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KOMMENTAR – Ein verramschter Rechner und ein toter Präsident lehren: nix gelernt!Bits und Bytes haben uns Entwicklung voraus

ALSFELD. Zwei Ereignisse, die nichts miteinander zu tun haben, machten mir an diesem Wochenende deutlich, wie Zeit und Entwicklung voranschreiten – ohne wirklichen Fortschritt zu bringen. Da ist einmal der Tod des verehrten Alt-Präsidenten Richard von Weizsäcker, und die Entdeckung eines Taschenrechners im Supermarkt-Regal.

Man brauchte nur einmal in die Programme und auf die Websites der TV-Sender zu schauen, um zu sehen, welch‘ große Bedeutung dem Tod des früheren deutschen Präsidenten von Weizsäcker zugemessen wird: Nachruf auf Nachruf. Selbst in der Facebook-Timeline, sonst eher Tummelwiese für Kitsch-Sprüche, gedachten User des Mannes, der seine Verdiente um die Unsterblichkeit noch gänzlich in der Vorzeit des Internet erworben hat.

 

Es war ja schon lange ruhig geworden um Richard von Weizsäcker, der zwischen 1984 und 1994 sechster deutsche Bundespräsident war. Seine größte Tat tat er dabei schon nach nur einem Jahr: Das war seine berühmt gewordene Ansprache zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985. Da stellte er fest, dass die Alliierten, die am 8. Mai 1945 das Nazi-Reich zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen hatten, als Befreier und nicht als Besatzer kamen. Welch‘ ein Wort damals!

Die Losung über Jahrzehnte: „Zusammenbruch“ und „Besatzung“

Dazu müssen jüngere Leute vielleicht wissen, dass die Weltkriegsgeneration viele Jahrzehnte lang stets nur unbestimmt vom „Zusammenbruch“ und von „Besatzung“ gesprochen hatte, wenn es um den Ausgang des Zweiten Weltkriegs ging. Gerade so, als grollten die Verlierer über einen unfairen Sieg der Gegenseite. In kollektiver Nichteinsicht blendeten viele, viele Menschen aus, wer den Krieg begonnen hatte, wer dabei furchtbare Gräuel bis hin zum kollektiven Völkermord begangen hatte – schlicht: Wo die Schuld lag in dieser Jahrhundert-Katastrophe.

Auch in meiner Schulzeit noch wand sich mein Geschichtslehrer verlegen bei der Frage nach der Gerechtigkeit des Kriegsendes. Ja… räumte der Mann ein, es war wohl schon nicht falsch, dass die Siegermächte gesiegt hatten. Aber, dass sie dann noch mit Siegerrecht über die  Besiegten urteilten… eigentlich eine Sauerei, meinte er. Das hätte man den Deutschen selbst überlassen sollen. Er meinte die Nürnberger Prozesse. Und ich meine: Wie gut, dass die Alliierten die Verfahren betrieben haben. Wer sich die Praxis im Umgang mit früheren Nazis unter Bundeskanzler Adenauer anschaut, könnte nämlich mutmaßen, dass ohne die Alliierten-Justiz ein Hermann Göring noch Luftwaffen-Inspektor der Bundeswehr hätte werden können.

Weizsäckers Appell zu mehr Miteinander

Und dann sagt es endlich einmal ein Bundespräsident: Die feindlichen Soldaten kamen als Befreier. Das war ein echter Fortschritt. Und er wandte sich auch noch mit einer Bitte an die jungen Menschen: nämlich, sich nicht mehr in Hass gegen andere Menschen anderer Nationen treiben zu lassen. Er warb für mehr Miteinander statt Gegeneinander der Menschen. Das war 1985.

