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Experten fordern: Legalisiert alle Drogen - auch Koks und HeroinPro und Contra: Gibt es ein Recht auf Rausch?

MEINUNG ALFELD/ERFURT. Eine alte Debatte gärt sein einer Zeit wieder vor sich hin und spaltet die Nation: Soll Cannabis in Deutschland legalisiert werden? „Auf jeden Fall – und Opium, LSD und Koks gleich mit“, sagt Thilo Rösch, 19 Jahre alt und bekennender Kiffer. Staatlich geprüfte Drogen seien sicherer und würden Milliarden an Steuern bringen. Thilo studiert zusammen mit Oberhessen-live Redakteur Juri Auel in Erfurt. Der versucht dagegen zu halten und ringt mit sich selbst. Ein Pro und Contra. Fast zumindest. 

Thilo Rösch, pro Legalisierung

Wohin Prohibition eines Konsumgutes führt, haben uns die Vereinigten Staaten eigentlich schon in den 1920er Jahren demonstriert. Die Mafia in den USA wurde durch die Prohibition von Alkohol überhaupt erst zu einem wirklichen Faktor. Ähnlich wie damals weicht man mittlerweile in einigen Teilen der Welt von der Prohibition eines anderen Rauschmittels ab: Cannabis.

Auch in Deutschland wird dieser Schritt eines Tages getan werden, daran sollte mittlerweile bei niemandem mehr Zweifel bestehen, denn die ersten Dominos sind bereits gefallen. Alleine die durch die staatlich kontrollierte Abgabe von Cannabis eingenommenen Steuern und das, was man bei der Strafverfolgung von Konsumenten einspart, sind nur einige von vielen Gründen, die auch langsam auf Staatsebene zu einem Umdenken führen. 

"Gebt das Hanf frei, und noch viel mehr!" Thilo Rösch ist für die Legalisierung von harten Drogen.

„Gebt das Hanf frei, und noch viel mehr!“ Thilo Rösch ist für die Legalisierung von harten und weichen Drogen.

Das wirft allerdings auch eine weitere, interessante Frage auf: Was ist mit den anderen Rauschmitteln wie LSD, Opium und Kokain? Zu allererst: Der Autor dieses Artikels konsumiert keine der Substanzen, um die es im Folgenden gehen wird. Es geht ihm nur um die Freiheit des Individuums, seinem Recht auf Rausch nachzukommen. Die Debatte um die Legalisierung von Rauschmitteln ist eine voller Gegensätzlichkeiten. Während wir uns bei einer möglichen Legalisierung von Rauschmitteln wie Opium oder sogar einer vergleichsweise harmlosen Droge wie Cannabis scheinbar sehr schwer tun und am laufenden Band vor den Gefahren dieser Stoffe warnen und gewarnt werden, vergessen wir oft, dass wir in unseren Breitengraden regelmäßig zwei der gefährlichsten Rauschmittel wie selbstverständlich konsumieren, nämlich Tabak und Alkohol.

Laut der Weltgesundheitsorganisation tötet Tabak jeden zweiten Konsumenten, das sind jährlich gut 6 Millionen Menschen, davon sterben über 5 Millionen an direkten Folgen des Konsums, der Rest durch die Folgen des Passivrauchens. Alkohol tötet laut der Weltgesundheitsorganisation jährlich 3,3 Millionen Menschen. Dennoch sind diese beiden Substanzen für jeden Menschen über 18 Jahren völlig frei verfügbar. Wieso also die Ablehnung gegenüber der Legalisierung anderer Rauschmittel?

Opium ist gut zu kontrollieren

Opium ist eine Droge, die seit Jahrhunderten von Menschen konsumiert wird. Es ist eine vergleichsweise ungefährliche Droge. Zwar verfügt es über ein Suchtpotenzial und Nebenwirkungen (wie jedes Rauschmittel), aber eine Opiumsucht lässt sich vergleichsweise gut kontrollieren und auch der Entzug ist verhältnismäßig ungefährlich. LSD ist eine Droge mit sehr breiten Anwendungsmöglichkeiten, vor allem in der Psychotherapie. Im Westen ist die Droge hauptsächlich deshalb verboten, weil man sie (und die Hippies, die es konsumierten) als eine Gefahr für die Werte der westlichen Mittelklasse ansah.

