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SERIE: Sagen Sie mal! – Pfarrer Henner Eurich übers Beten in Auto und Gottesdienste„Kirche ist für mich die Gemeinde vor Ort“

ALSFELD (aep). Es gibt Menschen in der Region, die man irgendwie kennt, Menschen, die für Ansichten und Einsichten stehen – Menschen, die man schon immer mal was fragen wollte. Oberhessen-live tut das in einer neuen Serie: „Sagen Sie mal…“ Den Anfang macht – passend zu Ostern – der Pfarrer Henner Eurich, zuständig für das evangelische Pfarramt Eifa-Altenburg. Er wurde 1970 in Stockhausen (Herbstein) geboren, absolvierte sein Theologiestudium in Mainz, sein Vikariat in Nauheim und Neesbach bei Limburg und seit zwölf  Jahren Pfarrer in Eifa und Altenburg, verheiratet, hat drei Kinder.

Sagen Sie mal…

Herr Eurich! Für Sie als Pfarrer: Beginnt da eigentlich jeder Tag mit einem Gebet?

Manchmal bete ich auch erst im Lauf des Tages, und häufig einfach zwischendurch, um mit meinem Gott das zu besprechen, was mich grad beschäftigt. Oft auch beim Autofahren – dann aber nicht mit geschlossenen Augen.

Wie nah ist Ihnen der Glaube im Alltagsleben? Empfinden Sie Gott in jeder neuen Frühlingsknospe oder vor allem beruflich in der Kirche?

Glaube und Leben ist für mich eins. Das kann ich nicht trennen. Jesus geht mit mir überall hin, das ist meine Überzeugung. Ich rechne damit, dass er ganz real da ist. Es hilft mir zu fragen: „Was würde Jesus jetzt tun? Was würde er jetzt sagen?“ Als Pfarrer versuche ich, möglichst viel Alltag in die Gottesdienste reinzuholen, damit die Leute umgekehrt möglichst viel Gottesdienst mit in ihren Alltag nehmen können.

Wenn Leute Sie ansprechen: Manno, warum dürfen wir Karfreitag nicht tanzen? Das ist doch voll überholt! Was antworten Sie ihnen?

Ich würde antworten: „Bitte versuche es so zu verstehen: Als Rücksichtnahme und Respekt gegenüber Leuten wie mir, denen der Todestag Jesu Christi auch heute noch unter die Haut geht; als ein Zeichen der Achtung auch gegenüber den vielen Menschen, die heutzutage zu Opfern von sinnloser Gewalt werden.“ Ich bin überzeugt, dass solche stillen Tage unserer Gesellschaft gut tun. Es gäbe sie nicht mehr, wenn sie nicht gesetzlich geschützt wären. Logisch, dass man sich daran auch reiben kann. Als Christ muss man allerdings umgekehrt auch manches tolerieren, was den eigenen Überzeugungen zuwiderläuft. Im Übrigen: Tanzen finde ich klasse – auch wenn ich persönlich es nicht kann. Musikerkrankheit.

Wie halten Sie als Pfarrer es eigentlich mit dem Schwindeln? Dürfen Pfarrer schwindeln?

Ich halte es auch hier mit Jesus: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Das hilft mir, wenn ich versucht bin, mich bequem und elegant an der Wahrheit vorbeizudrücken.

Gibt es eine Geschichte, die Sie zum Glauben geführt hat oder wie kamen Sie zu diesem Beruf mit Berufung?

Eine große Rolle haben andere Christen gespielt, deren Leben mich überzeugt hat. Die waren und sind authentisch, ehrlich, fromm. Und dann war wichtig die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Bibel, vor allem mit den Ostergeschichten. Dass ein verängstigtes Häuflein galiläischer Fischer die Welt umkrempelt, obwohl doch ihr Meister gekreuzigt wurde; dass aus dem ehemaligen Christenverfolger Paulus der größte Missionar und Märtyrer aller Zeiten wird; dass man in einer Männerwelt ausgerechnet Frauen als erste Zeuginnen der Auferstehung benennt und sich damit der verächtlichen Kritik der damaligen Intellektuellen aussetzt – darauf hab ich nur eine Antwort: das mit Ostern kann nicht erfunden sein, da ist mehr dran; Jesus ist tatsächlich auferstanden. Und darum glaube ich an ihn.

Vor allem von jungen Menschen ist bekannt, dass viele sich als durchaus gläubig bezeichnen würden, aber nicht an die Institution Kirche glauben. Was macht denn die Kirche falsch?

Dass Leute nicht an die Institution Kirche glauben, finde ich prima – ich tue es auch nicht. Glaube heißt für mich: Jesus Christus vertrauen und mit ihm leben. Kirche ist für mich auch in erster Linie nicht Institution, sondern die Gemeinde vor Ort, die Christinnen und Christen, mit denen ich zusammenlebe. Diese „Gemeinschaft der Heiligen“, wie es im Glaubensbekenntnis heißt, stärkt meinen Glauben. Ohne diese Gemeinschaft kann man vielleicht irgendwie gläubig sein, aber nicht Christ in dem Sinn, wie es Jesus gemeint hat.

Oder anders gefragt: Wieviel Veränderung verträgt eine Institution, deren Entstehungsgeschichte 2000 Jahre alt ist?

Die Kirche muss zweierlei zusammenbringen: Die Lebenswelt der Menschen von heute und die Botschaft von Gott, wie sie die Bibel bezeugt. Jede Veränderung, die dazu führt, dass das besser gelingt, finde ich wichtig und richtig. Faustregel ist für mich: bei den Inhalten konservativ, bei den Formen innovativ.

Der „Moment-mal“-Gottesdienst alle paar Wochen am Sonntagabend ist ein Erfolgsmodell. Wäre es nicht angebracht, dass Kirche generell ihre Jahrhunderte alte Gottesdienst-Liturgie überarbeitet – damit vielleicht wieder mehr Menschen in die Gotteshäuser gehen?

Im Blick auf Gottesdienste von Erfolg zu sprechen, halte ich nicht für angebracht. Auch bei „Moment mal“ zählt der einzelne Mensch und seine Beziehung zu Gott. Gerade deshalb finde ich es aber wichtig, dass die Kommunikationsformen im Gottesdienst sich wandeln. Auch Menschen, die den traditionellen Gottesdiensten eher fern bleiben, sollen eine Chance bekommen, wieder einen Zugang zu Gott, Kirche, Gottesdienst und Bibel zu finden. Ganz wichtig ist dabei die Musik: ich kann mich umso mehr mit einem Gottesdienst identifizieren, je mehr mich die Lieder ansprechen und ich sie mitsingen kann.

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