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Maikundgebung in Alsfeld: ungewöhnlich umfangreich und kämpferischMerkels Europapolitik lässt Linke Rot sehen

ALSFELD (aep). Euro-Krise, Lohn-Dumping , aber steigende Unternehmensgewinne: Das sind Reizworte für linke Gewerkschafter – auch in diesem Jahr. Der DGB hatte zur Kundgebung geladen, gut 100 Teilnehmer waren gekommen. Doch diese Maifeier fiel gleich in mehrfacher Hinsicht anders aus – und so kämpferisch wie lange nicht. Im Zentrum der Kritik: Angela Merkels Europa-Politik – bezeugt auch von Gästen aus Griechenland. Dazu die Forderung nach gesetzlichem Mindestlohn ohne Ausnahme. Den größten Beifall aber erhielt ein junger Mann aus Alsfeld: Jens Nold. Sein Appell ließ aufhorchen.

„Am 1. Mai demonstrieren wir für die Würde und Rechte der arbeitenden Menschen!“ Mit diesen Worten begrüßte der DGB-Vorsitzende Bernhard Bender das Publikum und kündigte das weitere Programm an: Ansprachen, abgewechselt von Musikeinlagen. Damit hat der Maifeiertag ist Alsfeld längst Routine angenommen. Vertreter von ver.di, NGG, IG Bau, GEW, IG Metall, der Linken wie der SPD verbreiteten geübtes Rot, schenkten Kaffee aus. Doch die diesjährige Veranstaltung fiel aus dem Rahmen: länger, umfangreicher und so kämpferisch, dass manche Teilnehmer zwischendurch einen lange nicht gehörten Schlachtruf skandierten: „Hoch die internationale Solidarität!“

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„Geht raus und vertretet unsere Standpunkte!“ Der junge Gewerkschafter Jens Nold ließ bei seiner Erstlingsrede aufhorchen.

Das mag an einer Rednerin liegen, die aus deutscher Sicht aus dem Chaos angereist war: die griechische Lehrerin Agiro Baduva. Sie prangerte in einer übersetzten Ansprache die Euro-Politik der Troika an, durch die in ihrem Heimatland Existenzen vernichtet würden, denn: „Die Gelder, die nach Griechenland gehen, landen nicht in den Taschen der Menschen.“ Die Probleme des Landes seien aber nicht die Schuld der Bevölkerung – so wenig, wie die Griechen faul seien. Vielmehr arbeiteten sie über dem europäischen Durchschnitt – auch auf griechischem Fleiß beruhe letztlich der Wohlstand in Deutschland. Die griechische Bevölkerung sei vielmehr Opfer von Kräften, die dort die Uhren zurückdrehen wollten – in Zeiten des Frühkapitalismus. Sie appellierte an die deutschen Gewerkschafter, Solidarität mit der griechischen Bevölkerung zu üben.

 

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Appell an Solidarität: die griechische Lehrerin Agiro Baduva bei ihrer Ansprache in Alsfeld.

Agiro Baduva erntete großen Beifall, so wie auch der Hauptredner Jürgen Hinzer aus Frankfurt, ein alter Kämpfer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gastsstätten, der nach eigenem Bekunden in 37 Jahren als Bundesstreikbeauftragter 164 Streiks organisierte – und in Alsfeld an Kritik gegenüber Merkels Euro-Politik nicht sparte: „Merkel stellt die Stabilität des Euro über das Wohl der Menschen“, skandierte Hinzer lautstark und bekam Beifall für seine Feststellung: „Dieses Europa der Konzerne wollen wir nicht!“ Er kritisierte in einer langen Ansprache auch, dass es seit Jahren rückläufige Reallöhne gebe,

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„Dieses Europa der Konzerne wollen wir nicht!“ Jürgen Hinzer, ehemaliger Gewerkschaftssekretär.

Aus dem Rahmen fiel der Alsfelder Maifeiertag auch durch ein Novum: Grußworte vom Bürgermeister. Stephan Paule, Mitglied der CDU, ließ sich die Feststellung nicht nehmen, dass „wir über alle demokratischen Parteien hinweg gemeinsame Werte vertreten.“

Ein junger Mann am Rednerpult ließ dann aber besonders aufhorchen: der 23-jährige Jens Nold aus Alsfeld, Mitglied der IG Bau und Mitarbeiter in einem Gartenbaubetrieb. Ihn bewegte in seiner Erstlingsrede ein anderes Thema: der Mangel an Nachwuchs bei den Gewerkschaften. „Ich habe Angst, dass diese Veranstaltung in einer paar Jahren nicht mehr stattfindet“, stellte Jens Nold fest. Denn es mangele an jungen Menschen in der Gewerkschaft, und das liege auch an „einer erschreckenden Unkenntnis bei den Auszubildenden“, kam als Kritik an die Adresse der Berufsschulen. Auszubildende könnten nicht nur ihre Lohnzettel nicht lesen, sie wüssten auch oft gar nicht, dass es Tarife für sie gibt. Vor dem Hintergrund hätten Arbeitgeber es leicht, ihnen Rechte vorzuenthalten. Daher sei es eine „enorm wichtige Aufgabe der Gewerkschaften“ die jungen Leute aufzuklären. „Geht raus und vertretet unsere Standpunkte“, rief er unter Beifall ins Publikum. „Sprecht Kollegen an, diskutiert in Vereinen!“

Mit einem Aufruf zur internationalen Geschlossenheit der Gewerkschaften ging Nold dann aber auch noch kurz auf das Thema „Europa“ ein und forderte wenige Wochen vor der Europawahl: „Das Europa der Konzerne, das Europa der Troika gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!“

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Gut 100 Teilnehmer verzeichnete die Maikundgebung in Alsfeld.

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Arbeiterlieder: Peter Junghans und Ferdinand Hareter aus Gießen besorgten den musikalischen Rahmen.

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„Für die Würde und Rechte der arbeitenden Menschen“: Bernhard Bender, Vorsitzender des DGB im Vogelsberg, bei der Begrüßung.

 

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