Kokain wurde von der WHO bereits in den 90er Jahren als weniger gefährlich als Tabak und Alkohol eingestuft und sie bestätigte auch, das gelegentlicher Konsum der Droge nicht nur möglich, sondern auch relativ ungefährlich ist. Der Bericht wurde auf Druck der USA lange Zeit nicht veröffentlicht.

Ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Folgen der Prohibition. Was viele Menschen entweder nicht wissen oder bewusst verschweigen ist, dass das gefährlichste an illegalen Substanzen die zwecks Profitsteigerung beigemengten Streckmittel sind. Die organisierte Kriminalität verkauft Drogen unter dem Aspekt des Profits. Dazu werden viele Drogen gestreckt, um die verkaufte Menge zu steigern. Viele dieser Streckmittel sind giftige Substanzen, die die Effekte und gesundheitlichen Schäden der Droge stark verzerren. Staatlich kontrolliert abgegebene Rauschmittel sind frei von solchen Streckmitteln und damit auch weit weniger gefährlich.

Recht ist nicht gleich Pflicht

Viele Gesundheitsexperten sind sich also einig: Es gibt eine große Menge an Rauschmitteln, mit denen ein vernünftiger Umgang durchaus möglich ist. Warum also den Menschen diese Möglichkeit verweigern?

Rausch ist ein essenzielles Bedürfnis vieler Menschen. Schon seit es Menschen gibt, konsumieren wir Rauschmittel um uns eine Auszeit von der Realität zu verschaffen oder mit unseren Göttern in Kontakt zu treten. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich für ihre Freiheit gerne selbst lobt. Aber dennoch verbieten wir Menschen den Konsum von Rauschmitteln, ohne das dies notwendig wäre. Denn man bedenke: Ein Recht auf Rausch bedeutet noch lange keine Pflicht zum Rausch.

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Juri Auel, contra Legalisierung

Ein Pro und Contra lebt vom Gegensatz. Normalerweise müsste ich die Argumente meines Gegenspielers zerreißen, lieber Thilo. „Wer Koks mit TÜV-Stempel in der Apotheke verkaufen will, sollte lieber mal zum Arzt gehen“. Sowas müsste ich schreiben. Eigentlich. Ein Rechercheanruf im Institut für Sozialpädagogik der Uni Frankfurt legt nahe: Du hast Recht, mit vielem was du sagst. Verdammt.

Die völlige Stigmatisierung harter Rauschmittel ist der falsche Weg, unsere Drogenprobleme zu lösen. Das sei mittlerweile Konsens in der Suchtforschung, sagt Dr. Bernd Werse, der jüngst zusammen mit anderen Wissenschaftlern  einen „alternativen Drogenbericht“ vorgelegt hat. Viele Abhängige gerieten tatsächlich wegen der schlechten Qualität der Drogen erst in Gefahr oder weil sie nicht wüssten, wie man das Zeug richtig konsumiert. Also legen wir dem Opium ein Faltblatt bei, appellieren an die Vernunft des Einzelnen und alles ist gut. Ein verstörender Gedanke.

Es ist pervers und ein Schlag ins Gesicht

Auch echt harter Stoff wie Heroin könnte unter gewissen Auflagen legal verkauft werden, sagt der Experte. Forscher können irren. Aber was ist, wenn sie es hier nicht tun? Es fällt mir schwer, die Idee der heilenden Wirkung einer liberaleren Drogenpolitik zu akzeptieren. Es ist doch pervers: Aus der Fürsorgepflicht des Staates, dem Gebot, sich um das Wohl seiner Bürger zu kümmern, erwächst ihm plötzlich die Aufgabe, als Spitzen-Dealer astreinen Stoff für erschwingliche Preise anzubieten, damit niemand mehr den gestreckten Mist von der Straße kaufen oder wegen seiner Sucht klauen muss. Für Menschen, die einen Lieben durch Drogen verloren haben, dürfte sich der Gedanke von mehr oder weniger frei verkäuflichen harten Rauschmitteln anfühlen wie der sprichwörtliche Schlag ins Gesicht.

