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Interview zum Manöver der Bundeswehr bei der Hessenhalle„Die Übung in Alsfeld ist eine Premiere für die Bundeswehr“

ALSFELD (jal). Wie verpflegt man hunderte Soldaten, die auf der Durchreise sind? Dieses Szenario wird Ende April bei der Alsfelder Hessenhalle geprobt. Im Interview erklärt Oberstleutnant Meinrad Angermayer, was auf die Alsfelder zukommt, warum US-Soldaten in der Stadt übernachten werden – und wieso sich die Rolle Deutschlands in der Nato in den vergangenen Jahren fundamental geändert hat.

Der ein oder andere mag sich noch an die runden gelben Schilder erinnern, die bis vor einigen Jahren an zahlreichen Brücken in der Region zu finden waren. Die Schilder fielen auf, weil neben ein paar Zahlen und Pfeilen Symbole abgebildet waren, die einem im deutschen Straßenverkehr so eher selten begegnen: Panzer. In Zeiten des Kalten Krieges sollten Soldaten damit schnell erkennen können, welches Gewicht – oder wie viele Panzer – eine Brücke aushält.

Seit 2009 werden die Schilder an Brücken nicht mehr vorgeschrieben und sind deswegen vielerorts verschwunden. Vor der ausgerufenen Zeitenwende, ausgelöst durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, hätten wohl die wenigsten gedacht, dass sie noch einmal nützlich sein könnten. Vielleicht sogar mehr denn je – auch wenn sie auf digitalem Wege mittlerweile in Karten fürs Militär ersetzt werden können.

Denn wie Oberstleutnant Meinrad Angermayer im Interview mit Oberhessen-live erklärt, hat sich die Rolle Deutschlands innerhalb der Nato mit dem Ende des Kalten Krieges fundamental gewandelt. Aus diesem Grund wird es in Alsfeld vom 22. bis 28. April ein ganz besonderes Manöver der Bundeswehr geben. Der Sprecher des federführenden Landeskommandos Hessen erklärt, was in Alsfeld geplant ist. Detaillierte Informationen gibt es am kommenden Freitag auch den ganzen Markttag über an einem Stand der Bundeswehr am Alsfelder Marktplatz.

Das Interview

OL: Herr Angermayer, lassen Sie uns mit einer persönlichen Frage starten: Mit welchem Gefühl schauen Sie gerade als Soldat Nachrichten?

Oberstleutnant Meinrad Angermayer: Ich bin 1983 nach dem Abitur Grundwehrdienst-Leistender geworden. Wir haben damals gesagt, so unter uns Stubenkameraden: ‚Die Zeit für Kriege in Mitteleuropa ist vorbei.‘ Ich bin sehr erstaunt und erschrocken, dass ich fast am Ende meines Berufslebens – ich bin vor Kurzem 60 geworden – eines Besseren belehrt werde.

Sie hätten sich also nicht gedacht, dass sich die Zeiten noch einmal so ändern?

Nein, das hätte ich nicht gedacht. Ich habe gedacht, dass die Ideen, die es nach 1991 und der Wiedervereinigung gab, dazu führen, von Konflikten Abstand zu nehmen: Weil man anstelle von Konfrontation auf Gemeinsamkeiten setzt, auf gemeinsame Interessen, weil man sich vielleicht nicht in wirtschaftliche Abhängigkeiten begibt, aber doch so eng verflechtet, dass man bei einem Szenario, wie es jetzt eingetreten ist, nur noch Verlierer kennt. Ich hätte also geglaubt, dass die Vernunft die stärkere Kraft gewesen wäre. Eigentlich glaube ich das immer noch.

Nun hat es ja historische Gründe, warum die Deutschen anders als andere Länder ein eher unterkühltes Verhältnis zu ihrer Armee haben. Merken Sie, dass sich da etwas geändert hat?

Ja, ich gebe Ihnen recht: Die Deutschen haben durch die zwei verlorenen Weltkriege eher etwas Distanz zum Militärischen. Das ist anders als in Großbritannien oder Frankreich. Da schwebt kein Bedauern mit, das ist einfach nur eine Feststellung. Aber seit dem Überfall Putins auf die Ukraine ist das Interesse am Militär, an der Bundeswehr, deutlich spürbar angestiegen.

Feuerwehrleute sagen manchmal, sie wünschen sich natürlich nicht, dass etwas Schlimmes passiert, dennoch macht der Beruf am meisten Spaß, wenn etwas brennt. Journalisten kennen das auch. Geht es Ihnen als Soldat gerade ähnlich?

Ich habe mehrere Auslandseinsätze gemacht, zum Beispiel in Kundus in Afghanistan, noch vor der Zeit, in der es dort unruhig wurde. Das war spannend, das war aufregend, eine ganz neue Welt, die mir mein Beruf eröffnet hat. Insofern geh’ ich d’accord mit dem Feuerwehrmann, der sagt, wenn wir gefordert sind, dann macht es Spaß. Ernsthaft kann einem die Aussicht, dass man sich möglicherweise in Lettland, im Baltikum, an der polnischen Grenze oder in Rumänien gegen einen aggressiven Diktator stellen muss, der bereit ist, die Grenzen in Europa mit Waffengewalt zu verschieben, natürlich keinen Spaß machen. Aber man merkt an den ganzen Analysen über die Sicherheitslage, die zum Beispiel auch in den Zeitungen zu lesen sind, dass man wieder ein relevanter Faktor ist als Soldat. Leider, aber es ist so.

Zivil-Militärische Zusammenarbeit – der Kernauftrag des Landeskommandos Hessen. Foto: Bundeswehr/Kevin Walenta

Ich verstehe, was Sie meinen. Nun steht ja auch die Übung, die es in Alsfeld geben soll, im Zeichen der Zeitenwende, sozusagen. Beschreiben Sie doch mal, was dort genau geübt wird und was auf die Alsfelder zukommt.

Lassen Sie mich dazu kurz etwas ausholen. Der Fokus der Nato hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges verschoben. Damals verlief die Demarkationslinie der beiden Blöcke mitten durch Deutschland. Auch wenn es den Warschauer Pakt nicht mehr gibt, droht heute wieder eine Eskalation, aber eher im Baltikum oder Ländern wie Polen oder Rumänien. Dort muss heute abgeschreckt werden und dort müsste die Nato im Ernstfall Truppen hinverlegen. Das bedeutet für Deutschland, dass es innerhalb der Nato eine andere Rolle bekommen hat. Im Kalten Krieg wäre Deutschland ein Schlachtfeld gewesen, jetzt ist es eine Drehscheibe. Die Truppen, die verlegt werden, müssen durch das größte Land in Mitteleuropa durchfahren. Das ist etwas, das in Friedenszeiten bereits stattfinden muss.

Alsfeld ist mit seiner zentralen Lage nicht nur in Hessen, sondern auch mitten in Europa und der guten Autobahnanbindung ideal für eine solche Übung.

Ich nehme an, wegen der Logistik, die dahintersteckt?

Genau. Die Soldatinnen und Soldaten müssen verpflegt werden, Duschen oder Toiletten benutzen, vielleicht muss jemand mal zum Sanitäter und die Fahrer müssen Ruhezeiten einhalten. Heutzutage will natürlich auch jeder Soldat sein Handy aufladen. Die Fahrzeuge müssen betankt oder auch mal repariert werden. Entlang der Routen, die bei solchen Verlegungen benutzt werden, soll all dies in sogenannten Convoy-Support-Centern erfolgen. Und die Abläufe in solchen Convoy-Support-Centern muss man üben. Und da wir dabei aufgrund der Aufgabe von Kasernen in den letzten 30 Jahren keine militärische Infrastruktur mehr haben, muss zur Erfüllung dieser Aufgabe auf zivile Liegenschaften zurückgegriffen werden.

Und das ist jetzt der Punkt, wo die Alsfelder Hessenhalle ins Spiel kommt?

Richtig. Die Übung in Alsfeld ist eine Premiere für die Bundeswehr. Hier wollen wir das erste Mal Erfahrungen sammeln und herausfinden, wie es ist, wenn wir ein ziviles Objekt anmieten und dort ein Convoy-Support-Center mit all dem, was ich gerade beschrieben habe, einrichten. Alsfeld ist mit seiner zentralen Lage nicht nur in Hessen, sondern auch mitten in Europa und der guten Autobahnanbindung ideal für eine solche Übung, bei der es für uns nur um den simulierten Betrieb des Convoy-Support-Centers geht. Das Landeskommando Hessen ist für die Zusammenarbeit zwischen zivilen Strukturen und der Bundeswehr zuständig und koordiniert deswegen dieses Manöver.

Wie viele Fahrzeuge und Teilnehmer werden denn erwartet bei der Übung? Und wird nur die Bundeswehr daran beteiligt sein?

