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Industriegebiet "Am Weißen Weg"Kritiker-Behauptungen im Faktencheck I

ALSFELD (ls). Es ist von täglich 5.926 zusätzlichen Fahrzeugen die Rede, von fehlenden Lärmgutachten und davon, dass das Gelände noch größer werden soll. Nicht alles, was von Kritikern in Zusammenhang mit dem geplanten Industriegebiet „Am Weißen Weg“ behauptet wird, stimmt wirklich. Ein Faktencheck in zwei Teilen.

Das geplante Industriegebiet in Alsfeld sorgte in den letzten Wochen für Diskussionen und vermehrte Kritik. Im Netz kursieren vielerlei Argumente gegen das Projekt – teils mit richtigen, teils mit belegbar falschen Behauptungen, die hier im Folgenden aufgegriffen und erklärt werden sollen.

Als Grundlage zur Überprüfung dienen neben den Aussagen von Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule, DHL Pressessprecher Thomas Kutsch, dem Vogelsbergkreis und dem Regierungspräsidium Gießen, der öffentlich einsehbare Bebauungsplan, der Flächennutzungsplan sowie der als Grundlage dienende Umweltbericht (alle Unterlagen dazu finden Sie öffentlich auf der Homepage der Stadt Alsfeld), der Entwurf des Regionalplans Mittelhessen und die Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2019 im Auftrag der Hessischen Landgesellschaft durch die Heinz und Feier GmbH.

Behauptung 1: Täglich sind insgesamt 5.926 Fahrzeuge zusätzlich auf der Bundesstraße 62 unterwegs.

Faktencheck: Die Zahl von 5.926 zusätzlichen Fahrzeugen wird in der Begründung des Bebauungsplans für das Industriegebiet Weißer Weg unter dem Punkt „4.4 Verkehrsflächen, Verkehrserschließung, Anbindung ÖPNV“ genannt. Dieser ist öffentlich auf der Webseite der Stadt Alsfeld zugänglich.

Dort heißt es wörtlich: „Um das zu erwartende Verkehrsaufkommen des Industriegebietes abschätzen zu können, wurde im Auftrag der Hessischen Landgesellschaft mbH eine Verkehrsuntersuchung hierzu durchgeführt. Die Untersuchung geht von einer zusätzlichen Verkehrsbelastung der Bundesstraße B62 durch das geplante Industriegebiet von 5.926 KfZ über den gesamten Tag aus. Davon fahren 654 KfZ mit einem Schwerverkehranteil von 129 in der Spitzenstunde am Vormittag und 368 KfZ mit einem Schwerverkehranteil von 70 in der Spitzenstunde am Nachmittag.“

Auf den ersten Blick scheint es, als könnte das Argument der Kritiker stimmen – jedenfalls wenn man nur auf die Formulierung im Bebauungsplan schaut. Um die Zahl allerdings genauer analysieren zu können, ist ein Blick auf das entsprechende Verkehrsgutachten notwendig. Die 52 Seiten umfassende Verkehrsuntersuchung ist nicht öffentlich, wurde aber den politischen Entscheidungsträgern und auf Anfrage auch OL bereits im Juli 2021 zur Verfügung gestellt. Auf ihrer Grundlage ist bereits ein Text auf OL erschienen.

Der Wunsch nach einem Kreisel auf der B62

In dem Gutachten wird beschrieben, wie die genannte Zahl von 5.926 Fahrzeugen hergeleitet wird. Die Berechnung erfolgte im Jahr 2019 aufgrund einiger getroffener Annahmen:

  • Annahme 1: Auf 20 der 44 Hektar wird ein Logistikbetrieb mit 800 Beschäftigten sowie ein 24 Stundenbetrieb mit drei Schichten entstehen.
  • Annahme 2: Auf den verbleibenden 24 Hektar entstehen Industrieunternehmen, bei denen mit allgemeinen Kennzahlen gerechnet wurde, nämlich 45 Beschäftige pro Hektar, was 1080 Beschäftigten entsprechen würde.
  • Annahme 3: Für die nicht bekannten Werte werden allgemein gültige Kennzahlen genutzt, die sich nachfolgender Tabelle entnehmen lassen:

Quelle: Verkehrsgutachten

Aus diesen Annahmen lassen sich Faktoren pro Mitarbeiter errechnen, von denen man auf die zu erwartende Kfz-Fahrten für Beschäftigte, Kunden/Besucher und tatsächliche Lieferungen schließen kann. Diese kann man der nachfolgenden Tabelle entnehmen.

