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Die Fledermaus-Auffangstation von Katharina Jacob aus Lauterbach - Ein ErfahrungsberichtDie Fledermaus-Retterin aus Leidenschaft

LAUTERBACH (akr). Wenn Fledermäuse in Not sind, Hilfe brauchen, ist sie zur Stelle: Die 55-jährige Katharina Jacob aus Lauterbach päppelt in ihrer Fledermaus-Auffangstation mit viel Liebe und Sorgfalt die kleinen Tierchen auf – und zwar ehrenamtlich, mit dem Ziel, sie wieder auszuwildern. OL-Redakteurin Alina Roth hat ihr einen Besuch abgestattet. Mit dabei hatte sie eine geschwächte Zwergfledermaus, die Hilfe brauchte.

Es war am Samstagnachmittag, als mein Freund Mario an unserer Hauswand in Leusel plötzlich eine kleine, braune Fledermaus entdeckte. Sie war wach, hatte ihre klitzekleinen, schwarzen Augen geöffnet. Zunächst machte ich mir nicht all zu viele Gedanken. Etwas seltsam, das nachtaktive Tier tagsüber wach an der Hauswand zu sehen, fand ich es aber dennoch. Vielleicht würde unser Besucher am Abend einfach wieder wegfliegen? Vorsichtshalber holte ich meine Katze Maggie herein, denn die kleine Fledermaus wäre für sie ein gefundenes Fressen gewesen.

Am Sonntagmorgen öffnete ich das Küchenfenster, um zu schauen, ob sie noch immer an der Hauswand hängt. Auf den ersten Blick konnte ich sie nicht sehen, denn sie hatte sich in die kleine, schmale Ritze zwischen der Wand und den Pflastersteinen verkrochen. Ich ging raus und schaute, ob sie noch lebt. Wieder blickte sie mich mit ihren klitzekleinen Augen an. Ich nahm mein Handy und googelte. Was sollte ich jetzt tun? Wie kann ich verhindern, dass sie stirbt? Auf gut Deutsch gesagt: Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich machen sollte. Ich wusste allerdings, dass sie dort nicht bleiben kann und scheinbar von alleine auch nicht wegfliegen wird.

Die Zwergfledermaus an der Hauswand. Fotos: akr

Im Internet fand ich auf einer Seite zur Fledermaushilfe im Vogelsberg schnell eine Telefonnummer – und zwar die von Katharina Jacob aus Lauterbach. Ich rief sie an, schilderte ihr die Situation und sie fragte, ob ich ihr die Fledermaus vorbeibringen könne. Theoretisch schon, dachte ich mir, doch praktisch gab es da ein Problem: Die Fledermaus versteckte sich in der schmalen Ritze. Ich stellte ihr also einen Marmeladendeckel mit Wasser hin, da Jacob erklärte, dass die Fledermaus möglicherweise dehydriert sei. Dann hieß es warten. Warten, dass das kleine Tierchen herauskommt und sich dann vorsichtig einfangen lässt.

Zwischen Hauswand und Pflaster hatte sie sich versteckt.

Mit dem Findling zur Fledermaus-Päppel-Station von Katharina Jacob

Knapp eine Stunde später war es dann auch soweit. Die Fledermaus versteckte sich nicht mehr in dem schmalen Spalt, sondern war ein Stück die Hauswand hochgeklettert. Mario zog sich ein paar feste Handschuhe an und schaffte es, sie vorsichtig in einen Karton zu setzen. Sie wehrte sich nicht, flog auch nicht weg. Sofort sind wir gemeinsam nach Lauterbach gefahren, um die Fledermaus zu Katharina Jacob zu bringen. Ihr Mann Martin Krauß öffnete uns die Tür, denn seine Frau war gerade dabei, ihre Schützlinge zu füttern. Natürlich oben in der Fledermausstube, die früher mal ein Gästezimmer war.

Seit 2014 kümmert sich die 55-Jährige um die sogenannten „Jäger der Nacht“, päppelt sie wieder auf, unterstützt wird sie dabei unter anderem von ihrem Mann. Neun Schützlinge beherbergt Jacob derzeit. Wir brachten ihr Nummer zehn mit. Ihr Mann zog sich Handschuhe an und holte die kleine Fledermaus vorsichtig aus dem Karton. „Eine weibliche Zwergfledermaus“, sagte Jacob und blickte auf den Neuankömmling, während sie mit einer Pipette eines der Tierchen fütterte. Krauß schaute sich das kleine Mitbringsel genauestens an, um nach möglichen Verletzungen zu schauen. Er konnte zum Glück keine feststellen.

Katharina Jacob und ihr Mann Martin Krauß.

Dann nahm er eine kleine Schüssel, stellte sie auf eine Waage und setzte die Fledermaus hinein. Ich war wirklich erstaunt, wie ruhig sie war und nicht einmal den Versuch wagte, wegzufliegen. „4,7 Gramm, das ist super“, freute er sich. Jacob erklärte mir, dass der Richtwert für eine erwachsene Zwergfledermaus bei etwa fünf Gramm liegt. Bei unserem Fundtier handelte es sich um eine Jungfledermaus. Ich war überrascht, denn ich dachte die ganze Zeit, dass es sich um eine Baby-Fledermaus handelte, da sie so winzig war.

Nachdem sie von Krauß gefüttert wurde, setzte er sie in ein dunkles Flexarium, das ist quasi ein Terrarium aus Netzstoff. Zu den anderen Fledermäusen durfte sie aber noch nicht. „Wir wissen schließlich nicht, ob sie nicht vielleicht krank ist“, erklärte mir die Fledermaus-Expertin. Deshalb stand auch jetzt erstmal für den Neuankömmling Quarantäne an – so wie bei Fundtieren im Tierheim. Von selbst flog sie noch nicht weg. Sie war geschwächt, möglicherweise immer noch dehydriert.

Wie alles begann

Als sie 2012 auf ihrem Speicher eine Fledermaus, genauer gesagt ein Mausohr, entdeckte, war sie sofort begeistert und fasziniert, erzählte Jacob. Während es Menschen gibt, die über den Untermieter sicherlich nicht erfreut gewesen wären, war es bei Jacob das genaue Gegenteil, denn schon immer war sie ein absoluter Fledermaus-Fan. Und mit diesem Mausohr nahm sozusagen alles seinen Lauf. Sie lernte weitere Fledermaus-Schützer kennen, kam mit dem Nabu in Kontakt, setzt sich seitdem aktiv für den Tierschutz ein und betreibt seit 2014 in Abstimmung mit dem Veterinäramt ihre Päppel-Station in ihrem Haus direkt an der Bleiche.

Das Gästezimmer wurde nach und nach umfunktioniert. Das Bett kam raus, eine große Faltvoliere hinein – schließlich müssen die kleinen Schützlinge auch fliegen können, das sei das Allerwichtigste, denn vorher können sie nicht wieder in die Freiheit entlassen werden. „Wir müssen auch jedes Tier beim Veterinäramt anmelden“, erklärte sie mir. Fledermäuse stehen unter Naturschutz, manche Arten sind akut vom Aussterben bedroht. „Sie sind keine Haustiere“, betonte Jacob.

Als ich sie fragte, wie zeitaufwendig das alles ist, musste sie lachen: „Während der Babysaison bin ich fast ununterbrochen in der Stube.“ Wenn die Kleinen unter einem Gramm wiegen, müssten sie fast stündlich gefüttert werden, ab zwei Gramm so alle zwei bis drei Stunden. Deshalb komme es auch oft vor, dass sie bis nachts um 3 Uhr auf den Beinen ist.

Zum Essen gab es für diese Fledermaus einen Mehlwurm.

Aktuell sei das für sie auch kein Problem, denn es sind Schulferien. Jacob ist Lehrerin, voll berufstätig. Während der Schulzeit nutze sie die Freistunden, um nach Hause zu fahren und sich um ihre Schützlinge zu kümmern. Geld bekommt sie dafür übrigens nicht. Sie macht das alles ehrenamtlich, finanziert die Päppel-Station aus eigener Tasche – und das auch gerne. Aktuell kommt es für sie nicht in Frage, beispielsweise Geld vom Nabu zurückzuverlangen oder ähnliches. Ich merke im Gespräch mit ihr, dass es für die 55-Jährige nicht einfach ein Hobby, sondern wirklich eine Leidenschaft ist.

„Haben Sie eigentlich Angst, gebissen zu werden?“, wollte ich von ihr wissen – denn ich hätte es schon, sie aber nicht. „Die Zwerge knappen schon mal, aber es tut nicht weh. Wenn man sie richtig hält, kann man sich vor Bissen gut schützen. Ich bin natürlich auch gegen Tollwut geimpft“, erklärte sie mir. Bevor ich mich wieder auf den Weg machte, wollte ich natürlich auch wissen, wie es jetzt mit der kleinen Fledermaus weitergeht.

Die Auswilderung der Jungtiere

„Jungtiere wildere ich hier an meinem Fenster aus“, erklärte sie. Was sie genau damit meinte, war für mich zunächst schleierhaft. Würde sie einfach das Fenster aufmachen und sie raus lassen, fragte ich mich. Ja, sozusagen. Wenn die Tierchen aufgepäppelt sind, fliegen und auch vom Boden aus starten können, dürfen sie wieder in die Freiheit. Dafür hängt sie die Fledermaus außen an die große Faltvoliere, öffnet das Fenster und macht das Licht aus. Dann heißt es warten, ob sie wirklich wegfliegt. Da sie natürlich nicht die ganze Zeit dabei sein kann, hält sie das mit einer Wildkamera fest.

„Jungtiere sind noch nicht auf einen Ort geprägt“, erklärte sie. Deshalb könne sie diese auch quasi bei sich zuhause in die Freiheit entlassen. „So haben sie auch noch die Möglichkeit, durch das Zirpen der anderen für Futter zurückzukommen, falls sie bei der Jagd zunächst erfolglos waren.“ Erwachsene Tiere werden in der Regel dann beim Fundort wieder ausgesetzt. „Es ist ein sehr schöner Moment, wenn sie ausgewildert sind, sie raus in die Freiheit fliegen“, sagte Jacob und lächelte.

Katharina Jacob beim Füttern.

Jacob und Krauß bedankten sich, dass wir die kleine Zwergfledermaus vorbeigebracht haben. Wir hätten genau richtig gehandelt. Zum Abschluss hatte die Expertin noch ein paar Tipps parat. Wenn eine Fledermaus beispielsweise abends in die Wohnung fliegt, sollte man die Türen der anderen Zimmer schließen, einfach das Licht ausmachen, das Fenster öffnen und warten, dass sie wieder wegfliegt, denn das mache sie im Normalfall. Sollte das nicht der Fall sein, könne man natürlich Jacob oder andere Fledermaus-Experten kontaktieren.

„Wenn man eine Fledermaus bei Tageslicht sieht, dann stimmt in der Regel etwas nicht“, betonte sie noch. Ich fand die Situation mit der Fledermaus an unserer Hauswand also zu recht etwas seltsam. Auch hier könne man sich dann natürlich an sie wenden – so wie ich es auch gemacht habe. Wichtig sei, dass man Handschuhe trägt, wenn man das Tierchen vorsichtig einfangen möchte, um es zu ihr zu bringen. Nicht nur, um sich zu schützen, sondern auch die Fledermaus. Denn: „Ein einfacher Schnupfen kann für das Tier tödlich sein.“

Drei Tage später klingelte mein Handy. Es war Katharina Jacob, die mir freudig mitteilte, dass die kleine Fledermaus, die am Samstag noch entkräftet an unserer Hauswand hing, wieder in die Freiheit entlassen werden konnte. Wieder bedankte sie sich herzlich bei mir, und das, obwohl ihr besonderer Dank gebührt, schließlich hat die 55-Jährige wieder einmal das Leben einer Fledermaus retten können.

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