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"Ulmer Modell" Thema im Alsfelder BauausschussWarum das „Ulmer Modell“ für Alsfeld so nicht möglich ist

ALSFELD (akr). Während im Rest Deutschlands die Preise für Mieten und Bauland immer weiter ansteigen, versucht Ulm schon seit Jahrzehnten Grundstückspreise bezahlbar zu halten – mit Erfolg. Das sogenannte Ulmer Modell der Bodenpolitik als Vorzeigebeispiel. Könnte nicht also auch die Stadt Alsfeld dieses Konzept, beziehungsweise Elemente, davon übernehmen? Darüber wurde am Mittwochabend im Bauausschuss diskutiert.

Es war kein neuer ALA-Antrag, der am Mittwochabend im Alsfelder Bauausschuss auf den Tisch kam. Bereits im Juli legte die Fraktionen diesen Antrag vor, in dem es heißt, dass sich die Stadtverwaltung im Rahmen der Stadtentwicklung und in Sachen Bauland an den Grundsätzen des „Ulmer Modells“ orientieren soll. Da man das Modell aber nicht eins zu eins auf Alsfeld adaptieren könne, so erklärte es Bürgermeister Stephan Paule im Juli, wurde der Antrag zurück in den Ausschuss überwiesen. An diesem Mittwoch stand er erneut auf der Tagesordnung, denn die Stadt hatte sich in der Zwischenzeit mit dem Modell auseinandergesetzt.

Das „Ulmer Modell“

Zunächst aber eine kurze Erklärung, was das „Ulmer Modell“ eigentlich ist. Seit über 100 Jahren betreibt die Stadt Ulm, die zurzeit circa 120.000 Einwohner hat, Baulandbevorratung. Dazu kauft die Stadt systematisch Baugrund zu einem festgelegten Preis und gibt diesen Preis auch an seine kaufinteressierten Bürger weiter – es kommen lediglich noch die Kosten für Entwicklung und Erschließung oben drauf.

Die Stadt Ulm hält heute rund ein Drittel des kompletten Stadtgebietes in öffentlicher Hand. Wer ein unbebautes Grundstück innerhalb des Stadtgebietes kaufen möchte, kann dieses somit nur von der Stadt selbst erwerben. Um Bodenspekulation zu vermeiden, darf ein von der Stadt erworbenes Grundstück nie unbebaut an Dritte weiterverkauft werden. Die Stadt lässt sich im Grundbuch ein Wiederkaufsrecht eintragen. Wird in einem festgelegten Zeitraum nicht gebaut, geht das Grundstück zum gleichen Kaufpreis wieder zurück an die Stadt.

Was Alsfeld aus dem Ulmer Modell nutzen kann

Das Strategiemodell für Alsfeld scheitere allerdings schon an den äußeren Rahmenbedingungen, wie Paule gleich zu Beginn erklärte. So gehöre Ulm allein schon 50 Prozent der Grundstücke, „das ist dann natürlich leichter, das zu realisieren“, so der Rathauschef.  Jetzt einfach anzufangen, alle möglichen Bauflächen zu erwerben, wäre mit einer hohen Finanzaufwendung verbunden. „Die Stadt will jetzt nicht alles kaufen, was nicht niet- und nagelfest ist, sondern gucken, wo sich was ergeben kann“, betonte er.

Zum Aufbau eines langfristigen „Grundstückspools“ würden jährlich zusätzliche Mittel im Haushalt benötigt, was einen Schuldenabbau über Folgejahre fast unmöglich mache. Mit einem gesteigertem gezielten Ankauf von Flächen erhöhe sich auch der Arbeitsaufwand sowie der damit verbundene organisatorische und personelle Aufwand. Außerdem bestehe die Gefahr, dass man durch einen generellen Ankauf von Flächen zu festen Preisen genau das Gegenteil bewirke, was man eigentlich verhindern möchte: Nämlich, dass die Preise zum Grunderwerb steigen und man den Markt somit weiter anheizt.

Anstieg der Wohnpreise

„Wohnen ist eine teure Angelegenheit geworden“, so Paule. Die Preise für Bauland in Deutschland sind in den letzten Jahren stark gestiegen und haben sich mehr als verdoppelt. „So lagen die Grundstückspreise für baureifes Land im Jahr 2000 durchschnittlich noch bei 76 Euro pro Quadratmeter, im Jahr 2017 betrug der Quadratmeterpreis bereits 157 Euro“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme der Stadtverwaltung, die den Ausschussmitgliedern vorgelegt wurde.

Innerhalb der letzten 20 Jahre sei der Kaufpreis pro Quadratmeter für Bauland in Alsfeld Kernstadt von 61,35 Euro – damals 120 Deutsche Mark – bis zu 120 Euro pro Quadratmeter (Höchstpreis für die „Filetstücke“ zum Beispiel „Rambach“) gestiegen. Die Preise für Mieten in Alsfeld stiegen in den vergangenen zehn Jahren von durchschnittlich 4,80 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2010 auf aktuell durchschnittlich 5,40 Euro pro Quadratmeter. Hierbei sei anzumerken, dass Alsfeld im Gegensatz zu Ulm über keinen Mietpreisspiegel verfügt, also quasi einer Vergleichsübersicht der ortsüblichen Mietpreise.