Quelle: Verkehrsgutachten

Nimmt man dann die beiden Summen für den Logistik und Industrieteil, so erhält man die Gesamtsumme der 5.926 zusätzlichen Fahrzeuge. Diese zusätzlichen Fahrzeuge sind die Zahlen, die Kritiker nutzen – allerdings sind sie nach dem heutigen Kenntnisstand falsch. Vergessen darf man dabei allerdings nicht, dass das Gutachten aus dem Jahr 2019 ist – und es seitdem neue, gesicherte Informationen und Zahlen gibt. Mittlerweile weiß man nämlich, welche Unternehmen dort bauen werden und wie viel Verkehr erwartet wird.

„Nach heutigem Stand planen wir mit rund 300 Verkehren pro Tag und zukünftig mit 600 Verkehren pro Tag, wobei der Schwerpunkt der Fahrzeugbewegungen in den Abend- und Nachtstunden liegt“, erklärt DHL-Pressesprecher Thomas Kutsch auf Anfrage von OL. Die Zeiten würden speziell für DHL zwischen 22 Uhr und 6 Uhr liegen. Dabei würden nicht nur Lkw zum Einsatz kommen, sondern auch viele Transporter, also 3,5 Tonner, die die Entfernungen abdecken. Aufgrund der Distanzen, beispielsweise bis nach München, sollen fast ausschließlich Autobahnen genutzt werden. Daher sei der Standort in Alsfeld direkt an der A5 optimal, da der geplante Hub auf den nationalen Straßentransport ausgelegt sei und die Sendungen über den Landverkehr zeitnah weiter an alle DHL Express Service Center in Deutschland transportiere.

Konkret werden die Daten zu Beginn (im Jahr 2024/25) hier zusammengefasst. Dabei werden wieder die errechneten Faktoren aus dem Verkehrsgutachten genutzt, allerdings mit den nun bekannten Zahlen von DHL und Nordwest:

Das heißt mit der Eröffnung der Logistikbetriebe von DHL Express und Nordwest wäre zu Beginn mit ca. 1.167 zusätzlichen Fahrzeugen täglich zu rechnen.

Zum Schluss soll ein Blick auf die Zukunft geworfen werden. Zum einen gibt es noch freie Flächen im Industriegebiet, die erst in einigen Jahren verkauft werden können, weil sie sich derzeit noch im Besitz von Landwirten befinden, zum anderen haben sowohl DHL als auch Nordwest eine Prognose für die nächsten zehn bis 20 Jahren abgegeben. Die prognostizierten Zahlen der Entwicklung ab 2030 wurden von den Käufern in den jeweiligen Präsentationen bekannt gegeben und werden hier nun aufgeführt.

Zur Erklärung: Für die künftigen Mitarbeiter auf den Restflächen, die prognostiziert in 2030/2040 ebenfalls verkauft und verbaut sind, wird in dieser Rechnung von einem Durchschnittswert der bisherigen beiden Unternehmen (DHL und Nordwest) ausgegangen.

Aber auch hier würde sich zeigen, dass man ab 2030/2040 höchstens von einem zusätzlichen Gesamtverkehr von 2.945 Fahrzeugen ausgehen muss. Die Aussage, dass man mit einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen von 5.926 Fahrzeugen durch das Industriegebiet rechnen muss, ist daher nicht richtig, da die Zahlen falsch hergeleitet und mittlerweile veraltet sind. So viel kann man allerdings sagen: Zu Beginn in 2024 wird man mit 1.167 zusätzlichen Fahrzeugen rechnen müssen.

Mit Blick auf mögliche verkehrsberuhigende Maßnahmen – insbesondere für den Stadtteil Eifa, der schon heute von Lkw belastet wird, die die Maut sparen wollen und über Eifa nach Rainrod und von dort zurück auf die B254 fahren – erklärt Alsfelds Bürgermister Stephan Paule, dass beim Regierungspräsidium schon seit Jahren ein innerörtliches Tempo 30 nachts in Eifa beantragt wurde, das allerdings bislang abgelehnt wurde, da „die vom RP berechneten Lärmwerte dafür nicht ausreichen“.