Vertreter des Legalisierungsgedankens verweisen gern auf die Gefahren unserer Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin. Beides sei mindestens genau so gefährlich wenn nicht sogar schlimmer als manch (noch) Verbotenes. Da werde mit zweierlei Maß gemessen, bloß weil Quarzen und Saufen von der Gesellschaft akzeptiert würden. Das stimmt sogar. Ich wäre übrigens der Erste, der einen Stein werfen würde, falls jemand auf die Schnapsidee käme, Alkohol verbieten zu wollen. Scherz bei Seite. Der akzeptierte „Erfolg“ von Bier und Glimmstängeln muss noch lange kein Argument für die Legalisierung anderer Drogen sein.

Auch harte Drogen legalisieren? OL-Redakteur Juri Auel kann sich nur schwer mit der Idee anfreunden.

Auch harte Drogen legalisieren? OL-Redakteur Juri Auel kann sich nur schwer mit der Idee anfreunden.

Heroin, Speed und das ganze andere Zeug bleibt gefährlich, auch wenn es in kontrollierter Qualität in Shops mit Fachpersonal am Tresen vertickt wird. Etwas legalisieren zu müssen, was offenkundig für viele Menschen eine Gefahr darstellt und schon zig tausend Leben zerstört hat, bloß weil man es nicht wirksam verbieten kann – ist das nicht viel mehr ein Zeichen für eine unfähige, anstatt für eine besonders freiheitsliebende Gesellschaft? Mir graut es bei dem Gedanken an die Möglichkeit, Heroin könnte eines Tages gesellschaftlich so etabliert sein wie Rauchen und Trinken. Das wäre mit Sicherheit kein Fortschritt für die moderne Menschheit.

Rechtswissenschaftler sagen, Verbote hätten ihre Abschreckende Wirkung verloren. Auch das ist für mich schwer nachvollziehbar. Ich habe bislang höchstens unfreiwillig und passiv im Stadion gekifft, weil Gras nicht erlaubt war. Für mich war das Verbot eine Warnung: Finger weg! Das Zeug ist gefährlich, gefährlicher als Schnaps und Tabak, sonst könnt‘ ich’s ja im Supermarkt um die Ecke kaufen. Inzwischen denk ich anders. Holländer würden wohl auch ohne Coffeeshops schlecht Fußball spielen und in Wohnwägen durch die Lande juckeln. Da ist nicht das Gras dran Schuld, das so gefährlich dann wohl doch nicht ist.

Natürlich sind Koks und Opium eine andere Liga als Marihuana. Aber was, wenn, es das Zeug bald tatsächlich in Apotheke gibt und nur ein Beipackzettel vor den Gefahren warnt? Ich bin mir sicher: Die Hemmschwelle, dieses gefährliche Zeug mal auszuprobieren, würde bei vielen sinken.

Gibt es also ein Recht auf Rausch? Vielleicht. Und wenn die Wissenschaft uns vor Augen hält, dass unsere bisherige Suchtpolitik eher suboptimal erfolgreich war, muss man den Mut haben, sie zu ändern. Aber mit Bedacht. Nicht alles, was nach Freiheit aussieht, ist es tatsächlich auch. Fragen Sie mal den Marlboro-Mann.

2 Gedanken zu “Pro und Contra: Gibt es ein Recht auf Rausch?

  1. Darüber, dass du die Apotheke erwähnt hast, hab ich mich echt gefreut, denn vieles, was du da bekommt, stellt illegale Drogen meilenweit in den Schatten. Antidepressiva bspw. sind das absolute Teufelszeug. Sogar Aspirin, was jeder hier gegen Schnupfen nimmt, tötet weltweit Menschen im 10.000er Bereich.

    Had to :D

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