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Abschaffung der Straßenbeiträge in Feldatal wird erneut beratenBach: „Die Finanzierungslast den Anliegern aufzubürden, führt zu massiven Ungerechtigkeiten“

FELDATAL (akr). Seit einer Gesetzesänderung der schwarz-grünen Landesregierung im Jahr 2018 können Kommunen selbst entscheiden, ob sie Straßenbeiträge erheben oder nicht. In Feldatal gibt es sie noch, auch wenn sich Bürgermeister Leopold Bach ausdrücklich für die Abschaffung ausspricht. Im Gespräch mit Oberhessen-live erklärt der Rathauschef, warum sie noch nicht abgeschafft wurden, wie es in Zukunft mit den Straßenbeiträgen in Feldatal weitergehen wird und was er sich von der Landesregierung wünscht.

Zunächst aber mal ein Blick zurück: Die erste Beratung jüngerer Zeit zu Straßenausbaubeiträgen in Feldatal wurde im Februar 2019 angestoßen, basierend auf einem Antrag der damaligen SPD-Fraktion. Seinerzeit liefen parallel auch Beratungen zu dieser Thematik auf Landesebene im Hessischen Landtag in Wiesbaden, wie Bürgermeister Leopold Bach auf Nachfrage von Oberhessen-live mitteilt.

„Wir warteten zunächst den Ausgang dieser Debatte ab und mussten leider feststellen, dass sich die Landespolitik keineswegs bürgerfreundlich positionierte“, erklärt Bach. Vor dem Hintergrund, dass die Vorlage der Schlussrechnung der Sanierung der Ortsdurchfahrt Köddingen nahte und somit die sachliche Beitragspflicht zu entstehen drohte, die wiederum eine Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 189.000 Euro an die beitragspflichtigen Bürgerinnen und Bürger in Köddingen unmöglich gemacht hätte, tagte der Haupt- und Finanzausschuss am 22. und 29. September 2020.

Abschaffung in 2020 gescheitert

Im ersten Termin referierte ein externer Fachreferent zum Thema „Finanzierungsmöglichkeiten von Gemeindestraßen“ und ging in diesem Vortrag auf wiederkehrende Straßenbeiträge und die Finanzierungsmöglichkeiten durch einmalige Straßenbeiträge sowie die Abschaffung und deren Konsequenzen ein. Es sei dabei deutlich geworden, dass der Maßstab für die Entscheidung über die Finanzierungsart, immer die konkrete Situation in der jeweiligen Gemeinde ist.

Im zweiten Termin wurden dann die finanziellen Auswirkungen der Abschaffung der Straßenbeiträge insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Rückerstattung der geleisteten Vorausleistungen in Köddingen beleuchtet. „Es stand eine Erhöhung der Grundsteuer A und B von 420 Prozent um 215 Prozent auf 635 Prozent im Raum, um die bei einer Abschaffung der Beitragssatzung entstehende erforderliche Rückabwicklung der Vorausleistungen kurzfristig möglich zu machen.“

Diese Tatsache führte am langen Ende dazu, dass sich die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am 26. November 2020 bei zwölf von 15 Anwesenden mit sechs Nein-Stimmen, vier Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen eine Abschaffung der Beitragssatzung aussprach. Diese laut Bach „sehr knappe Entscheidung“ zeige, dass es bei dieser Thematik zwei Lager gebe.

Bei Betroffenen habe die Straßenbeitragssatzung wenig Akzeptanz, da einige Kommunen – unter anderem auch Feldatals Partner im Gemeindeverwaltungsverband – die Straßenbeitragssatzung aufgehoben haben. „Diejenigen, die in der Vergangenheit bereits für eine Straßenmaßnahme bezahlen mussten, sehen weniger ein, nochmals über eine -möglicherweise zur Gegenfinanzierung notwendige – höhere Grundsteuer zur Kasse gebeten zu werden“, erklärt er.

In der vergangenen Gemeindevertreterversammlung Ende Februar kam das Thema Straßenbeiträge mit einem Antrag der Bürgerliste erneut auf den Tisch, nachdem Bach in der Sitzung zuvor über die derzeitige Endabrechnung der Bauarbeiten an der Ortsdurchfahrt Köddingen berichtete und dem Parlament gegenüber mitteilte, dass er es begrüßen würde, wenn die Gemeindevertretung im Laufe des Jahres erneut über die Thematik Abschaffung der Straßenbeitragssatzung beraten würde, da die Sperrfrist für einen solchen erneuten Antrag nun abgelaufen sei.

Die Maßnahme in Köddingen

Die Ortsdurchfahrt in Köddingen wurde im Zeitraum von 2016 bis 2019 in zwei Bauabgeschnitten erneuert. Im Juni 2015, also noch lange bevor Bach auf dem Chefsessel im Rathaus Platz nahm, wurden sogenannte Vorausleistungsbescheide verschickt. Die angeforderte Summe aus den Vorausleistungsbescheiden belief sich auf 189.000 Euro. Die Gesamtsumme des beitragsfähigen Aufwands beläuft sich auf 416.000 Euro. Gemäß der Straßenbeitragssatzung der Gemeinde Feldatal entfallen davon 25 Prozent auf die Gemeinde (104.000 Euro) und 75 Prozent auf die Anlieger (312.000 Euro).

Die Schlussrechnung ist am 20. April 2021 eingegangen, erklärt Bach. Somit entstand die sachliche Beitragspflicht zur Endabrechnung der Baumaßnahme. Die Endabrechnungsbescheide wurden dann Anfang November 2021 versendet. Mit den Endbescheiden wurde nun der verbleibende Anliegeranteil von 75 Prozent gemäß Satzung (312.000 Euro) abzüglich der geleisteten Vorausleistungen (189.000 Euro), folglich insgesamt 123.000 Euro, per Endbescheid angefordert. Insgesamt sind laut Bach 68 Bescheide ergangen.

Bürgermeister Leopold Bach.

Abschaffung soll erneut beraten werden

In der Sitzung am 24. Februar wurde schließlich bei 13 Anwesenden mit 12 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung der Beschluss gefasst, erneut zu beraten und alle Optionen zu beleuchten, die eine Abschaffung der Straßenbeiträge in der Gemeinde ermöglichen. „Im Vorfeld dieser Debatte wird der Gemeindevorstand beauftragt, die hierzu notwendigen Informationen zusammenzustellen und der Gemeindevertretung beziehungsweise dem Haupt- und Finanzausschuss zur Verfügung zu stellen“, erklärt er. Der Gemeindevorstand werde folglich im Laufe des Jahres die erforderlichen Daten zusammentragen und diese dem Haupt- und Finanzausschuss für weitere Beratungen zur Verfügung stellen.

Da die nächste grundhafte Straßensanierung erst im Jahr 2025 anstehe, hier sei dann die K125 „Pfingstweide“ in Groß-Felda an der Reihe, ehe für 2026/27 die grundhafte Sanierung der Ortdurchfahrt in Zeilbach geplant sei, bleibe ausreichend Zeit, um auch äußere Faktoren wie beispielweise die bevorstehende Grundsteuerreform, die Hessische Landtagswahl in 2023 und anderes ebenfalls mit in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen.

„Ich spreche mich erneut ausdrücklich für eine Abschaffung der Straßenbeiträge aus. Straßen sind Bestandteil der Daseinsvorsorge und müssen somit von der Allgemeinheit finanziert werden. Dies muss auch für Anliegerstraßen gelten. Die Finanzierungslast den Anliegern aufzubürden, führt zu massiven Ungerechtigkeiten“, betont der Feldataler Rathauschef.

Zahlungspflichtige Bürger empfinden die Forderung als ungerecht, erklärt Bach. „Insbesondere geraten Bürgermeister und Kommunalverwaltungen in Erklärungsnot und allzu oft müssen Fälle von der Justiz geregelt werden. In Hessen komme erschwerend hinzu, dass die Erhebung der Beiträge im Ermessen der Kommunen steht. Bürger in finanzstarken Kommunen zahlen nicht. Die finanzschwachen Kommunen in den ländlichen Regionen werden wiederum von der Kommunalaufsicht gezwungen, solche Beiträge zu erheben.“

Eine gesetzliche Regelung schaffen

Diese Ungerechtigkeit muss laut Bach abgeschafft werden. Die Beiträge führen oft zu sozialen Härten, Kostenbescheide in fünfstelligem Eurobereich seien keine Seltenheit. In den letzten 20 Jahre wurden in Feldatal zwölf Baumaßnahmen abgerechnet. Dabei entstanden seitens der Bürgerinnen und Bürger zu zahlende Straßenbeiträge in Höhe von zwei Millionen Euro, führt Bach aus.

Der Hessische Landtag müsse daher erneut aufgefordert werden, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, damit die Grundstückseigentümer zukünftig nicht mehr zur Kasse gebeten werden. „Im kommende Jahr stehen Landtagswahlen in Hessen an, vielleicht bietet sich dann die Gelegenheit für einen erneuten Anlauf.“

Einzelheiten, wie Übergangsregelungen oder die finanzielle Unterstützung der Kommunen, sollten Bach zufolge in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet werden. Mit der Neuregelung müsse ein „grundlegender Systemwechsel“ bei der Finanzierung des Ausbaus und der Sanierung kommunaler Straßen erreicht werden. Wenn die Landesregierung sich die Förderung des ländlichen Raums auf die Fahnen schreibt, so könne sie hier einen enorm wichtigen Beitrag leisten, so der Rathauschef.

Gerade in den Ortskernen der Dörfer gebe es eine hohe Rate an Leerstand. Hier muss laut Bach mehr Flexibilität geschaffen werden, um die Belastungen für potenzielle Hauskäufer zu senken. Eine drohende Straßensanierung könne somit ein echtes Hemmnis für die Belebung von Ortskernen sein, da sie Interessenten oftmals davon abhalten würde, ein renovierungsbedürftiges Haus zu erwerben. „Daher freue ich mich darüber, dass wir die Abschaffung der Straßenbaubeiträge erneut beraten und hoffe auf einen positiven Verlauf der Beratungen.“

Nicht nur die Entscheidung über die Abschaffung obliegt der Gemeindevertretung, sondern auch darüber, wie eine Gegenfinanzierung aussehen könnte. Grundsätzlich, so Bach, können die Kommunen den Straßenbau über Beiträge oder aus allgemeinen Finanzmitteln finanzieren. Die Stellschraube der Anpassung der allgemeinen Finanzmittel ist in der Regel die Grundsteuer, erklärt das Gemeindeoberhaupt. „Das Mittel der Wahl ist (gezwungenermaßen) in vielen Kommunen meist eine Grundsteuererhöhung. Beim grundsteuerfinanzierten Modell entsteht der Kommune jedoch auch ein Mehraufwand durch fehlende Sonderposten(-auflösung) während der Abschreibungsdauer der Straße“, erklärt er.

Dieser müsse dann mit der Zeit gegebenenfalls durch weitere Grundsteuereinnahmen, also Erhöhungen, finanziert werden und werde mit jeder Straßenbaumaßnahme größer. Eine weitere Option sei eine Finanzierung der Maßnahmen über Kredite. Das könne in der Praxis aber zu verminderten Investitionsfähigkeiten in anderen Bereichen führen.

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