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Mit Hoffnung und Frieden gegen die Gruppenabschiebungen nach AfghanistanStille Demonstration in Alsfeld: Kein Mensch ist illegal

ALSFELD (ls). „Stoppt die Abschiebungen nach Afghanistan“, „Sicherer Schutz für Hindus und Sikhs aus Afghanistan“ und „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall“ ragte auf den großen Schildern über den Köpfen der Menschen auf dem Alsfelder Marktplatz hervor. Der Anlass, eine stille Demonstration mit einem laut fordernden Ziel: die voranschreitenden Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen.

Ruhig war es auf dem Alsfelder Marktplatz an diesem Donnerstagnachmittag – und das trotz gut 150 Menschen, die sich dort versammelten. Gekommen waren sie zu einer Demonstration gegen die Abschiebung nach Afghanistan – einer stillen Demonstration. Andächtig und still: besser ließe sich die Stimmung der Menschen auf dem Marktplatz auch nicht beschreiben. Einzig der Regen und einzelne Trommelschläge durchbrachen die Ruhe, die sich über die ganze Stadt legte.

Viele eindeutige Aussagen waren auf den Plakaten über den Köpfen der Menschen zu lesen. Das Ziel war klar. Foto: ls

Viele eindeutige Aussagen waren auf den Plakaten über den Köpfen der Menschen zu lesen. Das Ziel war klar. Foto: ls

Zum Hintergrund: Mitte der letzten Woche hatte die Bundesregierung etwa 50 afghanische Asylbewerber zurück nach Afghanistan abgeschoben. Noch immer warnt das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite vor Reisen nach Afghanistan. „Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewalttakte bewusst sein“, so wortwörtlich. Und weiter: „In ganz Afghanistan besteht ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Landesweit kann es zu Attentaten, Überfällen, Entführungen und anderen Gewaltverbrechen kommen.“ In dieses Land werden nun Asylbewerber zurückgeflogen.

Stille Demonstration in Alsfeld: Stoppt die Abschiebung

In Berlin gingen die Menschen bereits vor zwei Wochen mit lautstarken Protesten und Demos auf die Straßen und forderten die Regierung auf mehr Menschlichkeit zu zeigen. Auch in Alsfeld ging man in dieser Woche auf die Straße und forderte mit einer stillen und friedlichen Demonstration den Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan.

Auch viele Flüchtlinge und ehemalige Flüchtlinge waren gekommen, um ihren Ängsten Ausdruck zu verleihen und in der möglichen Hoffnung, dass sich im nächsten Jahr etwas ändert. Foto: ls

Auch viele Flüchtlinge und ehemalige Flüchtlinge waren gekommen, um ihren Ängsten Ausdruck zu verleihen und in der möglichen Hoffnung, dass sich im nächsten Jahr etwas ändert. Foto: ls

„Es gibt keinen sicheren Ort in diesem Land und auch keine mögliche Fluchtalternative im Land“, betonte der evangelische Pfarrer Walter Bernbeck. Zusammen mit pro Asyl Alsfeld, dem Diakonischen Werk und dem Caritaszentrum Vogelsberg organisierte das Evangelische Dekanat die Veranstaltung. „Jetzt fühlen sich die Afghanen hier in Alsfeld und im gesamten Vogelsberg unsicher. Sie leben alle in Angst“, so Bernbeck, der einen engen Kontakt zu ihnen pflegt. Er fordere, dass Geflüchteten aus Afghanistan die gleiche Sicherheit zukomme, wie Geflüchteten aus Eritrea und Syrien – die Sicherheit, die unser Asylrecht bieten könne und bieten wolle.

Pfarrer Walter Bernbeck macht den Menschen nochmals deutlich, dass Afghanistan kein sicheres Land ist und auch eine Abschiebung für die Menschen nicht sicher sei. Foto: ls

Pfarrer Walter Bernbeck macht den Menschen nochmals deutlich, dass Afghanistan kein sicheres Land ist und auch eine Abschiebung für die Menschen nicht sicher sei. Foto: ls

Rund 100 afghanische Flüchtlinge leben derzeit in Alsfeld, 80 weitere in Lauterbach und noch mal 50 in Gemünden. Viele von ihnen versammelten sich ebenfalls auf dem Alsfelder Marktplatz und zeigten friedlich ihre Betroffenheit. „Ich habe Angst, dass ich gehen muss“, bestätige ein junger Mann knapp. Yeshma Kapoor, die selbst vor 21 Jahren nach Deutschland flüchtete und mittlerweile einen deutschen Pass besitzt, hat diese Angst bereits selbst erlebt.

„Ich weiß nicht welcher Ort dort sicher sein soll“

Vor 21 Jahren floh die Hindu zusammen mit ihrer Familie über Indien und die Türkei nach Deutschland. Als Angehörige einer religiösen Minderheit hatten sie in ihrem Land kaum Rechte. Auch in Deutschland hatten sie mit diesem Status nicht viele Rechte, auch sie habe mit der Angst gelebt abgeschoben zu werden – wovon sie den Demonstranten erzählte. Die über 1.600 Toten und mehr als 3.500 Verletzten afghanischen Zivilbürger sollten eine deutliche Sprache sprechen.

Traudi Schlitt und Yeshna Kapoor vor den Demonstranten auf dem Marktplatz. Aufrüttelnd erzählt Kapoor ihre Geschichte und machte auf die Wichtigkeit dieser Aktion aufmerksam. Foto: ls

Traudi Schlitt und Yeshna Kapoor vor den Demonstranten auf dem Marktplatz. Aufrüttelnd erzählt Kapoor ihre Geschichte und machte auf die Wichtigkeit dieser Aktion aufmerksam. Foto: ls

Erst vor einer Woche traf sie ein erneuter Schicksalsschlag: Ein Verwandter von ihr wurde nach Afghanistan abgeschoben. Nachdem ihr Bruder vor vielen Jahren brutal von den Taliban ermordet wurde, fürchtet sie das gleiche Schicksal für ihren Verwandten. „Immer noch herrscht in Afghanistan Krieg. Ich weiß wirklich nicht, welcher Ort dort sicher sein soll“, so Kapoor. Die Angst ist wieder allgegenwärtig.

Eine Lichterkette für Frieden, Liebe und Menschlichkeit

Diese Angst schwang selbst bei der Demonstration mit – und das nicht nur bei den afghanischen Flüchtlingen, sondern auch bei deutschen Bürgern, die sich ebenso solidarisch auf dem Marktplatz versammelten wie Flüchtlinge und ehemalige Flüchtlinge und in Frieden – mit Kerzen als Zeichen der Andacht – demonstrierten. Der Tenor in den langen Schweigeminuten und den kurzen Reden: Terror gehört in Afghanistan zum Alltag. Afghanistan ist kein sicheres Land, weshalb Abschiebungen gestoppt werden sollten: Gerade zu Weihnachten – als Zeichen der Liebe, des Friedens und der Menschlichkeit.

Viele Besucher hatten sich eingefunden und zündeten eine Kerze im Zeichen der Andacht an. Eine friedliche Demo. Foto: ls

Viele Besucher hatten sich eingefunden und zündeten eine Kerze im Zeichen der Andacht an. Eine friedliche Demo. Foto: ls

Weitere Bilder der stillen Demonstration in Alsfeld:

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