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Kolumne: "Rike's Report" am Samstag: Das ganz normale Umzugs-Chaos„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne..“

Der nächste Schritt in einer Beziehung, ein neuer Job oder einfach ein Tapetenwechsel: Gründe für einen Umzug gibt es wie Sand am Meer. Und auch für mich ist es an diesem Wochenende zum dritten Mal soweit: Trotz dem tollen Park, dem guten Bier und meinen lieben Mitbewohnerinnen verlasse ich die schöne Stadt Lich und lasse mich in der nächstgrößeren Metropole nieder, die ich finden konnte. Ja – ich spreche von Gießen.

Viele denken jetzt: Uhh, so ein hässliches Fleckchen Erde, was will sie da? In erster Linie: Studieren. Trotz Auto und guter Zuganbindung bin ich eine Verfechterin der Taktik „Raus aus der Tür und überall hin laufen können“ – und wenn man mal ehrlich ist: Nicht auf öffentliche Verkehrsmittel oder den Benzinpegel des eigenen Renaults angewiesen zu sein, kann wirklich Erleichterung hervorrufen.

Da stehe ich nun also: Ein halb leerer Kleiderschrank, kahle Wände und überall Kartons, die im Weg herum stehen. Die anfängliche Freude über das bevorstehende „Neue“ ist dem Stress, wenig Schlaf und dem Essen zwischen Pappe und Zeitungspapier gewichen. Und dabei begann alles so vielversprechend: Nicht zu teuer, nicht zu klein, nicht zu weit ab vom Schuss – wer schon einmal nach einem neuen Zuhause gesucht hat weiß, dass man Abstriche machen muss. Und das musste auch ich erkennen, als ich die von mir auserkorenen Telefonnummern wählte und meine Liste der potentiellen Wohnungen abtelefonierte. Gefühlt die Hälfte der Vermieter ging nicht ran, die andere hatte schon einen Nachmieter gefunden. Aber ich war optimistisch – es musste ja schließlich was geben.

Als dann tatsächlich die ersten Besichtigungen anstanden, wurde ich nervös: Waren die gezeigten Zimmer wirklich das, was ich wollte? Und wenn ich zusagen und dann doch etwas besseres finden würde? Oder noch schlimmer: Wenn ich absagen und dann gar nichts finden würde? Viele schlaflose Nächte und zahlreiche Diskussionen mit meiner Mutter später war es dann soweit: Ich schaute mir meine Traumwohnung an. Großes Bad, kein Stadtlärm und ein bisschen Grün in der Nähe – perfekt! Trotz der gewährten 2 Tage Bedenkzeit stand für mich bereits beim Verlassen des Hauses fest: Hier will ich einziehen. Davon konnte mich auch meine Oma nicht abbringen, die zur Besichtigung mitgekommen war und am nächsten Morgen aufgeregt anrief: Sie hätte kaum geschlafen – hatten die Fenster Rollläden? War Platz für meinen Kühlschrank? Würde die vorherige Mieterin ihre schwarz gestrichenen Wände wieder weiß tünchen? Nachdem ich meine Großmutter beruhigen konnte, tat ich dasselbe bei mir: 3 Wochen noch, dann konnte der Umzug starten – los, Rike, freu´ Dich!

Was passt noch rein? Umzugskartons zu packen, ist eine Kunst für sich.

Was passt noch rein? Umzugskartons zu packen, ist eine Kunst für sich.

Aber in der nächsten Zeit stand statt großer Vorfreude erst einmal genügend anderes an: Umzugsauto organisieren, Hilfe zum Kistentragen suchen, jedem der fragt erzählen wieso ich wann wohin umziehe. Und dann: Packen. Vor einer Woche begann ich endlich den Inhalt meines Zimmers zu sortieren: Klamotten die sowieso in die Altkleidersammlung können sofort aus dem Schrank verbannen, Pfandflaschen zum Automaten bringen, unnötigen Kram wegwerfen und – äh ja, was eigentlich noch? Kosmetik würde ich bis zum Umzug am kommenden Wochenende brauchen, etwas zum Anziehen ebenfalls und auch auf manche Bücher und CDs wollte ich nicht so Recht verzichten. Es könnte ja sein, dass ich dann in ein paar Tagen genau das eine Lied hören will, die CD davon aber schon in einem Karton verschwunden ist. Und tagelang zwischen gepackten Kisten wohnen, wer will das schon? Nach erfolgreichem Drum-Herum-Drücken, wurde mir nach dem langen Osterwochenende klar: Noch 3 Tage, dann würde ich die 16 Quadratmeter verlassen, die die letzten Monate mein zuhause gewesen waren. Und ich geriet -natürlich- in Zeitdruck: Wer hätte gedacht, dass es so lange dauert Bücher möglichst platzsparend in Kisten zu sortieren? Oder Gläser in Zeitungspapier einzuwickeln? Nicht, dass es mein erster Umzug ist – aber trotzdem: Erst wartet man sehnlichst auf den Moment in dem es los geht und wenn er dann da ist, ist man trotzdem überrascht, wie schnell es ging.

Jetzt sitze ich hier, zwischen Küchenutensilien, Kleiderbügeln und vollgestopften Schuhkartons. In wenigen Stunden wird alles, das ich besitze, einen neuen Platz finden. Vermutlich nicht auf Anhieb, denn wie ich mich kenne wird jedes Möbelstück, jedes Buch und jede noch so kleine Kerze so lange von A nach B gerückt, bis wirklich alles perfekt ist. Und das wird mit Sicherheit seine Zeit dauern – aber was daraus wird, ist es wert: Mein neues Zuhause. Und wenn ich nun hier sitze, auf meinem alten Schreibtischstuhl, meine leeren Wände anschaue und ein bisschen wehmütig bin, wird mir trotz des Stresses und der Aufregung so langsam klar, dass Hermann Hesse wahrscheinlich Recht hatte: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“.

 

Ihre Rike

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