Am Samstag entdeckte ich noch etwas, das mir zu denken gab: einen Taschenrechner in einem Supermarkt-Regal bei den Angeboten für einen Euro. Dahin haben diese kleinen Computer es also geschafft: zu den Ramschwaren, nur ein Fach entfernt von Spülschwämmen, Servietten und Plastiksieben. Was für eine Karriere! Ich kann mich an den ersten Taschenrechner meines Lebens noch erinnern: ein rot leuchtendes Gerät von Texas Instruments mit riesigem Energiehunger, für das ich damals, im Jahr 1979, satte 32 Mark zahlen musste. Also 16 Euro – mit heutiger Kaufkraft verglichen, waren das wohl weit über 30 Euro für einen Rechner, der außer Grundrechenarten auch trigonometrische Berechnungen ermöglichte und nach 30 Stunden eine neue 9-Volt-Batterie brauchte.

Der Fortschritt der Taschenrechner

Und was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich finde die Entwicklungen bemerkenswert. Taschenrechner wie jenen, mit dem ich Abitur gemacht habe, bekommt man heutzutage nachgeworfen. Die Dinger kosten nicht nur kaum noch Geld, sie verbrauchen vergleichsweise auch fast keine Energie mehr. Rechenleistung, so wird an dem Beispiel deutlich, hat einen Riesensprung gemacht.

Denkleistung aber offenbar nicht. Denn jener Appell, den Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker an die Menschen richtete, ist auch weitere 30 Jahre nach dem größten Gemetzel der Menschheit aktuell wie eh und je. Nichts ist besser geworden. Es gibt nicht weniger, es gibt mehr Kriege, befeuert von Intoleranz und Hass auf dem Nährboden sich ausbreitender Armut.

Fremdenhass und Ausgrenzung blühen wieder auf

Und da wo es friedlich ist, bei uns, blühen Fremdenhass und Ausgrenzung wieder auf. Man traut sich wieder, ganz offen auf der Straße eine ganze Religionsgruppe zu diffamieren und nennt das politische Bewegung. „Bewegung“ – der Begriff ist durchaus einschlägig besetzt. Nein! Seit jener denkwürdigen Ansprache des Bundespräsidenten hat sich in den Köpfen der Menschen nichts ernsthaft zum Positiven verändert. Nicht einmal hinschtlich der Solidarität untereinander – dafür hat der Konsum es bei uns zum Status einer Religion geschafft. Damit soll uns der Rest der Welt interessieren? Wohl kaum.

Aber – wenn der so viel besser gewordene Taschenrechner es dann nur ins Ramschregal geschafft hat – was haben wir denn vor uns?

Axel Pries

Ein Gedanke zu “Bits und Bytes haben uns Entwicklung voraus

  1. Fortschritt & Entwicklung.
    Den Fortschritt den es in dieser Zeit in Deutschland gibt, ist das nicht nur mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen und bleiben dürfen, sondern das auch immer mehr finanziell Geld an arme Länder geschickt wird. Sehr viele Ausländer die in der EU leben schicken Geld in ihre Heimat, was 340 Milliarden EURO in einem Jahr ausmacht.
    Auch die Vereine und Wirtschaftsentwicklung von der Bundesregierung versucht die Armut in der Welt zu bekämpfen.Von Kolonien und Ausbeutung ist heute keine Rede mehr in der Poltik!(Was früher vorm Krieg selbstverständlich war.)
    Das meiste Geld fließt in die Bildung und Schulen in den Entwicklungsländern. Es hat sich herumgesprochen, das Bildung das wichtigste im Leben ist.
    „Dies ist die eigentliche Entwicklung!“

    Um dies mit dem Taschenrechner zu vergleichen: Konrad Zuse hat den ersten Rechner entwickelt. Die Aussage 1=ja 0=nein mit Zahlenkolnnen können so die Komputer bis in der heutigen Zeit mit der gleichen Logig rechnen. Nur wo früher ein Rechner ein ganzes Zimmer einnahm und über 100.000,-DM kostete, ist heute nur ein ganz kleiner winziger Rechner entstanden für einen EURO, den sich jeder leisten kann.
    „Dies ist der eigentliche Fortschritt!“

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