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Übersicht: Wo es im Vogelsberg noch Straßenbeiträge gibt und wo nichtWarum manche Vogelsberger Kommunen noch Straßenbeiträge erheben

VOGELSBERG (akr). Immer weniger hessische Kommunen erheben Straßenbeiträge. Seit einer Gesetzesänderung der schwarz-grünen Landesregierung im Jahr 2018 können Kommunen nämlich selbst entscheiden, ob sie die Grundstücksbesitzer zur Kasse bitten, wenn eine Straße saniert oder erneuert wird. Wie sieht es generell in den Vogelsberger Kommunen in Sachen Straßenbeiträgen aus?  Ein Überblick.

Nach einer Umfrage des Hessischen Ministerium des Innern und für Sport werden in mittlerweile 172 hessischen Gemeinden (Stand: August 2021) keine Straßenbeiträge mehr erhoben. 47 Gemeinden erheben wiederkehrende Straßenbeiträge und insgesamt 203
Gemeinden einmalige Straßenbeiträge, davon 23 mit erhöhtem Gemeindeanteil, heißt es in der Antwort des Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken im Landtag zur aktuellen Entwicklung der Straßenbeiträge in Hessen. Die Angaben beruhen laut Ministerium auf den Rückmeldungen der Kommunen.

Doch wie sieht das ganze eigentlich im Vogelsberg aus? In zehn Vogelsberger Kommunen gibt es die Straßenbeiträge, kurz „Strabs“ noch. Dazu gehören Antrifttal, Freiensteinau, Gemünden, Grebenhain, Herbstein, Mücke, Schotten, Ulrichstein, Wartenberg und Feldatal, sei es in Form von einmaligen oder wiederkehrenden Beiträgen.

In Feldatal kam das Thema der „Strabs“ kürzlich wieder auf den Tisch. Die Gemeindevertreter hat in ihrer vergangenen Sitzung entschieden, erneut über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu beraten. Im November 2020 hatten sich die anwesenden Parlamentarier bei zwölf von 15 Anwesenden mit sechs Nein-Stimmen, vier Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen eine Abschaffung der Straßenbeiträge entschieden.

Bach: „Die Finanzierungslast den Anliegern aufzubürden, führt zu massiven Ungerechtigkeiten“

Die Gremien der Gemeinde Antrifttal haben sich in der Klausurtagung zum Haushalt 2020 ausführlich mit der Frage der Abschaffung der Straßenbeiträge, Einführung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen oder Beibehaltung der Straßenbeiträge befasst und sich für die Beibehaltung ausgesprochen, erklärt Bürgermeister Dietmar Krist. „Wiederkehrende Straßenbeiträge kamen für uns aufgrund des hohen Verwaltungsaufwands und der zusätzlichen Kosten nicht in Frage.“

Aufgrund der finanziellen Situation habe die Gemeinde seit jeher Straßenbeiträge erhoben, so dass die einzige Alternative, eine Finanzierung über die Grundsteuer, nicht als gerecht angesehen wurde in Hinblick auf die Grundstückseigentümer, die in der Vergangenheit bereits bezahlt haben.

Antrifttal: Beiträge in Raten zahlen

Ziel der Gemeinde Antrifttal sei es, möglichst kostengünstig Instand zu setzen, um nicht mit Straßenbeiträgen grundhaft erneuern zu müssen. Das lasse sich nicht immer vermeiden. „Die geplante Sanierung der Ortsdurchfahrt Vockenrod wird auch die Beratung der Erhebung von Straßenbeiträgen beinhalten“, so Krist. Generell bestehe die Möglichkeit, dass sich die Grundstückseigentümer die Straßenbeiträge für einen Zeitraum von 20 Jahren stunden lassen können. Diese Regelung wende die Gemeinde Antrifttal im Bedarfsfall ohne Einschränkungen an, so dass die Straßenbeiträge über 20 Jahre in Raten abbezahlt werden könnten.

Auch in Freiensteinau gibt es noch eine Straßenbeitragssatzung. „Es wurden jedoch zuletzt in 2011 größere Beträge veranlagt. Seit dem wurde die Straßenunterhaltungsmaßnahmen forciert, so dass keine weiteren Straßenbeitragsveranlagungen notwendig waren“, teilt Rathauschef Sascha Spielberger mit. Die Gremien würden sich aber seit Längere mit einer möglichen Abschaffung beschäftigen.

