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Verhandlung am Alsfelder Amtsgericht - Jugendstrafrecht angewendetVerwarnung und Geldauflage für A49-Gegnerin

ALSFELD (akr). Eine 22-jährige A49-Gegnerin ist an diesem Mittwoch vor dem Alsfelder Amtsgericht nach Jugendstrafrecht verwarnt und zur Zahlung einer Geldauflage verurteilt worden. Das Jugendschöffengericht befand sie für schuldig, einen Polizisten im Zuge der Räumung im Dannenröder Forst durch einen Steinwurf verletzt und eine Rauchfackel bei sich getragen zu haben.

Vor dem Alsfelder Amtsgericht fand an diesem Mittwoch der zweite Verhandlungstag gegen eine 22-Jährige A49-Gegnerin statt, die im November 2020 im Rahmen der Räumung für den Weiterbau der A49 allein und in einer Gruppe Steine auf Polizisten geworfen haben soll. Laut Staatsanwaltschaft wurden hierdurch zwei Polizisten verletzt. Zudem soll sie gegen das Sprengstoffgesetz verstoßen haben.

A49 Proteste: 22-Jährige soll zwei Polizisten verletzt haben

Die beiden Hauptzeugen, bei denen es sich um die Polizisten handelt, die durch die Angeklagte verletzt worden sein sollen, fehlten am ersten Tag entschuldigt. Deshalb nahmen sie erst jetzt im Zeugenstand Platz. Den Anfang machte der Zeuge M. Er sprach von einem „konkreten Angriff in seine Richtung“ – er habe gesehen, wie eine unbekannte Person einen Stein auf ihn geworfen habe.

 

Der Stein soll vor ihm aufgekommen und dann gegen sein Bein geprallt sein und ihn verletzt haben. Trotz Schmerzen sei er aber „einsatzfähig“ gewesen. Daraufhin habe er eine detaillierte Personenbeschreibung über Funk abgegeben, so der Polizeibeamte M. Besonders auffällig seien hierbei wieder die großen Bauarbeiterhandschuhe gewesen, die die Person getragen haben soll. An diese erinnerten sich bereits andere Zeugen im Verfahren.

Dass sein Kollege, Zeuge R., der im Anschluss seine Aussage machen sollte, ebenfalls von diesem Stein getroffen worden sein soll, habe er nicht gesehen. Doch M. geht davon aus, dass es sich um denselben Stein handle, da Zeuge R. direkt nach ihm angegeben habe, von einem Stein getroffen worden zu sein, und der Polizist M. auch – nach seiner Wahrnehmung – nicht gesehen habe, dass die Angeklagte noch etwas geworfen habe.

Der Polizeibeamte R. hat laut seiner Aussage den Steinwurf hingegen nicht gesehen. Da er aber direkt im Anschluss ebenfalls von einem Stein am Schienbein getroffen worden sei, zog er den Rückschluss, dass ihn derselbe Stein getroffen habe wie seinen Kollegen. Auch er habe dadurch Schmerzen erlitten.

Ebenfalls im Einsatz am 14. November 2020 war Zeuge Sch. Er habe nicht gesehen, wie seine rund vier Meter entfernten Kollegen M. und R. von einem Stein getroffen worden sein sollen. Ihm sei dies erst über Funk mitgeteilt worden, ebenso wie die Personenbeschreibung. Daraufhin habe er die Angeklagte in der Personenmenge wiedererkannt. Er erzählte, wie sie dann auch Steine in seine Richtung geworfen habe, getroffen worden sei er jedoch nicht.

Einschätzung der Jugendgerichtshilfe

Anschließend übernahm die Sozialarbeiterin der Jugendgerichtshilfe das Wort. Im Strafverfahren gegen Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis unter 21 Jahre) ist die Jugendgerichtshilfe gesetzlich zur Mitwirkung verpflichtet. Sie gab dann unter anderem auch eine Stellungnahme darüber ab, ob die Heranwachsende nach Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden soll.

Die Sozialarbeiterin gab dem Gericht einen Einblick in das Leben der 22-Jährigen. Ständige Umzüge, die Trennung der Eltern, Mobbing, häusliche Gewalt hätten die Angeklagte aus ihrer Sicht „psychisch labil“ gemacht. Nach einem Aufenthalt in einer Psychiatrie habe die Angeklagte zudem einem Monat vor dem Abitur die Schule abgebrochen, weil der Druck zu groß gewesen sei. Zum Vater habe die 22-Jährige keinen Kontakt, der Kontakt zur Mutter erscheine der Sozialarbeiterin distanziert.