„Im Zuge des Industriegebiets ist geplant, dass der Mautvermeidungsverkehr durch die Errichtung einer Mautsäule bei Eifa umgelenkt und bekämpft wird. „Ein stationärer Blitzer hat hohe Anforderungen und muss von der Hessischen Polizeiakademie genehmigt werden“, erklärt Paule. Für Eifa war das bisher nicht der Fall, werde aber im Bezug auf die Bushaltestelle innerorts nochmals versucht.

Behauptung 2: Die Stadt Alsfeld hat trotz dieser absehbaren Lärmbelastung durch das Industriegebiet und den Zubringerverkehr kein Lärmgutachten eingeholt.

Faktencheck: „Verkehr und Industrie produzieren zwangsläufig Lärm“, sagt der Bürgermeister. Der Vorteil des Standortes „Am weißen Weg“ bestehe darin, dass er in einer „siedlungsfernen Lage“ liege. Hierdurch würden Immissionskonflikte bereits im Vorfeld verringert oder vermieden. Ein Lärmgutachten sei in erster Linie dann notwendig, wenn beispielsweise ein Vorhaben nahegelegene Wohngegenden zu beeinträchtigen droht.

Die nächste Wohngegend liegt zwei landwirtschaftliche Betriebe mit zugehöriger Wohnnutzung (Bereich Höllhof) in etwa 950 Meter Luftlinie entfernt, so jedenfalls steht es im Bebauungsplan. Dort heißt es auch, in solchen Dorfgebieten wie der Höllhof einer ist, gelten Orientierungswerte für tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A). Die Stadt geht davon aus, dass diese Werte eingehalten werden. „Für diese Einhaltung spricht auch die topographische Lage der landwirtschaftlichen Anwesen“, heißt es im Bebauungsplan. Höhenmäßig liegt der Bereich Höllhof etwa 50 Meter tiefer als das Industriegebiet und erfahre durch den „Damm der Autobahn A5 eine Trennwirkung“.

Im Bereich „Florhof“ – oder umgangssprachlich auch Flohrshöhe genannt -, der etwa 130 Meter nordöstlich ist, ist eine Wohnnutzung ausgeschlossen. Zuletzt wurde das bei der Erweiterung des Schießstandes bewertet, wobei eine Baulast eingetragen wurde. Nach Eifa beträgt die Entfernung 1,6 Kilometer, nach Eudorf und Altenburg sind es je 1,7, zur Kernstadt 1,9 Kilometer. Im unmittelbaren Nahbereich gebe es „keine aus immissionsschutzrechtlichen Gründen zu berücksichtigende wohnbaulich genutzten Anlagen“.

Sofern eine künftige Ansiedlung unter die Genehmigungspflicht des Bundesimmissionsschutzgesetzes fallen sollte, muss in der Regel auch ein präzises Gutachten erstellt werden, teilt die Stadt mit. Konkret für DHL soll ein Lärmgutachten im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens erstellt werden.

Behauptung 3: Als Begründung für das fehlende Lärmgutachten wird der ohnehin laute Schießstand herangezogen.

Faktencheck: Es ist wahr, dass im Bebauungsplan vom Schießstand an der sogenannten „Flohrshöhe“ gesprochen wird, der vom Verein Bund der Militär- und Polizeischützen betrieben wird – allerdings wird er nicht als Begründung angeführt, warum kein Lärmgutachten nötig ist. Konkret wird darin auf den östlich angrenzenden Schießstand verwiesen – und auf dessen Erweiterung, die dazu führte, dass für diesen Bereich eine Baulast mit dem Inhalt eingetragen wurde, „dass dort eine Wohnnutzung ausgeschlossen ist“. Weiter heißt es: „Somit befinden sich im Nahbereich des geplanten Industriegebietes keine aus immissionsschutzrechtlichen Gründen zu berücksichtigende wohnbaulich genutzten Anlagen.“ Übersetzt heißt das: Schon wegen des Lärms des Schießstands sind in dem betreffenden Gebiet auch nahe dem geplanten Industriegebiet keine Wohnungen erlaubt – damit die Menschen dort vom Schießlärm nicht belästigt werden können.