Auf Basis einer Zustandsermittlung der gemeindlichen Straßen und Gehwege werde derzeit ein Maßnahmenprogramm entwickelt. „Daraus ist dann der zukünftige Finanzbedarf abzulesen. Dies dient dann wiederum als Grundlage, um eine mögliche Gegenfinanzierung zu entwickeln“, erklärt Spielberger. Grebenhains Bürgermeister Sebastian Stang teilt auf Nachfrage von OL nur kurz mit, dass die Thematik derzeit noch in der Beratung sei. „Daher kann ich Ihnen nur mitteilen, dass in Grebenhain derzeit noch die Straßenausbaubeitragssatzung gilt.“

Satzung in Wartenberg angepasst

Die Gemeindevertretung in Wartenberg hat in einem längeren Diskussionsprozess die Abschaffung, die Einführung von wiederkehrenden Beiträgen sowie die Beibehaltung umfassend erörtert. Abgeschafft wurden die „Strabs“ zwar nicht, dafür aber die Satzung geändert, die zum 1. Januar 2020 in Kraft trat. „Letztlich erfolgte die Anhebung des gemeindlichen Anteils auf das Niveau von vor 2013“, erklärt Gemeindeoberhaupt Olaf Dahlmann. Mit der Satzungsänderung wurden die bisherigen von der Gemeinde getragenen Anteile bei Straßenerneuerungen zu Gunsten der Anlieger erhöht. Sprich: Die Gemeinde zahlt mehr, die Anlieger nun weniger.

Eine Abschaffung der Straßenbeiträge hat Ulrichstein derzeit nicht vor, „nur wenn das Land Hessen einen entsprechenden Ausgleich für die Straßenbeiträge gewähren würde“, erklärt Bürgermeister Edwin Scheider. In Ulrichstein seien in den letzten 20 Jahren zwölf Straßenbaumaßnahmen abgerechnet worden. „Wenn wir jetzt die Straßenbeiträge abschaffen und die Grundsteuer erhöhen, um die Straßenbaumaßnahmen zu finanzieren, würden die Grundstückseigentümer, die bereits Beiträge bezahlt haben, erneut herangezogen. Das wäre nicht gerecht.“

Die Stadtverordnetenversammlung ist sich, so Schneider, in großer Mehrzahl darüber einig, dass die Straßenbeiträge abgeschafft werden können, wenn das Land einen Ausgleich schafft. Die Abschaffung jetzt ohne Landesausgleich vorzunehmen, wäre für Ulrichstein ungerecht. Das sei auch seine Meinung hierzu.

Die wichtigsten Antworten zu Straßenausbaubeiträgen

Neun Vogelsberger Kommunen haben die Straßenbeiträge abgeschafft. In Kirtorf zum Beispiel gibt es diese schon seit über 40 Jahren nicht mehr. Am 18. Februar 1980 hieß es in dem einstimmigen Beschluss der Kirtorfer Parlamentarier: „Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, zukünftig beim Aus- und Umbau von bereits vorhandenen Straßen keine Beiträge nach der seitherigen satzungsmäßigen Regelung zu erheben.“

„Größere Straßenausbaumaßnahmen wurden hier in der Regel nur mit Unterstützung durch Fördermaßnahmen ausgeführt. Die Anwohner haben sich dabei mit einem freiwilligen Beitrag beteiligt. Die ‚Restkosten‘ sind über den städtischen Haushalt finanziert worden“, erklärt Bürgermeister Andreas Fey.

Seit 40 Jahren keine Straßenbeiträge in Kirtorf

In 2020 wurden in Lautertal, Romrod, Grebenau, Schlitz und Lauterbach die Straßenbeiträge abgeschafft. In Grebenau zum Beispiel, war das der 1. Oktober. Gut zwei Jahre haben sich die Mandatsträger mit der möglichen Abschaffung beschäftigt.

Grebenau: Abschaffung aus finanzieller Sicht falsch, aus gesellschaftlicher richtig

Die „Freistellung“ der Hessischen Landesregierung, dass die Hessischen Kommunen in eigener Zuständigkeit über die Straßenausbaubeiträge zu entscheiden dürfen, habe einen enormen Druck aufgebaut, auch das Vorpreschen einzelner Kommunen bei der Abschaffung, erklärt Gründchen-Bürgermeister Lars Wicke.

Seit der Gebietsreform seien Straßenausbaubeiträge im Gründchen zwar nicht „geliebt“ gewesen, seien aber „hingenommen“ worden und hätten einen deutlichen Beitrag zur Stabilität der städtischen Finanzen beigetragen. Der Beschluss der schwarz-grünen Landesregierung aus dem „muss“ zur Erhebung der Straßenausbaubeiträge ein „kann“ zu machen, trifft laut Wicke vor allem die kleinen Kommunen im strukturschwachen Raum massiv. „Wohlhabende Kommunen mit sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen können ausbleibende Straßenausbaubeiträge wesentlich leichter kompensieren.“

Als finanzschwache Kommune müsse Grebenau quasi alle verfügbaren Mittel in Pflichtaufgaben investieren. Für Wünschenswertes bleibt laut Wicke kaum Raum. Seiner Meinung nach war die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus finanzieller Sicht falsch, aus gesellschaftlicher Sicht allerdings richtig und unvermeidbar. Die Abschaffung erfolgte zwar einstimmig, aber leider konnten sich der notwendigen Gegenfinanzierung nicht mehr alle Fraktionen vollumfänglich anschließen, erklärt er.