Sie sprach von einer „erheblichen Reifeverzögerung zum Zeitpunkt der Tat“. Mittlerweile habe die Angeklagte aber wieder eine berufliche Orientierung gefunden. Sie werde einen Bundesfreiwilligendienst machen, um sich das Fachabitur anrechnen lassen zu können, um dann gegebenenfalls zu studieren. Sie sprach sich in ihrer Stellungnahme für die Anwendung des Jugendstrafrechts aus. Eine Jugendstrafe komme für sie aber nicht in Frage, da keine „schädlichen Neigungen“ vorliegen würden – sprich: weder vor noch nach der Tat habe sich die Angeklagte etwas zu Schulden kommen lassen.

Sie hielt es für sinnvoll, dass die Angeklagte den Bundesfreiwilligendienst absolviere und sich im Falle der Schuld bei den beiden verletzten Polizeibeamten in schriftlicher Form entschuldige. Einen Aufenthalt in einer Jugendarrestanstalt hielt sie nicht für sinnvoll, da die Angeklagte gerade eine berufliche Orientierung gefunden habe, weshalb auch eine Arbeitsauflage nicht angemessen sei. Da die 22-Jährige finanziell nicht gut aufgestellt sei, sprach sie sich ebenfalls gegen eine Geldauflage aus.

Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe

Staatsanwalt Volker Bouffier forderte hingegen, die Angeklagte nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen – genauer gesagt zu einer 10-monatigen Bewährungsstrafe. Zur Tatzeit sei die Angeklagte fast 21 Jahre alt gewesen – ab diesem Alter greife das Erwachsenenstrafrecht – und im Alter von 18 Jahren sei die Angeklagte zudem auch viel selbständig herumgereist und habe zum Zeitpunkt der Tat 300 Kilometer von Zuhause mit fremden Menschen zusammengelebt. „Das setzt eine gewisse Eigenständigkeit voraus“, betonte Bouffier.

Freispruch forderte er unterdessen für den Anklagepunkt des Landfriedensbruchs, da hierfür keine konkreten Beweise vorliegen würden. Laut Bouffier spricht für die Angeklagte, dass sie nicht vorbestraft ist, sie sich seit der Tat nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen und die beiden Polizisten keine schweren Verletzungen davongetragen hben. „Aggressionspotential“ und „kriminelle Energie“ sowie die Tatsache, dass die Angeklagte Glück gehabt habe, dass die Beamten nur „geringfügig“ verletzt worden seien, würden unter anderem gegen sie sprechen.

Verteidiger Jannik Rienhoff plädierte auf Freispruch. Man könne der 22-Jährigen nicht nachweisen, dass sie den Stein auf die Beamten geworfen haben soll. Man habe in den Filmaufnahmen zwar gesehen, wie ein Stein geworfen wurde, durch die „immense Rauchentwicklung“ aber nicht, wer ihn geworfen hat. „In dem Rauch ist es unmöglich, jemanden zu erkennen“, betonte Rienhoff. Aufgrund einer hellen Vermummung und Handschuhen – anhand dieser die Zeugen die Angeklagte identifiziert haben wollen – auf seine Mandantin als Täterin rückzuschließen, sei „viel zu dünn“. Eine strafbare Handlung sei nicht nachzuweisen, betonte der Verteidiger, der sich im Falle einer Verurteilung auch für die Anwendung des Jugendstrafrechts aussprach.

Die Angeklagte wurde schließlich nach Jugendstrafrecht verwarnt und zur Zahlung einer Geldauflage verurteilt. Sie soll 600 Euro an „Aktion Deutschland Hilft“, einem Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, zahlen. Das Jugendschöffengericht befand sie für schuldig, den Polizisten M. im Zuge der Räumung im Dannenröder Forst durch einen Steinwurf verletzt und eine Rauchfackel bei sich getragen zu haben. „Weitere Feststellungen trifft das Gericht nicht“, so Richter Bernd Süß.

Bereits im Laufe der Verhandlung hatten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung anhand der Zeugenaussagen festgestellt, dass es sich entgegen der Anklageschrift nicht um zwei, sondern um einen Steinwurf handelte, der die Polizisten verletzt haben soll. „Somit kommt diesbezüglich nur noch eine Verurteilung wegen einer Tat in Betracht“, erklärte der Richter nach der Zeugenvernehmung.

Dass der Zeuge R. verletzt wurde, das konnte das Gericht laut Süß nicht feststellen. Es handele sich um einen Rückschluss, den der Zeuge selbst gezogen habe, da R. es selbst nicht gesehen habe. Die Schilderungen seien möglich und auch wahrscheinlich, erklärte der Richter, aber es blieben Restzweifel. Das Gericht sprach die Angeklagte zudem auch für den Anklagepunkt des Landfriedensbruchs frei, weil keine strafrechtlichen Handlungen festgestellt werden konnten. „Schädliche Neigungen“ als Voraussetzung für eine Jugendstrafe gebe es ebenfalls nicht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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