Gesellschaft0

Bürgermeister Paule: "Das ist ein derartiger Skandal und eine Frechheit obendrein"Alsfeld: Deutsche Bahn verschiebt Bahnhofs-Sanierung auf 2026

ALSFELD (ls). Eigentlich sollte der Alsfelder Bahnhof im kommenden Jahr saniert und barrierefrei ausgebaut werden, doch daraus scheint nun doch nichts zu werden. Die Deutsche Bahn verschiebt den Sanierungsstart um zwei Jahre und gibt der Stadt dafür die Schuld. Bürgermeister Paule ist verärgert, nannte es einen Skandal und regte eine Resolution an.

„Das treibt mir die Zornesröte ins Gesicht und bringt mein Blut zum kochen“, erklärte Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule am Ende des Ausschusssitzung am Dienstagabend, wo er die Ausschussmitglieder bereits frühzeitig darüber in Kenntnis setzte, dass die Deutsche Bahn die eigentlich für 2024 geplante barrierefreie Sanierung des Alsfelder Bahnhofes um zwei Jahre auf 2026 verschoben hat – und die Schuld dafür in einer Mail außerdem noch der „Stadt in die Schuhe schiebt“.

Zu allem Überfluss läuft bis dahin auch noch das Bundesförderprogramm aus, mit dem der Alsfelder Bahnhof zum ersten barrierefreien Bahnhof im Vogelsberg hätte ausgebaut werden können. Deshalb gab es gestern noch eine Mail vom hessischen Wirtschaftsministerium an das Stadtoberhaupt, dem laut eigener Aussage dann der „Kragen platzte“ und der prompt darauf antwortete.

Die Vogelsbergbahn für die Zukunft der ganzen Region stärken

Zunächst aber zum Anfang: In einer zwar Anfang März datierten, aber erst in der letzten Woche versendeten Mail informierte die DB Netz zum aktuellen Projektstand zum Umbau des Alsfelder Bahnhofes, der sich aufgrund von Umplanungen verschiebt und nun auf das erste Quartal im Jahr von 2026 angesetzt ist – „vorbehaltlich einer ausstehenden Kapazitätsprüfung seitens Vermesser und Planer für die zusätzlich anfallenden Leistungen“.

DB: Stadt lehnte Anschluss an Kanalsystem ab

Der Grund für die Verschiebung sei, dass für die anfallenden Oberflächenwassermengen eine neue Lösung zur Entwässerung gefunden werden müsse. Zwar sei ein Anschluss an das städtische Entwässerungssystem geplant gewesen, doch die Stadt habe einen Eilantrag abgelehnt, sodass eine neue Lösung erarbeitet und gefunden werden müsse.

Zwischenzeitlich hätten geotechnische Gutachten ergeben, dass eine Versickerung im Bahnhofsbereich nicht möglich sei und die einzig verbleibende Lösung die Einleitung in den verrohrten Bach „Krebsbach“ sei, der etwa 1,5 Kilometer entfernt ist. „Für diese neu zu planende Entwässerungslösung wird die Planung eines komplett neuen Kanalsystems und somit auch verschiedene Gutachten und Vermessungsleistungen benötigt“, heißt es in der Mail weiter.

Diese Nachricht rief auch das Hessische Wirtschaftsministerium auf den Plan, das an diesem Dienstag ebenfalls per Mail auf den Alsfelder Bürgermeister zukam und ihm erklärte, dass das Bahnhofsvorhaben 2019 in das Bundessonderprogramm „Förderinitiative zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit von Bahnhöfen“ aufgenommen wurde, von dem nur drei Bahnhöfe in Hessen profitieren. Für das Vorhaben stünden Bundesmittel vollumfänglich zur Verfügung.

Alsfelder Bahnhof soll einen Aufzug bekommen

Einen Knackpunkt gibt es allerdings: Das Programm hat eine Laufzeit bis 2026. Für Vorhaben, die nicht in diesem Zeitraum realisiert werden, steht keine Finanzierung mehr zur Verfügung. Deshalb bittet das Ministerium, die Möglichkeiten einen Anschlusses an das städtische Entwässerungssystem zu überprüfen oder aber zu klären, ob es Voraussetzungen gäbe, unter denen ein Anschuss doch noch möglich wäre.