Das sagt auch Bürgermeister Stephan Paule. Der erklärt, dass die Schießanlage in den Planunterlagen „als vorhandene Lärmquelle geführt“ wird und nicht als inhaltliche Begründung dafür, dass kein Lärmgutachten erstellt wurde. „Den Betrieb der Schießanlage auf der Flohrshöhe mag mancher kritisch sehen. Es handelt sich jedoch unstrittig um eine den Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes entsprechende, genehmigte Anlage“, erklärt er.

Ende Februar fand in Alsfeld der erste Sonntagsspaziergang gegen das geplante Industriegebiet in der Alsfelder Innenstadt statt. Foto: archiv/ls

Gemäß Genehmigungsbescheid vom 4. Januar 2017 darf auf dem Schießstand übrigens werktags von 7 bis 21 Uhr und sonn- und feiertags von 8 bis 16 Uhr geschossen werden. Wie das Regierungspräsidium Gießen als Genehmigungsbehörde auf Anfrage mitteilt, wurde im Zuge der Änderungsgenehmigung von 2017 ein Lärmgutachten erstellt. Das sei Bestandteil der damaligen Antragsunterlagen, nach Genehmigungserteilung sei eine Abnahmemessung für die Anlage vorgenommen worden. Die Bewertung der Ergebnisse würden beim Vogelsberg liegen, sagte das RP.

Der Kreis allerdings verweist zurück auf das Regierungspräsidium. „Die Einsicht in die den Lärmschutz betreffenden Unterlagen erfolgt beim Regierungspräsidium Gießen“, heißt es in der Antwort. Hierzu müsse ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt und begründet werden. Ein solcher Antrag wegen einer Lärmbeschwerde sei im Frühjahr 2021 bei der Genehmigungsbehörde, dem RP, eingegangen, heißt es vom Kreis.

Der Antrag sei von Seiten des Beschwerdeführers dann aber nicht weiterverfolgt worden, nachdem sich die Lärmsituation verbessert hätte. Weitere Beschwerden würden dem Kreis als Überwachungsbehörde nicht vorliegen. Nachdem das Regierungspräsidium bei der nächsten Anfrage wieder zurück an den Kreis verwiesen hat, teilte dieser mit, dass die Redaktion beim Betreiber der Anlage zunächst eine Einsicht in das Gutachten genehmigen lassen muss. OL bemüht sich aktuell weiter, die Einsicht zu erhalten.

Behauptung 4: Die CDU bereitet die Ausweitung des Industriegebietes bereits vor.

Faktencheck: Schon im Interview zum OL-Jahresausblick dementierte Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule mögliche Planungen, das Industriegebiet auch auf die gegenüberliegende Seite ausweiten zu wollen. Damit reagierte der Bürgermeister auf Vermutungen des Umwelt- und Naturschutzbundes BUND Vogelsberg, der eben genau das befürchtete. Der Grund dafür lag darin, dass die Flächen auf der gegenüberliegenden Seite im Entwurf des neuen Regionalplans von einer landwirtschaftlichen Vorrangfläche zu einer landwirtschaftlichen Vorbehaltsfläche „abgestuft“ wurden.

Zur Erklärung: Ein Vorranggebiet ist einzig für eine bestimmte Nutzung vorgesehen – in diesem Fall: die Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu ist auf einem Vorbehaltsgebiet auch eine andere Nutzung möglich, die aber thematisch zur Landwirtschaft passen muss – wie beispielsweise eine Bebauung mit einer Biogasanlage oder aber Photovoltaik.

Egal ob landwirtschaftliche Vorrang- oder Vorbehaltsfläche, es bleibe eine Fläche für die Landwirtschaft – und der Weg das zu ändern, bleibe der gleiche Weg wie beim Weißen Weg vor über zehn Jahren. „Keiner dieser Schritte ist begonnen und es gibt im Moment auch nicht den politischen Willen, diese zu beginnen. Natürlich bindet sich ein Bürgermeister nie für die nächsten zehn oder 20 Jahre, aber die Befürchtung, dass es unmittelbar dort weitergehen soll, ist vollkommen unbegründet“, widersprach Paule deutlich.

Dennoch: Im Entwurf des Regionalplans (unter Punkt 5.2-3) steht ergänzend geschrieben, dass gewerbliche Flächen in der Größe von bis zu fünf Hektar zu Lasten der „Vorbehaltsgebiete für Landwirtschaft“ insbesondere für die Eigenentwicklung entwickelt werden können, „jedoch nur am Rand der Vorranggebiete Industrie und Gewerbe Bestand beziehungsweise der Vorranggebiete Siedlung Bestand und bei erkennbarem Bedarf, der im Bestand nicht gedeckt werden kann“.

Heißt im Klartext: Sollte ein Unternehmen, das sich an der Grenze eines Industriegebiets befindet, sein Areal erweitern wollen, weil ein nachweislicher Bedarf besteht, und die Stadt selbst kein Gewerbegrundstück in dem Gebiet mehr in petto hat, dann könnte auf dem angrenzenden gegenüberliegenden Grundstück, was eine landwirtschaftliche Vorbehaltsfläche ist, auf höchstens fünf Hektar doch noch gebaut werden. Auf DHL beispielsweise würde das nicht zutreffen, weil der Logistiker auf dem hinteren Grundstück die Flächen erwerben möchte, die nicht direkt angrenzen. 

Behauptung 5: Die CDU hat das gegenüberliegende Gelände zu einer minderwertigen Fläche im Regionalplan abstufen lassen.

Faktencheck: Eine einfache und kurze Antwort gibt es in diesem Punkt nicht. So viel kann man vorab schon einmal sagen: Seitens der CDU-Fraktion in der Regionalversammlung gab es wirklich mal eine solche Anfrage, die die Stadt unterstützte, dann allerdings fallen ließ. Dennoch: Solche Flächen in ihrer Nutzung umzubestimmen, das kann lediglich das Regierungspräsidium. Dazu nun eine genauere Erläuterung.

Entstanden ist das Industriegebiet am Weißen Weg durch eine von der Stadt in 2011 beauftragte und 2012 vorgelegte Gewerbe-Standortanalyse. Dabei wurden 14 mögliche Standorte für Gewerbe und Industrie miteinander verglichen und anhand von gewerblicher Eignung, Erholungswert und der Umwelt- und Artenschutzauswirkungen bewertet. So kam das Gebiet „Am Weißen Weg“ heraus. Um die Planungen überhaupt anstoßen zu können hat die Stadt Alsfeld bei der Regionalplanung zahlreiche kleinere außenliegende Fläche, die schon als Gewerbegebiet ausgewiesen waren, „zurückgegeben“ und sie nach Zustimmung der Regionalen Planungsversammlung zum neuen Gewerbegebiet zusammengelegt. Das war schon 2015 und alle Träger öffentlicher Belange wurden damals mit einbezogen, heißt es von offizieller Seite.

Selbst wenn man, wie es befürchtet wird, darüber hinaus weitere Gewerbegebiete ausweisen wollte, müsste zunächst die Gewerbe-Standortanalyse fortgeschrieben werden und auch der Regionalplan müsste angepasst werden. Die Flächen jenseits der B62 sind nicht als neue Gewerbeflächen, sondern als Landwirtschaftsflächen ausgewiesen. „Die Stadt hat das auch nicht beantragt und wird es im anstehenden Offenlegungsverfahren auch nicht beantragen“, erklärt Paule.

Und trotzdem gab es seitens der CDU-Fraktion in der Regionalversammlung tatsächlich einmal eine Abfrage an alle Vogelsberger Gemeinden. Damals meldete die Stadt unter anderem Interesse daran, das gegenüberliegende Areal zu einer Vorbehaltsfläche erklären zu lassen, um dort Ausgleichsmaßnahmen für das geplante Industriegebiet umzusetzen. Die Planungen dazu wurden allerdings über Board geworfen, die Ausgleichsflächen wurden anderweitig geplant. Seither hab die Stadt, so erklärt es Paule, diese Änderung der Nutzung nicht weiter verfolgt und diese auch nicht forciert, die Änderung der Flächennutzung obliege lediglich dem Regierungspräsidium.

