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Jede*r ist bei uns richtig - Haus am Kirschberg öffnet neue GruppeHaus am Kirschberg eröffnet Gruppe für queere Jugendliche

LAUTERBACH (ol). Das Haus am Kirschberg eröffnet eine neue Gruppe der Pädagogischen Intensivbetreuung für queere Jugendliche und setzt damit Maßstäbe in der Unterstützung von LGBTQ+-Jugendlichen. Durch die Schaffung eines Schutzraums und die Anerkennung der individuellen Bedürfnisse möchte die Einrichtung einen Beitrag zur wachsenden Akzeptanz von queerer Lebensweise im ländlichen Raum leisten.

Stets an den gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen orientiert und die Bedürfnisse der Klient*innen im Blick: Dies ist laut einer Pressemitteilung eine große Kompetenz und ein Anliegen des Teams im Haus am Kirschberg. Schon öfter in ihrem über 50-jährigen Bestehen hat die Einrichtung der Jugendhilfe, die sich ursprünglich aus der Mutter-Kind Arbeit weiterentwickelt hat, pädagogisch Maßstäbe gesetzt und war nicht selten ihrer Zeit voraus. Nun hat das Haus am Kirschberg eine Gruppe der Pädagogischen Intensivbetreuung für queere Jugendlichen geöffnet. Marc Simon, Bereichsleiter der Intensivgruppen, und Pauline Möller, Teamleitung der seit Anfang des Jahres bestehenden „Pädagogisch-Therapeutischen-Intensivgruppe für Mädchen, Jungen und Divers (PTI*)“, berichten über die Entstehung der Gruppe und die Bedeutung eines solchen Angebots für die Region und darüber hinaus.

„Ganz konkret begann die Entwicklung hier im Haus, als wir in der Mädchengruppe, einen Transjungen hatten, ein Mädchen also, das sich selbst als Junge identifizierte und als solcher gesehen werden wollte“, erzählt Pauline Möller. Neben einer intensiven Betreuung dieses Jugendlichen wurden viele Beratungsgespräche mit externen Partnern wie Schule und Jugendamt nötig. „Gerade in Schulen herrschen hier noch viele Vorbehalte, die wir gemeinsam ausräumen müssen“, skizziert Möller eine Erfahrung, die sich sowohl in der Schülerschaft als mitunter auch noch im Kollegium ausmachen lässt. Hinzu kam, dass der Jugendliche aufgrund seines Outings die Mädchengruppe hätte verlassen müssen, da die Gruppe nicht für Jungs geöffnet war. „So haben wir unser Konzept dahingehend verändert, dass wir eine Gruppe für alle Jugendlichen geöffnet haben. Mädchen, Jungen und queere Menschen“, berichtet Marc Simon. Damit hat das Haus am Kirschberg nicht nur bis in das Rhein-Main-Gebiet hinein ein einzigartiges Angebot in der Region geschaffen, sondern ist auch bundesweit eines von sehr wenigen Häusern, die queeren Jugendlichen mit pädagogisch-therapeutischem Intensivbedarf eine Anlaufstelle bieten.

„Für uns war es wichtig, dem Transjungen zu zeigen, dass er bei uns richtig ist, dass wir seine Bedürfnisse ernstnehmen, auch wenn gerade der ländliche Raum in Bezug auf die Akzeptanz von queeren Menschen noch Nachholbedarf hat“, so Möller. „Sich bei aufkommenden Fragen zur eigenen Identität ausprobieren zu dürfen, ist sehr wichtig. Wir bieten dazu einen Schutzraum.“ Außerhalb dessen seien Jugendliche häufig mit sehr normativen Rollenbildern konfrontiert, Diskriminierung und Vorbehalte seien an der Tagesordnung. „Viele queere Jugendliche bringen Diskriminierungserfahrungen mit. Aufklärung darüber hat daher einen großen Stellenwert und fängt bereits im Elternhaus an“, sagt Möller und ergänzt: „Wichtig ist Offenheit und ein unverkrampfter Umgang damit. Queer wird man nicht durch äußere Einflüsse, sondern von innen.“ Dass sich heute viel mehr junge Menschen zu ihrem Queersein bekennen, führen sie und das HaK-Team auf eine wachsende Akzeptanz in der Öffentlichkeit zurück. „Wir möchten gemeinsam daran arbeiten, dass auch im ländlichen Raum das Bewusstsein für queere Lebenswelten wächst und, dass auch das Beratungsangebot noch ausgebaut wird“, skizziert die Erziehungswissenschaftlerin ein Ziel des Hauses am Kirschberg.

Mit der Öffnung der Gruppe und dem offenen Umgang mit dem Thema stellte sich heraus, dass noch andere Jugendliche sich als queer wahrnehmen und erleichtert waren, dies offen zu kommunizieren und in den Alltag im Haus am Kirschberg und in ihrer Gruppe einzubringen. „Wir sind bei uns im Haus und speziell in der PTI*-Gruppe offen für alle Geschlechter“, fasst die Gruppenleiterin die Intention zusammen. Die stellvertretende Teamleitung Jasmina Schäfer formuliert dies so: „Wir schaffen für Jugendliche ein multikulturelles Angebot der Geschlechtervielfalt.“ Dieses Angebot schlage sich auch in dem therapeutischen Ansatz des Hauses nieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass Menschen zwingend queer sein müssen, um in die PTI*-Gruppe zu kommen. Die Gruppe ist eine bunte Mischung, die ein Thema mit eingebracht hat, über das im ganzen Haus am Kirschberg offen gesprochen werde.

Auf einem Fachtag zu diesem Thema und im Rahmen verschiedener Fortbildungen und Vorträge haben sich die Mitarbeitenden des Hauses am Kirschberg weitergebildet. Sie alle, von der Geschäftsleitung über die Verwaltung bis hin zum Hausmeister, unterstützen die Erweiterung des Angebotes. Seit Januar dieses Jahres besteht die Gruppe offiziell. „Wir haben Anfragen für mindestens fünf weitere Gruppen – deutschlandweit“, legt Marc Simon den Bedarf dar. Gleichwohl finde das neue Angebot nicht überall Zuspruch. „Wir klären weiter auf und setzen uns für die Bedürfnisse der von uns betreuten Jugendlichen ein. Damit stoßen wir auf viel Zustimmung und sind sicher, dass wir auch Kritiker*innen noch davon überzeugen können, wie wertvoll dieses Angebot ist.“

Ein Gedanke zu “Haus am Kirschberg eröffnet Gruppe für queere Jugendliche

  1. „…wachsende Akzeptanz in der Öffentlichkeit…“

    Ist es nicht eher so, dass man es von allen Seiten (Verbände, NGOs, Politik) aufoktroyiert bekommt!? Überall wird der – mit immer mehr Buchstaben und Zusätzen versehene – Regenbogen mit der Brechstange durchgeboxt. Was heute noch Mehrheit ist, wird immer mehr in die Minderheitenecke gedrängt. Beängstigende Entwicklung!

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