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Eine Chance für junge KreativeAlsfelder Modeunternehmen der Geschwister Galfe fördert junge Kreative und ermutigt andere Unternehmen dazu

ALSFELD (ol). Das Modeunternehmen der Geschwister Galfe aus Alsfeld hat erfolgreich sechs Praktikanten aufgenommen und ermutigt nun andere Unternehmen dazu, jungen Menschen eine Chance zu geben. Durch die Einbindung der jungen Praktikanten in den Produktionsprozess konnten sowohl das Unternehmen als auch die jungen Kreativen voneinander profitieren.

Der Nachwuchs fehlt und allüberall geistert das Gespenst des Fachkräftemangels durch die Betriebe. Auf der anderen Seite scheuen sich viele Unternehmen, junge, unerfahrene Leute aufzunehmen – zu anstrengend, zu wenig Zeit heißt es dann oft. Oder aber Praktikanten werden als billige Handlanger für ungeliebte Aufgaben herangezogen, lernen oft wenig oder nichts und dürfen sich am Ende vielleicht über ein Zeugnis freuen – oder auch nicht.

Dass es auch anders geht, zeigen die Geschwister Galfe, Mode-Unternehmer aus dem hessischen Alsfeld. Sie haben das Experiment gewagt. Sie haben in acht Wochen sechs Praktikanten aufgenommen – und wurden belohnt. „Wir haben unfassbar schöne und kreative Wochen hinter uns“, sagt Geschäftsführer Frank Galfe, der die Geschäfte zusammen mit seiner Schwester Juliane führt in einer Pressemitteilung. Und noch mehr: Sein ganzes Team hat von der gemeinsamen Zeit profitiert.

Diese erfreuliche und bereichernde Erfahrung möchte er gerne weitergeben und andere Entscheider ermutigen, ihre Häuser für den Nachwuchs zu öffnen, heißt es. Im Modeunternehmen der Geschwister Galfe werden eigene Designs erdacht, konzipiert und in der Näherei gefertigt. Die stilvoll-zeitlosen Kreationen können in der angeschlossenen Boutique oder per Online-Shop gekauft werden.

Die weitläufigen Räume am ehemaligen Güterbahnhof in Alsfeld atmen den Geist der Vergangenheit ebenso wie den der Zukunft. Hier habe die ausrangierte Nähmaschine der Oma ebenso Platz wie modernste Ausstattung für das perfekte Kleidungsstück. Und für einige Wochen haben hier auch sechs junge Leute ihren Platz gefunden.

Doch das Klischee hält sich hartnäckig: Junge Menschen, auch als Generation Z (Geburtsjahrgang 1997 bis 2012) bezeichnet, wollen nicht mehr arbeiten, sie wollen lieber in der Sonne liegen, Smartphone in der Hand, sie wollen Spaß und wenig Verbindlichkeit, so heißt es. Dieser schablonenhafte Blick auf die nachfolgende Generation werde bei den Geschwistern Galfe inzwischen umgeschrieben. „Wir haben in der Zeit ihrer Praktika gesehen, dass die jungen Leute Verantwortung übernommen haben, und zwar von sich aus“, erzählt Galfe. Gleichwohl sei ihm wichtig gewesen, die jungen Leute ganz nach dem Motto „fördern und fordern“ mit in den Produktionsprozess einzubinden.

So wie etwa Emma Scheuer (17) und Jana Bauer (19). Die beiden jungen Frauen sind im zweiten Lehrjahr zur Maßschneiderin, einer vollschulischen Ausbildung, die an der Max-Eyth-Schule in Alsfeld angeboten wird. Sie haben bei den Geschwistern Galfe nicht nur gelernt, Kunden zu beraten, sie haben auch ihre eigenen Stücke entworfen und gefertigt. Außerdem konnten beide auch an einer Modenschau teilnehmen, die in der angrenzenden Halle am ehemaligen Güterbahnhof gezeigt wurde. Jana Bauer modelt auch heute noch für die Modemarke, ist unter anderem ein Gesicht der neusten PR-Kampagne.

Auch die 17-jährige Mila Klar ist dem Unternehmen nach ihrer Praktikumszeit treu geblieben. Der Vorschlag, sich bei Galfe zu bewerben, sei von ihrer Mutter gekommen, erzählt sie. Vor Beginn ihres Praktikums, sei sie sich noch nicht sicher gewesen, was sie werden wolle. Heute ist ihr Wunsch eindeutig: „Ich will auf jeden Fall kreativ arbeiten.“ Mila hat sich extrem gut ins Team integriert, hat viel gelernt, unter anderem auch, mal über den eigenen Schatten zu springen und Dinge zu wagen, etwa beim Thema Schnitttechnik, so die Unternehmer. „Mila brauchen wir – für Schnitte und für soziale Aspekte“, lacht Frank Galfe. Denn in dem überschaubaren Team, das maßgeblich auch von seinem Kollegen Sebastian Döll mitgetragen wird, kommt es auf ein gutes Miteinander an, auf den Funken, der sich auch gerne auf die Kundschaft übertragen darf. „Wir wollen hier Grenzen überwinden“, sagt Galfe.

Offenbar gelingt das den Alsfeldern ein ums andere Mal. Und damit profitieren beide Seiten: Die Praktikanten lernen viel über Schnitttechnik, über die richtige Kundenansprache oder darüber, Aufgaben zu sehen und anzupacken. Und das Unternehmen profitiert von dem neuen, frischen Blick, neuen Impulsen, für die Hilfe in stressigen Zeiten. Für das kreative Umfeld ein unbedingter Gewinn. Und die Kundschaft dankt es ihnen. Nicht selten werden schon die Prototypen neuer Stücke von den treuen Stammkunden angefragt, bevor sie überhaupt kalkuliert werden konnten, so heißt es.

Doch nicht immer sind es die großen Aufgaben, die Meilensteine, die einen herausfordern. Manchmal müsse auch nur das Büro oder das Lager aufgeräumt und sortiert werden, oder aber das Bad geputzt. Da müssen alle anpacken, auch die Praktikanten. „Aber da wird man nicht allein gelassen, auch Herr Galfe putzt dann mit“, erzählt Lysander Sust. Der 20-Jährige hatte zuvor ein Jahr die renommierte Tokio Design-Schule absolviert, sich aber dann entschlossen, zurück nach Deutschland zu kommen. Bald beginnt sein Studium in Trier. Aber vorher hat er noch sämtliche Facetten des Alsfelder Unternehmens kennengelernt. Eine Erfahrung, die ihn nachhaltig beeindruckt hat. „Hier wird wie in den klassischen italienischen Modehäusern gearbeitet“, und meint damit, dass alles unter einem Dach stattfindet: Von der Idee bis zu Umsetzung der Kleidung, vom Marketing über Modenschauen bis zum Verkauf.

Zuvor hatte er versucht, in einer Maßschneiderei in Frankfurt Fuß zu fassen. „Aber dort konnte mich kein Betrieb aufnehmen“, erzählt er. Umso überraschter war er, dass er nicht in der Großstadt, sondern im ländlichen Vogelsberg fündig wurde. Hier hätten ihn nicht nur das professionelle Umfeld und die Herausforderung überzeugt, sondern auch der nachhaltige Ansatz, dem das Unternehmen folgt. „Hier wird darauf Wert gelegt, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren“, sagt Sust. Und mit den Stoffresten werden nicht selten karitative Projekte unterstützt.

Galfe möchte auch andere Unternehmen ermuntern, sich Nachwuchs ins Haus zu holen. Und zwar nicht erst, wenn die jungen Menschen bereits aktiv auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, sondern schon vorher. „Denn am Ende profitieren alle“, ist er überzeugt.

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