Warum wurde also das gegenüberliegende Gelände herabgestuft? Das Regierungspräsidium verweist auf „die veränderte Methodik bei der Ermittlung der potenziellen VRG Landwirtschaft“ – und auch darauf, dass nicht die gesamte Fläche von einer Vorrangfläche zu einer Vorbehaltsfläche wurde, sondern nur ein Teil. Weiter erklärt das RP, dass die Regionalversammlung beschlossen habe „sich unter zusätzlicher Berücksichtigung des Klimawandels auf Flächen zu konzentrieren, welche mindestens ein mittleres Wasserspeichervermögen aufweisen und damit auch unter veränderten Niederschlägen/Temperaturen eine gewisse Ertragssicherheit versprechen“. Übersetzt heißt das: Die Flächen, die zu Vorbehaltsflächen erklärt wurden, sind zu schlechte für die Landwirtschaft und versprechen unter den neusten Klimaentwicklungen keine sicheren Erträge mehr. Deswegen öffnet man sie für Nutzungen wie beispielsweise Freiflächenphotovoltaikanlagen. Berücksichtigt wurde dabei die Agrarplanung Mittelhessen (AMI).

„Insofern ist die veränderte Kulisse nicht auf das Hinwirken einzelner Akteure, sondern auf eine grundsätzliche Anpassung der Ermittlungsmethodik zurückzuführen“, erklärt ein Sprecher vom RP.

Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule geht aber noch auf einen weiteren Aspekt ein, denn scheinbar würden Interessenten aus der Immobilienwirtschaft versuchen, im Bereich der Autobahnausfahrt Alsfeld-Ost Flächen zu erwerben und hierfür auch gewerbegebietsähnliche Preise anbieten. „Das wird von der Stadtverwaltung – sowohl Bauamt als auch Wirtschaftsförderung – deutlich missbilligt“, sagt Paule.

Weiter erklärt er, dass es dazu keinerlei planerische Grundlagen gebe und die Stadt bereits signalisiert habe, dass sie dort kein Baurecht schaffen werde. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über übermäßigen Flächenverbrauch seien solche Umtriebe kontraproduktiv. „Auch wenn die Stadt Alsfeld sich zur Ausweisung der 44 Hektar Gewerbefläche entschieden hat, teilt sie grundsätzlich das Anliegen von Landwirtschaft und Umweltverbänden, Flächenverbrauch auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken“, sagt Paule.

2 Gedanken zu “Kritiker-Behauptungen im Faktencheck I

  1. Die größte Betrohung der Menschheit geht nicht von Erdbeben und Tsunamis aus ,auch nicht von skrupellosen Politikern,raffgierigen Managern oder finsteren Verschwörern, sondern von einer einzigartigen, weltumspannenden alle Dimensionen sprengenden RIESENBLÖDHEIT .Wers nicht glaubt, ist schon infiziert.Politisch wirksam ist Dummheit nur , wenn sie epidemische Ausmaße annimmt, wenn der Irrsinn so gegenwärtig ist , dass er als solcher nicht mehr zu erkennen ist

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    1. „Blöd“ ist, wenn man nicht bereit ist über Fakten zu reden und sich stattdessen Ideologien anschließt.

      Offensichtlich ist das mit der Verkehrsprognose nicht so einfach. Wahrscheinlich wird die tatsächliche Belastung also doch geringer ausfallen.

      Verkehrslärm ist tatsächlich eine große Belastung. Aber warum muss bei jedem Stück Straße, das neu gebaut wird, oder bei jeder Neuansiedlung soviel Kraft in dieses Thema verschwendet werden? Es gibt leise PkW, leise Lkw, sogar leise Motorräder. Warum wird nicht einfach per Gesetz geregelt, dass kein Fahrzeug lauter sein darf, als technisch nötig? Dann würde es keinen Sportauspuff für das Auto geben und Motorräder würden nicht nach Lautstärke verkauft. Nicht nur die Alsfelder sondern ALLE Bürger hätten dann endlich Ruhe vor überflüssigem Verkehrslärm.

      Mit einmal Volksbegehren könnte man so viel erreichen. Besser als das viele klein-klein.

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