Stadt wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Antwort des Bürgermeisters ließ nicht lange auf sich warten: Dass die Stadt den Antrag auf Kanalnutzung abgelehnt habe, sei nicht „einfach so“ geschehen, sondern weil das vorhandene Kanalnetz nicht über genügend Kapazitäten verfüge, an einem so zentralen innerstädtischen Standort zusätzliche Niederschlagswassermengen, insbesondere von der Fläche der gesamten Bahnsteiganlagen, aufzunehmen.

Es sei „nicht mit gesundem Menschenverstand nachzuvollziehen“, warum die Entwässerung des Bereichs seit 1915 problemlos möglich gewesen sei, es die Bahn nun vor „kaum überwindbare Hürden“ zu stellen scheine, immerhin sei ein alter Entwässerungskanal zur Krebsbach noch vorhanden. Inwiefern dieser ertüchtigt werden müsse, könne nur die Bahn ermitteln, die allerdings stattdessen eine zweijährige Bauverzögerung angemeldet habe. Seiner Meinung nach hätte das in vier Jahren der Förderzusage seit 2019 längst hätte geprüft sein können, doch stattdessen sei das Thema Entwässerung erst 2022 thematisiert worden. „Ich spreche hier ganz offen von totalem Organisationsversagen in der Planungsverantwortung“, schrieb Paule weiter.

Wenn sich durch dieses Vorgehen, die Umsetzung des barrierefreien Ausbaus des Bahnhofs Alsfeld entweder verzögert oder mangels Finanzierung ab 2026 gar nicht mehr realisieren lasse, sei das ein Armutszeugnis für den gesamten Schienenpersonennahverkehr Deutschlands – insbesondere weil der Alsfelder Bahnhof als einziger im ganzen Kreis barrierefrei erschlossen werden sollte.

Bahnhof Alsfeld: Stadt will auf Verbesserung der Gleis-Zugänge hinwirken

Schon im Jahr 2013, also vor zehn Jahren, habe die Stadt Alsfeld beschlossen, sich sogar selbst finanziell an einem barrierefreien Ausbau zu beteiligen. Das wurde bis 2019 jedoch nicht begonnen und die Stadt selbst wurde auf die Förderzusage des Bundes vertröstet. „Das Gebaren der Bahn ist aus Sicht der Stadt keineswegs akzeptabel“, schrieb Paule und kündigte an, das Thema politisch zu adressieren und öffentlich zu machen.

Zu allem Überfluss habe die Stadt zu Beginn der Planungsphase für das jetzige Projekt selbst Planungskosten beigesteuert, um eine Verlängerung der Fußgängerunterführung auf die gegenüberliegende Seite des Empfangsgebäudes zu ermöglichen. Dort sollten „Park and Ride“-Anlagen, Ladestationen sowie Fahrradabstellmöglichkeiten geschaffen werden. Der positiven Vorprüfung folgte die Aussage der Planungsverantwortlichen, dass man das nicht zusammen mit der Stadt umsetzen werde.

Paule: Skandal und Frechheit obendrein

Wie mit Gemeinden umgegangen werde, die alles in ihrer Macht stehende tun, um den längst überfälligen barrierefreien Ausbau voranzutreiben, treibe ihm die Zornesröte ins Gesicht, schrieb Paule abschließend und merkte an, dass der Bau der gesamten Vogelsbergbahn zwischen Gießen, Alsfeld und Fulda vor 150 Jahren genau drei Jahre gedauert habe, nämlich von 1868 bis 1871.

So könne Verkehrswende nicht funktionieren, erklärte Paule gegenüber den Ausschussmitgliedern, nachdem er den Schriftverkehr verlas. „Es ist ein derartiger Skandal und obendrein noch eine Frechheit die Schuld dafür dann noch der Stadt in die Schuhe zu schieben“, sagte der Rathauschef und regte bi den Fraktionen an, den Sachverhalt in eine gemeinsame Resolution zu fassen, denn Fakt sei: So kann es nicht weiter gehen.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren