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Von „Meine Herren“ zur „Frau BundeskanzlerinVolles Haus zur Eröffnung der Frauenwoche mit Modenschau und Film im Lauterbacher Lichtspielhaus

LAUTERBACH/VOGELSBERG (ol). Im Rahmen der Frauenwoche in Lauterbach wurde die Auftaktveranstaltung mit einer Modenschau und der Filmvorführung „Die Unbeugsamen“ erfolgreich abgehalten. Neben musikalischer Unterhaltung und inspirierenden Diskussionen über Frauen in der Politik betonte die Veranstaltung die Bedeutung des weiblichen Engagements und setzte sich für Gleichstellung und Frauenrechte ein.

125 Plätze – und zwar bequeme Sessel aus rotem Samt – waren besetzt, als am vergangenen Freitag Elisabeth Hillebrand, ehrenamtliche Beauftragte für Gleichstellung und Integration im Vogelsberg und damit auch Koordinatorin des Frauennetzwerkes, die Gäste laut einer Pressemitteilung zur Auftaktveranstaltung der diesjährigen Frauenwochen begrüßte. Sie freute sich sichtlich, dass das Angebot des Frauennetzwerks auf so viel Interesse stieß und neben vielen Frauen auch ein paar Männer in das Lauterbacher Lichtspielhaus gelockt hatte.

Foto: Traudi Schlitt

Musikalisch bestens unterhalten wurden sie von der Frauen-Saxofon-Gruppe „Evergreens“, die es unter der Leitung von Karla Gollbach swingen ließ. Neben Stefani Dörr, Programmchefin des Lichtspielhauses, gehörte auch Iris Kirschbaum, Inhaberin des Bekleidungshauses „Frau Kirschbaum“, zu den Kooperationspartnerinnen des Abends. „Es ist uns ein Anliegen, lokale Betriebe zu fördern, in der Frauenwoche natürlich erst recht diejenigen, die von Frauen geführt werden“, sagte Elisabeth Hillebrand. Sie freute sich sehr, dass sie Iris Kirschbaum für eine Modenschau mit nachhaltiger, fair produzierter Kleidung gewinnen konnte. Die Models – allesamt aus dem Freundinnenkreis der Ladeninhaberin, waren ein Spiegelbild der Vielfalt von Frauen und zeigten einmal mehr, wie gegenseitiger Support aussehen kann. Unnötig zu sagen, dass auch die gezeigte Frühlingsmode den Frauen im Publikum sehr gefiel.

Den Übergang zum Film gestaltete Elisabeth Hillebrand mit einem Info-Block: Sie stellte sowohl die Arbeit des Frauennetzwerkes vor als auch die Frauen, die derzeit im Vogelsbergkreis Politik machen. Angesichts eines immer noch sehr niedrigen Anteils von Frauen in den Parlamenten forderte sie Frauen auf, sich mehr einzumischen und für ihre Bedürfnisse einzustehen.

Foto: Traudi Schlitt

Hauptact des Abends war der Film „Die Unbeugsamen“, nach dem in diesem Jahr die komplette Frauenwoche benannt ist. Er zeigt eindrucksvoll und stark aufbereitet den Weg von Frauen in die Politik der Bundesrepublik. Als erste Frau kommt in dem Film Marie-Elisabeth Lüders (FDP) zu Wort. Sie gehörte von 1953 bis 1961 dem Deutschen Bundestag an, prophezeite den Frauen bereits damals: „Wenn sie nicht weiterkämpfen, werden sie es (ihr Mitbestimmungsrecht) wieder verlieren.“ Der Bundestag war eine Ansammlung von „Schwarzröcken“, wie es im Film hieß, Männer, denen offenbar von Anfang an der Sinn für die Mitwirkung von Frauen fehlte. Neben vielen Anekdoten – davon nicht wenige über sexuelle Übergriffe (so fuhr beispielsweise der spätere Bundestagspräsident Richard Stücklen der FDP-Abgeordneten Helga Schuchardt über den Rücken, um herauszufinden, ob sie einen BH trug) – wurde an vielen Stellen deutlich, wie beharrlich die Frauen für ihre Mitbestimmung kämpfen mussten und welcher männlichen Überheblichkeit sie sich bis in die jüngste Zeit noch entgegenstellen mussten: Wer wüsste heute noch, dass Rita Süßmuth erst 1985 das zweite Ministerinnenamt in der BRD innehatte, dem damaligen Kanzler Helmut Kohl abgerungen auf einem sogenannten „Frauenparteitag“ der CDU. Wer dächte, dass Politiker wie Heiner Geißler sich ungeniert frauenfeindlich geäußert haben, oder Journalisten wie Ernst Dieter Lueg Rita Süßmuth „Ganz schön selbstbewusst, Frau Professor“ zuriefen? Und wer sich an Gerhard Schröder erinnert, der noch am Wahlabend polternd und beleidigend Angela Merkels Wahlerfolg zu zerreden versuchte – 2005 -, kann ahnen, dass es einen langen, sehr langen Atem brauchte, bis aus Konrad Adenauers „Meine Herren“ – eine Anrede, mit der er einfach über die Anwesenheit von Frauen im Bundestag hinwegging – die Selbstverständlichkeit der „Frau Bundeskanzlerin“ wurde, hieß es.

Foto: Traudi Schlitt

Dazwischen lagen nicht nur Kämpfe um Frauenrechte wie die Abschaffung des sogenannten „Gehorsamsparagraphen“, die Verabschiedung des Gleichberechtigungsgesetzes und die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe, sondern auch gesamtgesellschaftliche Debatten wie der Nato-Doppelbeschluss, die Wehrmachtsausstellung oder der Misstrauensantrag gegen den damaligen Kanzler Helmut Schmidt, in die sich die Frauen einmischten und maßgebliche Inputs lieferten.

Der Film besteche mit seiner sachlichen Machart bei teilweise hochemotionalen Themen sowie herausragenden Bildern und Stichpunkten. Er lasse viele Politikerinnen der Bonner Republik (und teilweise auch darüber hinaus) zu Wort kommen und mache deutlich, was – bei allem, was noch zu tun ist –, auch schon erreicht wurde. Meist gegen den Widerstand der Männer.

„Unbeugsam“ – dieser Film lieferte auch im Anschluss an die Ausstrahlung viel Gesprächsstoff, wie es hieß: Fassungslosigkeit und Kopfschütteln, Lachen über die Starrsinnigkeit der Männer und das Bewusstsein, dass auch heute noch vieles erkämpft und erhalten werden muss. Ein Film, so waren sich viele Frauen an diesem Abend einig, der verpflichtend in allen Schulen gezeigt werden sollte. Und einer, der zeige, wie wichtig weibliches Engagement ist und bleibt.

Mehr zum Programm gibt es unter https://www.vogelsbergkreis.de/kreisverwaltung/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressearchiv/programm-frauenwochen/.

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