Nein, am Freitag werden im Rahmen der Übung auch US-Soldaten in Alsfeld haltmachen und dort auch übernachten. Außerdem ist das THW in die Übung eingebunden. Die genaue Anzahl der Teilnehmer steht noch nicht fest. Es werden schätzungsweise drei Dutzend Fahrzeuge, hauptsächlich Lastwagen, sein und vielleicht so 200 bis 300 Übungsteilnehmer insgesamt. Die Alsfelder werden davon aber nicht viel mitbekommen. Vielleicht sieht man im Supermarkt mal ein paar Soldaten, aber das war es dann schon. Die Hessenhalle liegt ja am Rand der Stadt.

An der Übung werden auch Kräfte des Heimatschutzes eingebunden sein – in der aktuellen Form eine relativ neue Einrichtung der Bundeswehr. Was können Sie dazu noch sagen?

Bei Corona waren im Rahmen der Amtshilfe viele aktive Soldaten in Impfzentren, Altenheimen oder in Gesundheitsämtern eingesetzt. Und man hat gemerkt: Das geht so nicht, die aktive Truppe wird eigentlich für andere Aufgaben gebraucht. Da es aber keine Wehrpflicht mehr gibt, gab es bislang auch weniger Reservisten. (Deswegen rückte die Bedeutung eines Heimatschutzes, der sich auf Reservisten abstützt, wieder in den Blickpunkt. Reservisten, die im Ernstfall militärische Aufgaben wahrnehmen, die aber im Hier und Heute auch in der Amtshilfe eingesetzt werden können.

Ich sage jetzt einfach mal: Sandsäcke befüllen, wenn die Lahn über die Ufer tritt. Es gibt verschiedene Wege, wie man – auch als Ungedienter – Teil des Heimatschutzes werden kann. Ein Weg ist zum Beispiel über das Programm „Dein Jahr für Deutschland“, in dem man sich flexibel und freiwillig verpflichten kann. Also weg von dem klassischen Bild der zwölfmonatigen Einberufung zum Grundwehrdienst, was man vielleicht noch hat. Das Jahr lässt sich in mehreren Etappen abdienen. Da die Kräfte des Heimatschutzes noch dem Landeskommando unterstehen, werden sie auch bei der Übung in Alsfeld eingebunden sein und beispielsweise im Objektschutz zur Bewachung der Anlage eingesetzt.

Möchten Sie der Bevölkerung sonst noch etwas mitteilen?

Ein Hinweis vielleicht noch: In der heutigen Zeit ist Verteidigung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Kriege werden hybrid, es geht nicht nur ums rein Militärische, um Kampfhandlungen an der Front, sondern auch um Fake News oder Cyberangriffe auf Krankenhäuser und Wasserwerke. Wie verhalte ich mich, wenn lange Zeit der Strom ausfällt und der Supermarkt geschlossen bleibt? Ich habe den Eindruck, wir in Deutschland müssen uns diesem Aspekt als Gesellschaft erst noch richtig bewusst werden. Finnland ist ein super Beispiel, an dem wir uns da orientieren können. Dort hat man nach dem Kalten Krieg nie aufgehört, auf alles vorbereitet zu sein.

3 Gedanken zu “„Die Übung in Alsfeld ist eine Premiere für die Bundeswehr“

  1. ich hasse diese politik-floskeln ohne inhalt, kredit und schulden bleiben immer welche, die zeiten haben sich mit der chaos-regierung gewaltig geändert, und die sinnlose militärische untersützung von kriegslüsternen ländern schadet auch dem multi-kulti staat, gendern ist genauso schwachsinn, die bevölkerung muss diesen unfug alles bezahlen!

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    1. ich hasse diese kommentar-floskeln ohne inhalt, lügen und unwahrheiten bleiben immer welche, die zeiten haben sich mit solchen kommentaren gewaltig geändert, und die sinnlose untersützung von kommentarlüsternen lesern wie dr. otto dumm schadet auch diesem forum, gendern ist genauso schwachsinn, die leser von oberhessen live müssen diesen unfug alle lesen!

  2. So ein dummes gerede was soll den Russland in Deutschland oder West Europa , wir sind doch ohne Krieg schon fertig . Macht euer Spiel , Putin lacht sich Tot. Europa führt sich auf wie ein Hühnerhof wenn ein Habicht in der Luft ist. Die Ukraine will doch Russland besiegen nur wie geht wissensie nicht ?.

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