesse stößt, bewies der Vortragsabend am Dienstag in Maar. Dort erklärte der Referent Dr. Christoph Then in einem vollen Saal, wie Gentechnik mit TTIP doch noch auf den deutschen Mittagstisch gelangt.

TTIP ist ein Reiz-Begriff dieser Tage. Das bewies schon das Interesse, das die Veranstaltung von Zivilicourage hervorrief: Gut 100 Besucher waren der Einladung zu dem Informationsabend nach Maar gefolgt, wo der frühere Greenpeace-Mitarbeiter und heutige Begründer des kritischen Instituts Testbiotech Ergebnisse seiner Studien zur Gentechnik vorstellte. Viele bekannte Naturschutz-Aktivisten waren dabei, aber auch etliche Interessierte, die sich offenbar über die Folgen von TTIP vor allem für die Gentechnik informieren wollten.

OL-TTIP2-1103

„Die größte Katastrophe seit Bestehen der EU!“: Peter Hamel bei der Einleitung über TTIP.

Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Schon die Art, in der aktuell über TTIP – Transatlantic Trade and Investment Partnership – verhandelt wird, lässt Skeptiker misstrauisch werden: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprechen Amerikaner und Europäer, wie der Handel zwischen den Kontinenten erleichtert werden soll. Mindestens in Deutschland ist dabei die Sorge groß, dass in dem Zuge bewährte europäische Errungenschaften amerikanischen Wirtschaftsinteressen geopfert werden könnten: weniger Verbraucherschutz, weniger Umweltschutz, weniger Arbeitnehmerschutz – „the american way“, eben.

OL-TTIP1-1103

Begrüßung im vollen Saal: Jutta Hercher von Zivilcourage Vogelsberg hieß das gut 100-köpfige Publikum willkommen.

Das kommt nicht von ungefähr, so stellte der Storndofer Landwirt Peter Hamel als Initiator von Zivilcourage Vogelsberg in seiner einleitenden Ansprache fest: 90 Prozent der TTIP-Verhandlungspartner verträten lediglich Konzern-Interessen. Da sei kaum zu erwarten, dass wirklich kritische Stimmen aufkommen oder sich durchsetzen könnten. Von den Nachteilen der Hormon-Mast bei Schweinen über die Einführung von Gentechnik bis zu der Investor-Klage, die Steuerzahler teuer zu stehen komme: Auf Europa komme ein Abkommen zu, „das vor allem den Konzernen nützt“.

„Die größte Katastrophe seit Bestehen der EU!“

Dass die vollmundigen Versprechen im Vorwege leer seien, zeige schon die Praxis des amerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, das nicht nur Kanada teuer zu stehen komme und die mexikanische Gesellschaft noch mehr verarmen lasse, sondern das sogar in den USA selbst in sechsstelliger Höhe Arbeitsplätze gekostet habe. Selbst Optimisten gingen bei TTIP lediglich von einem Wachstum von 0,48 Prozent aus – in  zehn Jahren – dem ein massiver Abbau von Verbraucherrechten entgegen stehe. „Ich sehe in TTIP die größte Katastrophe seit Bestehen der EU!“, warnte Hamel mit drastischen Worten.

Monster-Schweine und -Lachse, Klon-Bullen, sich unkontrollierbar ausbreitende, genetisch veränderte Fliegen, Pflanzen randvoll mit allen möglichen Giftstoffen, eine Vielfalt von Genveränderungen in Lebensmitteln, die Verbraucher nicht mehr nachvollziehen können: Dieses Szenario stellte Dr. Christoph Then als Referent zum Thema TTIP in den Raum. Das Abkommen sei geeignet, so stellte er heraus, der in Europa vielfach und in Deutschland weitgehend abgelehnte Lebensmittel-Gentechnik zum Durchbruch zu verhelfen. Das habe er auch in einer Studie für die Grünen im Bundestag bereits erläutert, sagte Then, der als promovierter Tierarzt mehrere Jahre bei den Grünen und bei Greenpeace tätig war und ein Mitbegründer der Initiative „Kein Patent auf Leben!“ ist, wie auf der Website des Instituts Testbiotech nachlesbar ist, dessen Geschäftsführer er ist.

OL-TTIP3-1103

Warnung vor TTIP und CETA: Dr. Peter Hamel (l.) und Dr. Christoph Then in Maar.

Ein Ziel bei TTIP: die „marktkonforme Demokratie“

TTIP und das daran hängende Abkommen CETA bereiteten den Boden, dass amerikanische Konzerne europäische Verbraucherschutz-Standards aushebeln könnten. Konzerne wie Monsanto, aber auch die aggressiv vorgehende Intrexon Corp hätten eine breite Palette an gentechnisch manipulierten Pflanzen und Tieren in Arbeit, die sie gerne auch auf europäischem Boden ausbreiten wollten. Auf amerikanischen Äckern finde nach den Worten des Referenten bereits seit längerem „ein Wettrüsten“ zwischen den Gen-Manipulierern und natürlichen Schädlingen statt. Die Pflanzen produzierten immer mehr eigene Herbizide oder werden immer immuner produziert, weil die Natur sich ebenfalls weiter entwickelt. Verbraucher bekommen das Ergebnis als Lebensmittel vorgesetzt. Und es gebe Hinweise darauf, dass genetische Veränderungen Nebenwirkungen haben, das Genmanipulationen auf den menschlichen Organismus überspringt, erklärte Dr. Then. Was ist es nicht gebe, das sind qualifizierte Studien, die die Auswirkungen über längerer Zeit erforschten.

Um ihre Produkte trotz etwaiger Gefahren auf den Markt bringen zu können, sei den amerikanischen Konzernen an einer unkritischen Politik gelegen – und an unkritischen Verbrauchern, fügte Peter Hamel hinzu, die nur nach dem Preis einkaufen. Ein Ergebnis von TTIP könnte sein, so warnte derf Referent Dr. Then: „eine Gesellschaft, die stark auf die Bedürfnisse der Industrie zugeschnitten ist“ – verbunden mit einer „marktkonformen Demokratie“. Eigentlich müssten die Verhandlungen sofort abgebrochen werden.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren