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Intensivbetten, Masken, Personal: Wie gut sind unsere Krankenhäuser in der Corona-Krise aufgestellt?So viele Beatmungsplätze gibt es im Vogelsberg

VOGELSBERGKREIS (jal). Eines der wichtigsten Dinge, um die es in der Corona-Krise geht, sind Beatmungsbetten. Im ganzen Land sind Krankenhäuser darum bemüht, ihre Anzahl zu erhöhen. Doch wie viele solcher Betten gibt es derzeit in unserer Region? Und wie beurteilen die Kliniken generell ihre Lage in dieser schwierigen Zeit? Oberhessen-live hat nachgefragt.

Es waren gute Nachrichten, die Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, am Freitag verkündete. Gute Nachrichten, die hoffen lassen – aber keineswegs Entwarnung bedeuten. Die harten Maßnahmen, die unser aller Leben gerade so stark verändern, zeigen offenbar Wirkung. Die Wachstumsrate der Corona-Infektionen in Deutschland nimmt ab, ein Infizierter steckt im Schnitt nicht mehr drei andere Menschen an, sondern nur noch einen.

Wieler bremste zugleich jedoch jegliche Form der Euphorie. Er sei zwar zufrieden, dass die Zahl der Intensivbetten erhöht worden sei. Allerdings sei er sich nicht sicher, ob die Kapazitäten für den Höhepunkt der Krise ausreichend seien. „Ich persönlich habe die Einschätzung, dass sie nicht reichen werden — ich freue mich, wenn ich mich täusche“, sagte der RKI-Präsident.

Und dabei zählte Deutschland schon vor der Pandemie zur Weltspitze, was die nötige Ausrüstung angeht. Der Deutschen Krankenhausgesellschaft zufolge gab es vor der Corona-Krise bundesweit 28.000 Intensivbetten, davon 20.000 mit Beatmungsmöglichkeit. Diese seien durchschnittlich mit einer Quote von 70-80 Prozent belegt gewesen. „Ich behaupte mal, und das müsste man nochmal genau nachrechnen, dass es eigentlich kein anderes Land auf der Welt gibt, das mehr Beatmungsplätze pro Kopf hat als Deutschland“, hatte Wieler bei einer Pressekonferenz einige Tage zuvor gesagt. Die Aufgabe sei es jedoch, die Kapazitäten optimal zu nutzen und die Patienten bestmöglich auf die freien Betten zu verteilen.

Die Krankenhäuser der Republik rücken in dieser schweren Zeit dem Willen der Experten nach also noch ein Stück weiter zusammen. Kein Patient soll nur an dem Virus sterben, weil zwar die Krankenhäuser in unmittelbarer Umgebung alle belegt sind, die Klink im Nachbarbundesland aber noch freie Betten hat. Trotz dieser Vernetzung stellen sich vermutlich viele Menschen instinktiv die Frage, wie gut die Kliniken vor ihrer Haustür ausgerüstet sind. Oberhessen-live hat bei den Verantwortlichen der Eichhof-Klinik in Lauterbach, des Kreiskrankenhauses Alsfeld sowie des Kreiskrankenhauses Schotten nachgefragt.

  • Das Eichhof-Krankenhaus in Lauterbach hat regulär elf Intensivbetten, wobei sechs in normalen Zeiten mit Beatmungsmöglichkeiten ausgestattet sind. Stand Dienstag hatte das Krankenhaus die Zahl der Betten mit Beatmung auf elf erhöht und damit „das Ziel der Bundesregierung einer Verdopplung der Kapazitäten bereits nahezu umgesetzt“, wie Tobias Plücker, der ärztliche Leiter des Pandemieeinsatzes, auf Anfrage von OL wissen ließ. „Wenn wir alle im Katastrophenfall verfügbaren Maßnahmen wie Aktivierung des letzten Notfallgeräts oder Beatmung über Narkosegeräte nutzen würden, könnten wir noch mehr Patienten beatmen. Dies ist aber aus unserer Sicht keine gute Medizin mehr. Wir hoffen, dass es zu solchen Zuständen wie zum Beispiel in Nord-Italien nicht kommt“, sagte Plücker weiter. Einfache Intensivbetten zur Überwachung von Patienten hält das Krankenhaus neun weitere in einer Reserve.
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  • Der Vogelsberg als Träger des Kreiskrankenhauses Alsfeld teilte am Donnerstag mit, dass in der Klinik regulär sechs Intensivbetten stehen, die auch Beatmungsmöglichkeiten haben. Die Zahl der Beatmungsbetten sei auf neun erhöht worden. „Eine Erhöhung darüber hinaus ist aus infrastrukturellen Gründen nicht möglich“, heißt es vom Kreis.
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  • Das Kreiskrankenhaus Schotten ist zwar eng mit Gießen und dem Wetteraukreis verbunden, der Pressestelle in Lauterbach zufolge ist es jedoch auch in die Notfallvorbereitung des Vogelsbergkreises integriert. In Schotten waren Stand Donnerstag nach dem Zukauf neuer Ausrüstung neun Beatmungsbetten vorhanden.

