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100-jähriges Firmenjubiläum des Elektro-FachmarktesEin historischer XXL-Geburtstag für Euronics

LAUTERBACH/ALSFELD (jal). Bei Euronics XXL in Lauterbach und Alsfeld gab es kürzlich etwas zu feiern – und zwar das 100-jährige Firmenjubiläum. Bei dem Elektronikfachmarkt ist man überzeugt: Mit dem richtigen Serviceangebot für ihre Kunden brauchen lokale Geschäftsleute keine Angst vor der Konkurrenz im Internet zu haben.

Im Jahr 1923 wurde in Berlin und Lauterbach Geschichte geschrieben – oder besser gehört. In dem Jahr, in dem in der Hauptstadt die erste Unterhaltungssendung im deutschen Hörfunk übertragen wurde, saß Max Ahlbrandt in seinem Haus Am Graben und bastelte sich sein eigenes Empfangsgerät. Der Elektromeister wurde damit Teil eines exklusiven Clubs. Wer dem Wunderkasten lauschen wollte, musste eine für diese Zeit teure Lizenz dafür haben. Ahlbrandt fing an, auch andere Lauterbacher mit Radios zu versorgen. Zunächst aus Eigenproduktion, später mit in Fabriken hergestellten Geräten, deren Wartung er übernahm.

Was damals in den Irrungen und Wirrungen der Weimarer Republik begann, hat nun ein ganzes Jahrhundert bestand. Zwar hat sich der Name geändert, mit dem der Laden nach außen auftritt – von der Produktpalette ganz zu schweigen – aber hinter Euronics XXL steht immer noch die „Mega Company Ahlbrandt Elektro-Fachmarkt GmbH.“ Die Nachfahren Ahlbrandts sind stille Teilhaber und Vermieter der Lauterbacher Ladenfläche. All das war der IHK Anlass genug, das 100-jährige Firmenjubiläum quasi offiziell zu bestätigen, Urkunde inklusive.

Die beiden Chefs: Andreas Schaub und Uwe Hedrich

Aus diesem Grund haben sich nun Uwe Hedrich und Andreas Schaub etwas Zeit genommen. Die beiden sind die Geschäftsführer des Elektromarktes. Im Gespräch skizzieren sie die wichtigen Stationen der Firma – erzählen zum Beispiel, wie Ahlbrandt nach dem Radio-Hype in den 50ern die nächste große Entwicklung mitmachte, und den Lauterbachern einen Schwarz-Weiß-Fernseher präsentierte, noch bevor das Erste Deutsche Fernsehen mit der ersten Ausgabe der Tagesschau auf Sendung ging. Irgendwie war das folgerichtig. In den 30er-Jahren hatte Ahlbrandt das Lauterbacher Kino, zu dem man damals noch Lichtspielhaus sagte, aufgebaut.

Es kam die Zeit des Wirtschaftswunders, erzählt Uwe Hedrich. Zum ersten Fernseher gesellten sich nach und nach mehr Konsumgüter hinzu, die damals als Revolution gefeiert worden sind – Staubsauger und Kühlschränke etwa. Die Söhne Heinrich und Helmut Ahlbrandt übernahmen die Geschicke des Elektronikhändlers, der in der Mitte des Jahrhunderts gleich mit drei Standorten in der Lauterbacher Innenstadt vertreten war. Spezialisierung war damals gefragt. Ein Laden bot Schallplatten an, ein anderer Fernseher, der dritte Haushaltsgeräte.

Das änderte sich 1997. Die drei Bereiche wurden am heutigen Standort, der Umgehungsstraße, unter einem Dach vereint. Aus der Firma Ahlbrandt wurde die Mega-Company. Die Ahlbrandts waren Mitglied in der Einkaufsgenossenschaft Interfunk, die sich 2004 in Euronics umbenannte – was schließlich dazu führte, dass der Lauterbacher Elektromarkt gegenüber seinen Kunden als Euronics XXL auftrat. 2010 übernahm die Firma von der vor allem im Agrarhandel aktiven Raiffeisen schließlich noch den Elektromarkt im damaligen AEZ in Alsfeld (inzwischen mit Küchenstudio), hat somit heute zwei Standorte mit jeweils gut 1500 Quadratmetern Stellfläche. Beide Standorte gehören rechtlich zusammen, Euronics XXL ist nach eigenen Angaben der größte Elektrohändler Oberhessens.

In diesem Haus fing für Euronics XXL alles an.

1997, das Jahr des großen Umzugs in Lauterbach, war auch für Uwe Hedrich ein Jahr des Umbruchs. Der heute 62-Jährige rückte in die Geschäftsführung auf. Er ist Eigengewächs, wie man so schön sagt, hat bei den Ahlbrandts Ende der 70er seine Ausbildung gemacht. Auch sein 36-jähriger Geschäftsführerkollege Andreas Schaub ist dem Geschäft nach seiner Ausbildung treu geblieben.

Die beiden Geschäftsführer haben also auch selbst, ähnlich wie das Geschäft, eine ganze Menge an technischer Entwicklung miterlebt. Uwe Hedrich kramt in seinen Erinnerungen. Da waren zu Beginn seiner Zeit zum Beispiel die ersten richtigen Video-Rekorder, die einen waren Heimvideo-Boom auslösten. „Jeder, der es sich leisten konnte, wollte seine Familienfeiern und Urlaube filmen“, erzählt er. Videorekorder, um Fernsehsendungen aufzunehmen, sind so ein weiterer Meilenstein, sagt er – ebenso wie der „Walkman“ und das Aufkommen der Flachbildfernseher – die aus heutiger Sicht alles waren, nur nicht wirklich flach.

Ein gutes Essen auf Knopfdruck

Und heute? Heute zieht das oft zitierte „Internet der Dinge“ auch in immer mehr Vogelsberger Haushalte ein. Kühlschränke, die selbstständig melden, wenn der Lieblingsjogurt alle ist. Die Waschmaschine, die per App informiert, wenn sie fertig ist – und so unnötige Gänge in den Keller verhindern soll. Oder Geräte wie der Thermomix, der per Knopfdruck aus ein paar Zutaten „ein echt gutes Essen“ zaubert, wie Hedrich findet. Für ihn sind die Geräte nichts geringeres als Revolutionen, die Menschen glücklich machen können, weil ihr Leben dadurch schöner werden kann.

Nun kann das Internet nicht nur Dinge vernetzten, sondern ist freilich seit Jahren vor allem ein Marktplatz – und damit für viele Einzelhändler ein Schreckgespenst. Wie mithalten mit der Konkurrenz von Amazon und Co., die mit schneller Lieferung und günstigen Preisen locken. Auf einen Außenstehenden wirkt es erstaunlich gelassen, wie Hedrich und Schaub bei dem Thema reagieren. Es klingt umso banaler, mit welcher Taktik sie offensichtlich erfolgreich die Mitbewerber im Netz auf Abstand halten: Ehrliche Beratung, die dem Kunden Vorteile erklärt, ohne ihm ein vielleicht teureres Produkt „aufzuquatschen“, wie Hedrich sagt, gepaart mit einem Einkaufserlebnis, das es so im Netz nicht gibt. Verschiedene Kaffeemaschinen ausprobieren, um die leiseste zu finden? Sowas könne die digitale Konkurrenz zum Beispiel nicht bieten.

„Die Kunden wollen von uns oftmals gar nicht den günstigsten Preis, aber sie wollen, dass (…) sie zu uns kommen können, wenn irgendetwas schiefläuft“.Andreas Schaub

Das heißt aber nicht, dass der 100-jährige Laden selbst nicht im Netz aktiv ist. „Wir haben auch einen Online-Shop“, sagt Andreas Schaub. Das Angebot sei aber weniger bundesweit ausgerichtet, sondern sei vielmehr ein „digitales Schaufenster“ für die Kunden in der Region. „Click und Collect – also digital einkaufen, aber im Markt abholen – diese Funktion würde gern genutzt. „Der Kunde kann so auch abends auf dem Sofa regional seine Ware bekommen, weil er sie reserviert und am nächsten Tag abholen kann.“ Das sei durchaus schneller als Amazon, wo die Lieferung mehr Zeit in Anspruch nehmen könne.

Aber was ist, wenn ein Kunde das Smartphone zückt, und die Ware im Netz billiger findet? Schaub und Hedrich geben ganz offen zu: Ist der Kunde öfters in ihrem Geschäft zu Gast, kennt man sich – dann lässt sich durchaus auch mal über den Preis sprechen. In der Regel setzen die beiden und ihr Team aber auf Transparenz – und erklären der Kundschaft, weshalb sich als lokaler Händler mit 70 Arbeitsplätzen im Vogelsberg nicht jedes Angebot im Internet unterbieten lässt. „Wir haben vier Schlagwörter, für was wir in der Region stehen“, erklärt Schaub. „Tradition, Innovation, Vertrauen und Zuverlässigkeit.“

Konkret bedeutet das: 76 Azubis hat die Mega Comany seit 1997 vorgebracht. Eine hauseigene Werkstatt bietet Reparaturen an, das Thema Nachhaltigkeit sei vor allem jüngeren Menschen heute wichtig, erklärt Schaub. Dazu komme das Argument der Steuern, die in der Region blieben. „Die Kunden wollen von uns oftmals gar nicht den günstigsten Preis, aber sie wollen, dass wenn sie zehn, fünfzehn, zwanzig Euro mehr bezahlen, wir ihnen keinen Quatsch erzählen und sie zu uns kommen können, wenn irgendetwas schiefläuft“. Klar treffe das nicht auf alle zu, manche Schnäppchenjäger könne man nicht umstimmen. Dem Rest würde aber durchaus klar, was Schaub schließlich in einem Satz zusammenfasst: „Wir leben die Region, wir leben das, was wir hier machen.“

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