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Rund 70 Mitglieder des Netzwerks Wirtschaft trafen sich im Forum der Volksbank Mittelhessen, um mit Partei-Vertretern über den Standort Mittelhessen zu sprechen„Wir brauchen Lust auf Selbstständigkeit“

GIEßEN (ol). Das Netzwerk Wirtschaft im mittelhessischen Regionalmanagement suchte im Vorfeld der Bundestagswahl das Gespräch mit der Politik: Rund 70 Mitglieder des Netzwerks hatten sich an einem Mittwoch im Mai in Gießen getroffen, um über die unterschiedlichen Perspektiven in der Region Mittelhessen zu sprechen.

Wie in einer Pressemitteilung bekannt gegeben wurde, suchte man jeweils aus der Sicht von vier Unternehmern sowie vier Direkt-Kandidaten für die Wahl zum Bundestag im September die Diskussion. Im Forum der Volksbank Mittelhessen formulierte die Unternehmer-Seite dabei klare Forderungen an die Politik.

Wirtschafts- und Politikvertreter treten in Diskussion

In den Diskussionsrunden ging es neben einer allgemeinen Einschätzung der mittelhessischen Region auch um die Bedeutung überregionaler Themen für den Standort: Dazu zählten die Auswirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf die Industrie, die Debatte um Diesel-Fahrzeuge, Bildungspolitik sowie den Mangel an Fachkräften und den Bedingungen für Unternehmensgründer.

Sabine Fremerey-Warnecke, Geschäftsführerin der Firma Auto-Müller, beklagte vor allem zu hohe Steuern und Abgaben: „Der Mittelstand blutet aus“, sagte sie betroffen. Karl-Peter Johann von Johann Consult mahnte Änderungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz an: „Die heimische Schwerindustrie braucht planerische Sicherheit“, sagte der Unternehmensberater, der vor allem die hohen Strompreise im Vergleich zu anderen europäischen Ländern kritisierte.

Um Elektrizität ging es auch in einem anderen Zusammenhang: Während die Förderung von Elektromobilität kaum Resultate zeige, herrsche große Unsicherheit bei Dieselfahrzeugen angesichts der Debatte um Fahrverbote in den Städten, sagte Fremerey-Warnecke. „Für viele Handwerker sind diese Autos aber wichtiges Handwerkszeug.“

Bundestags-Direktkandidaten im Gespräch mit dem Netzwerk Wirtschaft: Matthias Körner (SPD), Klaus-Peter Willsch (CDU), Gießens Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich (Vorsitzender des Vereins Mittelhessen), Dr. Hermann Otto Solms (FDP) und Eva Goldbach (Bündnis 90/Die Grünen) (von links). Foto: Tilman Lochmüller/Regionalmanagement Mittelhessen

„Wir müssen mehr zeigen, was wir in Mittelhessen haben“

Für Mark Pralle, Geschäftsführer der App-Schmiede Fabrik19, ging es im Gespräch auf der Volksbank-Bühne unter der Moderation von Volksbank-Generalbevollmächtigter Dr. Lars Witteck darum, wie Gründergeist gefördert werden könne: Als Firmengründer habe er es bei der Suche nach Fachkräften in Frankfurt einfacher gehabt, berichtete Pralle. „Wir müssen mehr zeigen, was wir in Mittelhessen haben“, betonte er – insbesondere bei Technologien und Arbeitgebern.

Klaus Rohletter, Geschäftsführer der Bauunternehmung Albert Weil AG und Vorsitzender des Netzwerks Wirtschaft, lag die Erhaltung der Innenstädte am Herzen: Hier seien Investitionserleichterungen nötig, um Wohnraum und Geschäftsräume zu fördern. „Es lohnt sich langfristig, in Ortskerne zu investieren“, erklärte Rohletter.

Die Politikrunde mit Bundestagskandidaten von Bündnis90/Die Grünen, CDU, FDP und SPD unter der Moderation des Mittelhessen-Vereinsvorsitzenden und Gießener Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich hatte zunächst vor allem Positives zum Standort Mittelhessen zu sagen: Deren Kennzeichen sei „die Vielfalt aus Stadt und Land“, sagte Eva Goldbach von den Bündnisgrünen.

Kontroverse Diskussionen bestreiten

Die Region sei geprägt von innovativen Betrieben, die den Strukturwandel bewältigt hätten und daher krisenfest seien, ergänzte der Gießener SPD-Unterbezirksvorsitzende Matthias Körner. FDP-Urgestein Dr. Hermann Otto Solms lobte die zentrale Lage und gute Verkehrsanbindung, machte aber insbesondere deutlich, dass Infrastruktur auch in den ländlichen Gebieten gefördert werden müsse, um Landflucht zu vermeiden.

In der Diskussion um den Ausgleich von Umweltschutz, Arbeitnehmer-Interessen und Wirtschaft stehe für den CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch vor allem der Abbau von Bürokratie auf dem Wunschzettel. Angesicht von Rekord-Steuereinnahmen sei es nun wichtig, „das Geld bei den Menschen zu lassen“ – und zwar durch Investitionen und Steuererleichterungen.

Auch Körner war der Ansicht: „Ohne Kaufkraft in der Bevölkerung kommen sie nicht voran.“ Goldbach verteidigte das Erneuerbare-Energien-Gesetz zwar als notwendig, um Anreize zu setzen, forderte aber auch eine Weiterentwicklung in Form eines Fonds oder einer CO2-Umlage.

In der abschließenden Frage-Runde ging es dann auch um Bildungspolitik. Dabei kritisierte Sabine Fremerey-Warnecke den Schulplan ihres Nachwuchses: „Die Digitalisierung finde dort nicht statt.“

Auch Körner wünsche sich mehr technische Grundlagenbildung an den Schulen, während Solms vor allem die Möglichkeiten nach der Ausbildung ansprach: Wichtig für den Hochschulstandort sei es auch, junge Gründer zu fördern. Solms warb daher für ein Modell, bei dem alle beteiligten Institutionen zusammenarbeiten, um Gründungen zu erleichtern. „Das ist Potenzial, was nichts kostet.“ Auch CDU-Kandidat Wilsch stimmte dem zu: „Wir brauchen Lust auf Selbstständigkeit“, sagte er abschließend.

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