Die  Stadtverordnetenversammlung  hat die Grundsteuer A und B um jeweils 100 Prozent Punkte angehoben. Dies sind, so Wicke, in Summe rund 100.000 Euro pro Jahr in der gesamten Stadt. Für einen Durchschnittshaushalt bedeute dies eine jährliche Mehrbelastung von etwa100 Euro. Diese Mehrbelastung könne man für die Zukunft auch als Versicherung vor deutlich fünfstelligen Straßenausbaubeitragsbescheiden bezeichnen. „Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung bei den Energiekosten ist die beschlossene Steuererhöhung für die allermeisten allerdings leichter verkraftbar“, findet der Rathauschhef.

Am 29. Juni 2020 fiel in Schlitz die Entscheidung, die Straßenbeitragssatzung aufzuheben, erklärt Martin Wedler, Fachbereichsleiter Technische Dienste, der auch zugleich noch einen kurzen Einblick in die Vergangenheit liefert. „Die Straßenbeitragssatzung musste in 2011 auf Anordnung der Kommunalaufsicht erlassen werden. Anlass waren seinerzeit die Straßenbaumaßnahmen in den Stadtteilen Pfordt und Unter-Schwarz. Hiergegen hat die Stadt Schlitz geklagt und in allen drei Gerichtsinstanzen (zuletzt in 2019) verloren.“

Anlass für die Abschaffung war dann schließlich die Gesetzesänderung der schwarz-grünen Landesregierung, wonach den Kommunen selbst die Entscheidung überlassen wird. Schlitz hat sich entschieden, die Grundstückseigentümer nicht mehr zur Kasse zu bitten. „Wenn Straßenausbau- oder –umbaumaßnahmen anstehen, erfolgt die Finanzierung aus allgemeinen Deckungsmitteln.“

„Beiträge als ungerechtfertigt“

In Lautertal hatte man im August 2020 beschlossen, die Straßenbeiträge abzuschaffen. „Aufhänger für die Abschaffung war sicherlich die grundhafte Erneuerung der Ortsdurchfahrt im Ortsteil Dirlammen, die gewiss nicht von den Anwohnern in einen so miserablen Zustand versetzt wurde, sondern vielmehr von den vielen Lkw, da es sich hier um eine überörtliche Durchfahrtsstraße handelte“, betont Bürgermeister Dieter Schäfer.

In diesem Zusammenhang hatte sich auch eine Bürgerinitiative gegen die „Strabs“ gebildet. Diese hatte aber laut Schäfer keinen so immensen Druck auf die Politik ausüben müssen, da die Politik, quer durch alle Fraktionen, hier auch die Beiträge als ungerechtfertigt ansah.

„Die Gemeinde Lautertal hofft noch immer auf ein Einlenken der Landespolitik, dass diese wie andere Länderparlamente in Deutschland auch den Finanzausgleich für die Gemeinden hierfür reglementiert“, erklärt Schäfer. Unabhängig von dieser Hoffnung habe Lautertal im Gegenzug eine Steuererhöhung (Grundsteuer A+B sowie Gewerbesteuer) zum 1. Januar 2021 beschlossen. In Schwalmtal, wo die Straßenbeiträge 2019 abgeschafft wurden, entschied die Gemeindevertretung, den Hebesatz der Grundsteuer B um 30 Prozent anzuheben.

Steuererhöhungen werden in Alsfeld nur als „absolut letztes Mittel“ herangezogen, hieß es in dem damaligen Beschluss zur Abschaffung der „Strabs“ in Alsfeld aus 2019. Die fehlenden Einnahmen, die die Stadt damals mit schätzungsweise jährlich rund 260.000 Euro bezifferte, sollen durch Einsparungen bei den ergebniswirksamen Aufwendungen im Haushalt, Streckung des Investitionsprogrammes, Erstattung der Kosten durch Landesmittel sowie durch Einnahmeverbesserungen kompensiert werden- wobei eben Steuererhöhungen als absolut letztes Mittel in Frage kämen.

Straßenbeiträge werden nicht ohne Diskussion abgeschafft

Ein Gedanke zu “Warum manche Vogelsberger Kommunen noch Straßenbeiträge erheben

  1. Das ist eine Sauerei der Landesregierung sie läst die Gemeinden im Regen stehen.Das ist ihre Art Politik zu machen einer gegen den anderen auszuspielen.

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