Bauamtsleiter Tobias Diehl nahm ebenfalls an der Ausschusssitzung teil. Er erklärte, dass die Stadt schon seit einigen Jahren Gebiete kauft, dort, wo es eben möglich ist. „Das Ulmer Modell ist in der klassischen Form nicht anwendbar“, betonte der Bauamtsleiter und ergänzte, dass die Stadt sukzessiv, wo es sich ergibt, Grundstücke ankaufen werde, um den Flächenpool so groß wie möglich zu halten.

„Alles, was wir gehört haben, mag ja auch irgendwo Hand und Fuß haben, hilft uns aber nicht weiter“, betonte Michael Riese. Wenn die Stadt strategisch Einfluss nehmen will, müsse sie zunächst über den Bodenbesitz verfügen. „Ohne den Zugriff auf den Grund und Boden gibt es keinen dauerhaften strategischen Einfluss auf die Stadtentwicklung“, so Riese.

Dieter Welker machte noch einmal darauf aufmerksam, welche finanziellen Aufwendungen das für die Stadt mit sich bringen würde. Das Ulmer Modell sei über ein Jahrhundert gewachsen, zudem liege die Stadt Ulm im Speckgürtel von Stuttgart. Ulm habe strategische Vorteile, die Alsfeld nicht habe. Er sehe auch den „schmalen Alsfelder Weg“ wie Diehl, sprich: das Alsfeld weiterhin ankauft, aber eben für Preise, die für die Stadt auch möglich sind.

Alsfeld habe nur „eine ganz kleine Spielwiese“

Wenn die Stadt jetzt beispielsweise 20 Hektar entlang der Schwalm kaufen würde, dann sei das ein „Trugschluss“, das man dort auch ein Baugebiet machen könnte, führte Diehl als Beispiel an. „Wir haben nur eine ganz kleine Auswahl an möglichen Siedlungsflächen“, so Diehl – und dann könne auch noch hinzukommen, dass diese an Naturschutzgründen scheitern. „Die Flächenkulisse, wo wir überhaupt ein Neubaugebiet oder Industriegebiet ausweisen können, sind so gering, dass wir eben nur eine ganz kleine Spielwiese haben“, betonte er. Entlang der Autobahn würde auch keiner mehr wohnen wollen, und da würden dann viele Flächen in Alsfeld ausscheiden.

„Ich gehe auch nicht davon aus, dass wir wahllos Flächen kaufen, wo wir dann nichts mit anfangen können“, erklärte Riese. Das Modell von Ulm würde man nicht einholen können, aber alle würden ja schließlich irgendwann mal anfangen. „Wenn unsere Kulisse für die Bebauung so klein ist, dann sind ja auch die Investitionen überschaubar“, so Riese.

Ute Koch von der SPD betonte, dass Alsfeld erstmal eine grundlegende Stadtentwicklungsplanung bräuchte. „Zu sagen, nur weil wir keine Strategie haben, verzichten wir auf andere strategische Maßnahmen, das ist nicht zielführend.“ Fraktionskollege Achim Quehl ergänzte: „Jeder sagt immer es geht nicht, bis einer kam und es gemacht hat.“ Irgendwann müsse man auch einfach mal anfangen.

Alexander Heinz, Fraktionsvorsitzender der CDU, war der Meinung, dass ein Problem konstruiert werde, das Alsfeld gar nicht habe. Alsfeld habe sehr wohl ein Ziel, wo es hinwolle. Man habe oft im Bauausschuss zusammengesessen und über die innerstädtische Entwicklung beraten, Industriegebiete erschlossen und auch erst gemeinsam ein Wohnbaugebiet identifiziert. „Es gibt Visionen wo die Stadt hin will und die sind da“, so Heinz. Beim Industriegebiet am Weißen Weg habe man auch Flächen gekauft, um es zu entwickeln.

Die einzelnen Projekte, die Heinz ansprach, hätten jedoch nichts mit einem Gesamtkonzept zu tun, betonte Ute Koch. Der aktuelle Flächennutzungsplan von 1988 – der seit 2015 überarbeitet wird, wie Paule erklärte –  ist laut Koch so obsolet, dass dieser immer hinterher hinke und immer an die aktuelle Bauleitplanung angepasst werden müsse.

Paule machte den Vorschlag, im kommenden Jahr nochmal über den Antrag darüber zu beraten – und zwar mit einigen Ergänzungen, die der Rathauschef in der Sitzung aufgeschrieben hatte. Sein Drei-Punkte-Vorschlag sieht vor, dass die Stadt Alsfeld weiterhin Grundstücke im Stadtgebiet zur Bodenbevorratung erwirbt und zwar so, dass keine überteuerten Preise gezahlt und die Grundstückspekulation nicht befeuert wird.

Des Weiteren soll sich die Ausweisung von Wohnbaugebieten weiterhin nach den Grundsätzen der Flächensparsamkeit richten – „Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung“ und drittens, dass die Stadt weiterhin die Schaffung von Wohnraum und privaten Wohneigentum im Stadtgebiet ermöglichen und fördern will. Essentiell seien hierbei das Bauen und Sanieren im (historischen) Bestand sowie von Wohngebäuden. Bei einer Enthaltung wurde dieser Vorschlag zur Annahme empfohlen.

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