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Versuchter Totschlag: 22-jähriger Alsfelder wegen Messerstecherei im Herbst verurteiltVier Jahre Gefängnis für die sechs wuchtigen Stiche

GIESSEN/ALSFELD (aa). Vier Jahre Haft, so lautet das Urteil der Schwurgerichtskammer des Gießener Landgerichts für einen 22-jährigen Alsfelder nach insgesamt vier Prozesstagen. Die Richter verurteilten den Mann am Freitag wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Insgesamt sechs Messerstiche hatte der Angeklagte gegen einen 22-jährigen Arbeitslosen gesetzt, als die Beiden am 13. November letzten Jahres zufällig im Wohngebiet Soldanstraße aufeinander getroffen waren.

Ein Messerstich führte dazu, dass die Lunge des Mannes kollabierte. Ein anderer Stich beschädigte die Milz des Opfers, das mittlerweile in Thüringen lebt. Wegen des starken Blutverlustes war der Verletzte noch am Tattag vom Alsfelder Krankenhaus in die Gießener Uniklinik verlegt worden. Es bestand akute Lebensgefahr für den Mann, der noch bis vor kurzem krank geschrieben war und im Prozess bekundete: „Die Lunge wird nie mehr 100 Prozent.“

Das Tatwerkzeug, ein Ein-Hand-Messer mit einer acht Zentimeter langen Klinge, hatte der Angeklagte, der gerne mit dem Rad unterwegs ist „für Reparaturen“ immer bei sich. Auch am Tatnachmittag hatte der Angeklagte mit einem Freund in dem Wohngebiet an einem Motorroller schrauben wollen, als es zu der folgenschweren Begegnung in der Soldanstraße kam. Bereits zwei Tage zuvor begann der Streit.

Das Opfer hatte den Angeklagten nach der Telefonnummer eines Drogenhändlers gefragt. Der Angeklagte, der früher selbst Drogen nahm, wollte allerdings nichts mehr mit Drogengeschichten zu tun haben und rückte auch die Telefonnummer nicht heraus. Bei seinem Geständnis am ersten Prozesstag erklärte der Alsfelder: „Ich will mich wieder hocharbeiten und mit beiden Beinen im Leben stehen. Ich brauche keinen der mich wieder runterzieht.“

Gegenseitige Beleidigungen und Bedrohungen

Per Voice-Mail und WhatsApp folgten daraufhin gegenseitige Beleidigungen und Bedrohungen der Männer. Dabei stieß der Angeklagte auch Drohungen gegen die Tochter und die Freundin seines späteren Opfers aus. Als die Männer dann zufällig auf der Straße aufeinander trafen gab es zunächst Geschubse und Gerangel. „Man wollte den Streit auch körperlich austragen“ stellte am Freitag die Vorsitzende Richterin Dr. Kathrin Exler klar. Im Laufe des Streits hatte dann der Angeklagte sechsmal auf sein Opfer eingestochen. Das Opfer selbst hatte die Stiche zunächst gar nicht realisiert und war von „Schlägen in die Rippen“ ausgegangen. Erst später habe er gemerkt, „dass irgendetwas an mir runterläuft.“ Kurze Zeit darauf war der Mann blutüberströmt in der Wohnung seiner 19-jährigen Freundin zusammengebrochen. Der Frau hatte er noch einen Hinweis auf den Angeklagten gegeben, bevor er dann nichts mehr sagen konnte. „Der konnte nicht, dem ist die Luft weggeblieben“, erzählte die 19-jährige vor Gericht.
Die Kammer des Landgerichts sah in dem Verhalten des Angeklagten einen versuchten Totschlag, da er den Tod seines Kontrahenten „billigend in Kauf genommen“ habe. Der Angeklagte habe „als Sieger aus der Prügelei hervorgehen wollen.“ Jeder der sechs Stiche hätte tödlich sein können und sei „mit Wucht“ erfolgt. Zwar hatte der Angeklagte im Prozess erklärt, sein späteres Opfer habe zunächst ein Messer vor sich gehalten, bevor dann der Angeklagte sein Messer gezückt habe, dies werteten die Richter allerdings als Schutzbehauptung.

Insgesamt vier Zeugen hätten zunächst bei der Polizei nichts von einem Messer des Opfers erwähnt. Erst später sei davon die Rede gewesen. Tatsächlich war in der Hosentasche des Opfers auch ein drei Zentimeter langes Fledermausmesser gefunden worden, dass eingeklappt in der Tasche steckte. Blitzschnell sei das Opfer nach der Tat vom Tatort geflohen. Es gebe „keinerlei Anhaltspunkte“, dass der Mann dann noch sein Messer „fein säuberlich eingeklappt und in die Tasche gesteckt“ habe.

Es habe auch keine Notwehrlage für den Angeklagten bestanden. Die Eltern des Alsfelders und ein Freund hätten sich in unmittelbarer Nähe befunden, während das Opfer allein gewesen sei. Der Angeklagte sei seinem Opfer nicht körperlich unterlegen gewesen. Der Verletzte habe nicht sofort die Gefährlichkeit erkannt und sei zunächst von „Schlägen“ ausgegangen. Bei einer Blutprobe waren bei dem Opfer Amphetamine, Canabis und Opiate nachgewiesen worden.
Das Geständnis und die Reue des Angeklagten werteten die Richter positiv, gegen den Mann spreche allerdings, dass er bereits mehrfach wegen Körperverletzung in Erscheinung getreten ist. Auch die besondere Gefährlichkeit der Tat werteten die Richter. Der Haftbefehl für den Angeklagten, der bereits seit dem 14. November in Untersuchungshaft sitzt, wurde aufrecht erhalten.

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