ECMO-Geräte, auch „künstliche Lungen“ genannt,  gibt es in keinem der drei Krankenhäuser. Die Bedienung der Geräte ist äußert kompliziert, deswegen findet man sie nur in Universitätskliniken und großen Krankenhäusern der Maximalversorgung. Eine derartige Beatmung bei totalem Lungenversagen war in anderen Ländern bislang bei Covid-19 allerdings eher nicht die optimale Therapie, das Vorhalten dieser Geräte gilt in der Krise daher als zweitrangig. Wie viel Prozent der Corona-Patienten überhaupt beatmet werden müssen, dazu gibt es wie zu vielen Aspekten des Virus bislang unterschiedliche Angaben. In China lag der Anteil dem RKI zufolge zwischen zwei und sechs Prozent. Was zunächst wenig klingt, ist in der Realität eine riesige Belastung für die Gesundheitssysteme, wenn die Fälle gebündelt zu einer Zeit kommen. Auch im Vogelsbergkreis wurden bereits einige Personen beatmet.

Um den Überblick über die freien Beatmungsbetten zu behalten, hat das RKI alle relevanten Krankenhäuser aufgerufen, ihre Kapazitäten in einem extra geschaffenen Register der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) zu melden und regelmäßig zu aktualisieren. Ein Teil der Datenbank ist öffentlich übers Internet einsehbar. Das Eichhof-Krankenhaus lässt sich darin finden, das Kreiskrankenhaus Schotten ist eigenen Angaben nach registriert und war zumindest bis zu einem Umbau der Seite vor Samstagmittag auch gelistet, nicht aber die Klinik in Alsfeld.

Auf Nachfrage verweist der Vogelsbergkreis darauf, dass die Beatmungskapazitäten für Alsfeld zentral vom Klinikum in Fulda mit koordiniert würden. Fulda wiederum sei hessen- und bundesweit vernetzt. Außerdem melde Alsfeld wie vorgesehen zweimal täglich seine Betten für die hessische Einsatzleitung über das seit Jahren etablierte Kapazitätsmanagementsystem IVENA eHealth. Die bisherigen Schritte seien „ausreichend“, heißt es auf die Frage, ob eine Eintragung in das Register der DIVI noch geplant sei.

Die Zahl der freien Beatmungsbetten allein sagt jedoch nicht viel über die tatsächliche Belastbarkeit des Gesundheitssystems aus, wie ein Sprecher der DIVI im Gespräch mit Oberhessen-live verdeutlicht. Denn was ist, wenn die freien Betten nicht belegt werden können, weil zum Beispiel das Personal fehlt? Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Donnerstag, 2.300 Ärzte und Pfleger in Deutschland seien Corona-infiziert, wobei die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher liege.

Verschobene OPs helfen den Krankenhäusern

Zum Eingangszeitpunkt der schriftlichen Antworten waren im Kreiskrankenhaus Alsfeld neben den drei Ärzten, deren Infektion bereits bekannt war und die nicht in der Klinik erfolgt sein soll, zwei weitere Angestellte positiv getestet und isoliert. Das Eichhof-Krankenhaus teilte mit: „Wir hatten einen positiv getesteten Mitarbeiter aus der Verwaltung nach einem Risikokontakt beim Sport, dieser ist aber nicht erkrankt und hat auch die Quarantäne bereits überstanden. Ansteckungen unseres Personals an der Arbeit konnten wir bisher bei unseren relativ umfangreichen Tests unter unseren Mitarbeitern erfreulicherweise nicht nachweisen.“ Schotten berief sich auf den Datenschutz und machte zu der Frage keine inhaltlichen Angaben.

Was die aktuelle Belastung des Personals angeht, so ist man in allen drei Krankenhäusern nach außen hin relativ guter Dinge. Schotten spricht von einer hohen Motivation der Mitarbeiter, der Kreis verweist im Namen des KKH Alsfeld auf die hessenweite Regelung, nicht notwendige Operationen zu verschieben. Dadurch sei „eine hohe Personalreserve“ vorhanden.

Unterschiedlicher fallen hingegen die Antworten auf die Frage aus, wie es um die Reserve an Schutzausrüstung in den Häusern bestellt ist. In Schotten sind die Lager gut gefüllt, in Lauterbach leidet man darunter, dass der Zoll eine Lieferung Mundschutzmasken für das Haus beschlagnahmt hat, weil die Materialien in Krisenzeiten zentral verteilt werden sollen, und in Alsfeld zehrt man aus Lagerbeständen, die einst wegen der SARS-Pandemie im Jahr 2002 für genau solche Fälle wie jetzt angelegt worden sind. Die Versorgung mit persönlicher Schutzausrüstung sei daher „angespannt, aber momentan nicht kritisch“.

Die gute Nachricht dabei ist: Wer möchte, kann den Krankenhäusern mit selbstgebastelten Atemmasken helfen. Das Eichhof-Krankenhaus hat selbst eine Nähaktion ins Leben gerufen, bei der schon mehr als 200 Freiwillige mitgemacht haben. Die dort gebastelten Masken würden zum Beispiel in Teamtrainings genutzt. So kann möglichst viel von der professionellen Ausrüstung an wichtigen Orten mit Patientenkontakt eingesetzt werden.

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